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Einbringung des Haushaltsplanentwurfes 2022/2023 während der Sitzung der Bürgerschaft durch Dr. Chris von Wrycz Rekowski, Senator für Finanzen, Digitalisierung und Ordnung

Pressemitteilung vom 11.05.2022 - Rathaus / Bürgerschaft

- Es gilt das gesprochene Wort. –

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
werte Bürgerschaftsmitglieder,
meine Damen und Herren,

als Finanzsenator durfte ich Ihnen hier schon einige Haushaltsplanentwürfe zur Beschlussfassung präsentieren.

In keinem Jahr glich ein Haushalt dem Anderen. In keinem Jahr waren die Voraussetzungen identisch. Es gab über die Jahre einerseits größte Herausforderungen und auf der anderen Seite starke, positive Entwicklungen. Mit dem Jahr 2019 konnten wir die uns strukturellen Fehlbeträge endlich ausgleichen. Wir konnten Ballast von uns werfen und freier Handeln.

Mit den darauffolgenden Haushalten wollten wir unsere langersehnten und durchdiskutierten Wünsche erfüllen. Es gab günstige Zinsen für Investitionen, das Steueraufkommen wuchs bundesweit kontinuierlich und wir waren sparsam in unseren allgemeinen Verwaltungstätigkeiten.

Die Infrastruktur sollte auf Vordermann gebracht werden. Wir hatten vor, mutige Projekte anzugehen, die die Stadt wieder und weiter nach vorne bringen. Es sah gut aus – auch wenn dies nicht die typischen Floskeln eines Finanzsenators sein sollten. Zurückschauend betrachtet ist es natürlich unschädlich für mich.

Es gab bei uns und der Stadtgesellschaft eine positive Grundstimmung. Es sollte nach einer sehr langen Phase des Entbehrens endlich wieder losgehen.

Doch was dann kam, hat keiner geahnt. Ich möchte nicht alles auf die Pandemie schieben, doch Corona schaffte es, dass die meisten Planungen und täglichen Abläufe in sich zusammenvielen.

Es hemmte uns immens in unserer Entwicklung. Alles wurde zurückgeworfen, unsere Haushalte der Jahre 2020 und 2021 mussten starke Einschnitte verkraften.

Unsere Haushaltsansätze auf der Einnahmeseite konnten nicht im angenommenen Umfang realisiert werden. Zusätzliche Kosten für dringend notwendige Hilfsmaßnahmen, Bewachungsdienstleistungen und technische Anforderungen mussten wir eingehen. Alles nicht geplant, aber sinnvoll und notwendig. Die Auswirkungen spüren wir heute noch, aber auch noch morgen und die kommenden Jahre.

Permanent muss nachgesteuert werden. Es gilt weiterhin pragmatische Lösungen zu finden, um die anstehenden Aufgaben finanzieren zu können. Auch wenn der Beschluss zum Haushalt einer der wichtigsten Beschlüsse der Rostocker Bürgerschaft ist, so muss auch jedem klar sein, dass es ein Plan ist, der mit Leben erfüllt werden muss.

Werte Mitstreiter,

trotz der von mir benannten Umstände sollten wir zuversichtlich in die Zukunft schauen. Vielleicht nicht mehr so rosig, wie noch vor zwei bis drei Jahren, aber es besteht noch kein Grund zu übertriebener Sorge.

Erste Arbeiten zum Entwurf des Doppelhaushaltes wurden bereits im Frühjahr 2021 begonnen und bis zum heutigen Stand immer weiter verfeinert. Der Entwurf beinhaltet nicht nur die abgestimmten und beschlossenen Projekte und Infrastrukturmaßnahmen, sondern auch Maßnahmen, die sich unsere Einwohnerinnen und Einwohner seit langem über die Ortsbeiräte und die Ausschüsse der Bürgerschaft wünschen.

Unser Haushalt ist robust, ebenso wie die lokale Wirtschaft. Wir haben trotz aller Widrigkeiten die Chance mit diesem Doppelhaushalt angestoßene Maßnahmen fortzuführen und neue dringend notwendige Maßnahmen zu beginnen.

Wo stehen wir genau: Die Jahre 2020 und 2021 konnten wir trotz aller Belastungen mit einem positiven Ergebnis abschließen. Ursachen sind hier zum einen Gewerbesteuerkompensationszahlungen und Kostenerstattungen durch das Land, z.B. für unser regionales Impfzentrum.

Im Jahr 2022 müssen wir planerisch von einem hohen Defizit ausgehen, welches wir aus unseren Überschüssen der Vorjahre noch ausgleichen können, das Jahr 2023 wohl nur noch teilweise.

Dieses Defizit ergibt sich u.a. aus folgenden Umständen:

- Erhöhung des Personalschlüssels im Bereich Kita/Tagespflege (KiföG-Satzung),

- Umsetzung „neuer" Aufgabenstellungen wie bspw. einen attraktiven ÖPNV,

- Umsetzung Gesetzesnovellierungen (u.a. Eingliederungshilfe),

- in allen Bereichen Folgekostendeckung (Abschreibungen, Mieten, Personal) aus Investitionen,

- Tarifanpassungen des eigenen Personals und Dritter, die Entgelte erhalten bzw. bezuschusst werden,

- Anstieg der Mieten und Betriebskosten (Kosten der Unterkunft, Mieten/Betriebskosten in Schulen, Sportstätten, Verwaltungsgebäuden usw.) und

- Erhöhungen der Zuschüsse an die Beteiligungen.

Bis zum Jahr 2025 entsteht planerisch ein Konsolidierungsbedarf von ca. 111 Mio. Euro. Wir werden wieder schnell und aktiv an haushaltsichernden Maßnahmen und dem hierfür zugrundeliegenden Haushaltssicherungskonzept arbeiten.

Gerade jüngst sind Anpassungsmaßnahmen in den Haushaltsplanentwurf auf Grund des Krieges in der Ukraine erforderlich geworden. Die uns zugewiesenen Geflüchteten, zumeist Frauen und Kinder, der Aufbau und der Betrieb einer Notunterkunft, das Anmieten und die Bewachung von zusätzlichen Objekten als Sammelunterkünfte, die Organisation von Betreuung und Integration. Alles sehr kurzfristige und notwendige Maßnahmen, die bislang finanziell noch nicht abgebildet waren. Wir gehen davon aus, dass wir unsere Aufwendungen erstattet bekommen, doch zunächst bindet es unsere finanziellen Möglichkeiten.

Entwicklung relevanter Auszahlungspositionen

Nicht allein die Corona-Pandemie ist für die aktuelle Haushaltssituation verantwortlich.

Festzustellen ist, dass die Entwicklung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock insbesondere im Bereich der Steuerentwicklung noch deutlich hinter der ursprünglichen Entwicklung liegt.

Folgende Positionen im Haushalt belasten diesen überdurchschnittlich:

- Bewirtschaftung und Unterhaltung (u.a. Straßen, Gebäude)

Vorläufiges Ergebnis 2021: 13,4

Ansatz 2022: 18,2

Ansatz 2023: 19,2

 

- Inanspruchnahme von Leistungen Dritter (u.a. Sicherheitsdienste)

Vorläufiges Ergebnis 2021: 13,2

Ansatz 2022: 15,8

Ansatz 2023: 15,9

 

- Personal / Versorgung (u.a. Tarifanpassungen)

Vorläufiges Ergebnis 2021: 155,8

Ansatz 2022: 160,0

Ansatz 2023: 170,5

 

- Zuschüsse an Körperschaften, Vereine, Verbände freiwillig (u.a. durch gestiegene Kosten für Mieten, Personal)

Vorläufiges Ergebnis 2021: 11,9

Ansatz 2022: 12,2

Ansatz 2023: 12,6

 

- Zuschüsse an Körperschaften, Vereine, Verbände pflichtig mit Ermessen (u.a. durch gestiegene Kosten für Mieten, Personal)

Vorläufiges Ergebnis 2021: 23,6

Ansatz 2022: 25,1

Ansatz 2023: 26,3

 

- Zuschüsse an Körperschaften, Vereine, Verbände freiwillig (u.a. durch gestiegene Kosten für Mieten, Personal)

Vorläufiges Ergebnis 2021: 11,9

Ansatz 2022: 12,2

Ansatz 2023: 12,6

 

- Kita/Tagespflege (KiföG-Satzung)

Vorläufiges Ergebnis 2021: 97,3

Ansatz 2022: 116,0

Ansatz 2023: 116,8

 

- Eingliederungshilfe (Novellierung)

Vorläufiges Ergebnis 2021: 53,4

Ansatz 2022: 74,1

Ansatz 2023: 76,4

 

- BUGA-Zuschuss Verwaltungstätigkeit

Vorläufiges Ergebnis 2021: 2,0

Ansatz 2022: 2,4

Ansatz 2023: 4,1

 

- Mieten / Betriebskosten Verwaltungsgebäude, Schulen und Sportstätten

Vorläufiges Ergebnis 2021: 38,5

Ansatz 2022: 40,6

Ansatz 2023: 43,5

 

- Zuschüsse an Beteiligungen – hier auch enthalten Zuschuss an die RSAG

Vorläufiges Ergebnis 2021: 25,3

Ansatz 2022: 27,2

Ansatz 2023: 31,3

 

Insbesondere der Anstieg des Saldos im Sozialhaushalt (Teilhaushalt 50 - KiföG und Eingliederungshilfe) ist für die Entwicklung des Haushaltes maßgeblich.

Auch die Personalkosten steigen tarifbedingt und gesetzlich vorgesehen jährlich.

Auf der Einnahmeseite gibt es folgende Entwicklungen:

Die bisherigen Steuereinzahlungen sind dank Unterstützung des Bundes und des Landes durch Gewerbesteuerkompensationszahlungen nicht niedriger als 2019.

2022 und 2023 werden wir diesen positiven Umstand wohl nicht verzeichnen dürfen.

Die Gewerbesteuer entwickelte sich bereits im Jahr 2021 besser als geplant, dennoch liegt die Entwicklungserwartung 2022 ff. unterhalb der mehrjährigen Planung.

Alle übrigen Steuern können im veranschlagten Umfang erhoben werden. Hier gibt es keine bzw. nur geringe Veränderungen.

Die Finanzzuweisungen fallen nach ersten Einschätzungen leicht niedriger aus als in Vorjahren. Die niedrigere Infrastrukturpauschale führt zu einem geringeren Einnahmeumfang, als die damaligen investiven Schlüsselzuweisungen.

Entwicklung der Investitionstätigkeit

Aber: Wir haben die Kraft, den Willen und das Vermögen uns zu entwickeln.

Der Haushaltsplanentwurf enthält im Vergleich im Vorjahr einen sehr starken Anstieg des Investitionsvolumens. 2022 sollen 145 Mio. Euro und 2023 dann 197 Mio. Euro investiert werden.

Im Vergleich: Bisher konnten im Jahr rund 65 bis 85 Mio. Euro in der Verwaltung investiv umgesetzt werden. Dies zeigt deutlich, dass wir die dringend notwendige Infrastruktur wieder auf Vordermann bringen wollen. Dies tut auch an vielen Ecken und Enden not. Sie kennen es zu genüge aus ihrem persönlichen Wohnumfeld oder vom Weg zur Arbeit. Egal, ob als Fußgänger, als Radfahrender oder als sonstiger Verkehrsteilnehmer.

Jedoch: Ein hohes Investitionsvolumen bringt auch einen hohen Kreditbedarf und hohe Kreditkosten mit sich.

Investitionsschwerpunkte:

- Abbau des massiven Investitionsstaus im Bereich der Infrastruktur,

- Weiterführung des Digitalisierungsprozesses in der Verwaltung,

- die Bundesgartenschau (BUGA),

- Ausbau und Qualitätssteigerung des ÖPNV, hier gemeinsam mit dem Landkreis,

- Breitband- und Gigabitausbau in allen Stadtteilen und für jeden Rostocker,

- Abbau des Investitionsstaus für Schulausstattung (IT und Mobiliar),

- Ausstattung von Sportstätten nach Neubau und Sanierung,

- Fortführung Neugestaltung Werftbecken,

- Fortführung Medienentwicklungsplan,

- Ausstattung Feuerwache III nach Neubau,

- Fahrzeugbeschaffung im Brandschutz- und Rettungsamt,

- Modellprojekt „Smart Cities",

- Umsetzung von Maßnahmen im Städtebaulichen Sondervermögen (Eigenanteil HRO) und

- Ausstattung der Kunsthalle nach Sanierung.

Liquidität und Kreditbedarf

Um den Auszahlungsverpflichtungen nachzukommen wird eine erhöhte Inanspruchnahme von Kassenkrediten unumgänglich sein. Investitionskredite von jährlich 60 bis 100 Mio. Euro werden ebenso zu einem Anstieg der Kreditverbindlichkeiten führen. Aktuell sind rund 96 Mio. Euro hierfür einzuplanen, im Jahr 2025 bereits schätzungsweise 407 Mio. Euro.

Haushaltssicherungskonzept

Corona und die neuen Aufgaben sollen die Entwicklung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock nicht stoppen. Das Haushaltssicherungskonzept, welches wir Ihnen zur Beratung und Beschlussfassung vorlegen, wird geeignete Prüfaufträge und Maßnahmen enthalten.

Hier haben wir zurückliegend wertvolle Erfahrungen machen können und gemeinsam wird es uns gelingen, unsere volle Leistungsfähigkeit und haushalterische Eigenständigkeit auch bald wieder zurückzugewinnen.

Ein erster Schritt wird die Anpassung der Grundsteuer B von 480% auf 520 % ab dem Jahr 2023 sein. Darüber hinaus ist geplant, die Höhe der Personalkosten ab 2024 einzufrieren. Eine Organisationsuntersuchung mit diesem Ziel und zum optimalen Personaleinsatz befindet sich in Vorbereitung.

Unsere Haushaltsentwicklungen sind homogen mit vergleichbaren Kommunen. Uns ist die aktuelle Lage aber bewusst und wir halten am Ziel fest, alsbald wieder finanziell unabhängiger zu werden.

Auch wenn die finanziellen Rahmenbedingungen schon mal besser waren, so habe ich Vertrauen in unser Vermögen, in unsere Leistungsfähigkeit und den gemeinsamen Willen, die Stadt nachhaltig zu entwickeln.

Wir sind breit aufgestellt. Wir sind bemüht, klug zu investieren. Und so negativ der eine oder andere die Zukunft auch malt, so wird sie dann doch nicht sein.

Am Ende eines jeden Jahres standen wir dann doch nie so schlecht da, wie es uns am Jahresanfang ins Hausaufgabenheft geschrieben wurde.

Die lokale Wirtschaft haben wir durch verschiedene Maßnahmen unterstützt. Auch wenn große Firmen sich aktuell neu orientieren, so bieten unsere Flächen, unsere Netzwerke und unsere infrastrukturellen Rahmenbedingungen enorme Potentiale. Es liegt an uns, das Beste draus zu machen.

Leistungsfähigkeit der Hanse- und Universitätsstadt Rostock

Die Leistungsfähigkeit der Hanse- und Universitätsstadt Rostock lässt sich an der Entwicklung des Saldos des Ergebnishaushaltes messen, dem tatsächlichen Ressourcenaufkommen.

Nach Lesart der Regelwerke ist die Leistungsfähigkeit aktuell als dauerhaft gefährdet einzustufen, da ab 2022 der jahresbezogenen Haushaltsausgleich nicht mehr erfolgen kann. Dies ist derzeit nur über den Ergebnisvortrag möglich.

Bis 2025 werden fast alle „angesparten Reserven" aufgebraucht, d.h. die laufenden Aufwendungen können weder aus den laufenden Erträgen, noch aus Reserven gedeckt werden.

Aber, und dieses „Aber" möchte ich deutlich hervorheben, der Blick auf andere wichtige Kennzahlen lassen erkennen, dass unsere heutige Ausgangssituation im Vergleich zur Vergangenheit wesentlich besser ist.

Festzustellen ist, dass wir durch das Verwaltungshandeln und zurückliegende Investitionen unser Eigenkapital und unsere Eigenkapitalquote erhöhen konnten. Gleichzeitig ist unsere Verschuldung heute geringer als noch vor einigen Jahren. Insgesamt betrachtet konnten wir unsere finanzielle Leistungsfähigkeit trotz zurückliegender Herausforderungen steigern, wie interkommunale Vergleichsringe dies auch deutlich belegen.

Meine Damen und Herren,

ich habe Vertrauen in unser Vermögen und unseren Haushalt.

Wir besitzen finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten und können auch mit diesem Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2022 und 2023 wichtige Schwerpunkte setzen. Hier und heute ermächtigen Sie die Verwaltung, die aktuellen Herausforderungen anzugehen.

In diesem Sinne:

meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich bitte sie hiermit auch formal, den vorgetragenen Weg mitzugehen und dem Haushaltsplan 2022/23 Ihre Zustimmung zu geben.

Vielen Dank!