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Rede von Dr. Chris von Wrycz Rekowski, Senator für Finanzen, Digitalisierung und Ordnung, zur Einbringung des Haushaltsplanentwurfes 2024/2025 während der Sitzung der Bürgerschaft

Pressemitteilung vom 17.01.2024 - Rathaus / Bürgerschaft

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Mitglieder der Bürgerschaft,
meine Damen und Herren,

etwas mehr als eineinhalb Jahre, genau genommen 20 Monate, ist es jetzt her, als ich das letzte Mal zu Ihnen sprach, um Ihnen einen neuen Haushaltsplanentwurf zur Beratung und Entscheidung vorzulegen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – aber für mich ist das gefühlt eine halbe Ewigkeit her. Damals steckten wir noch mitten in der Corona-Pandemie, unser Oberbürgermeister trug einen Rauschebart und die deutsche Fußballnationalmannschaft rechnete sich Chancen auf den WM-Titel aus. Wir hofften auf ein schnelles Kriegsende in der Ukraine, und im Nahen Osten war die Lage zumindest überwiegend ruhig. Wie gesagt, gefühlt eine halbe Ewigkeit her.

Auch finanzpolitisch hat sich das Rad der Geschichte seitdem erheblich weitergedreht. Die Jahre 2022 und 2023 brachten der Bundesrepublik die höchsten Inflationsraten seit der Ölkrise Anfang der 1970er Jahre, der Leitzins schoss in wenigen Monaten auf über vier Prozent, nachdem er vorher zehn Jahre unter einem Prozent gelegen hatte. Die Hilfspakete zur Pandemie- und zur Energiekrise haben die Haushalte von Bund und Ländern ausgelaugt, die Wirtschaftsflaute und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts – wie auch immer man dazu stehen mag – engen die Spielräume weiter ein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,

wie hat sich all dies nun ganz konkret auf unsere Stadtfinanzen ausgewirkt? Die erstaunliche Antwort: Bisher nur wenig!

Entgegen unserer damaligen, begründet pessimistischen Annahmen konnten wir das Jahr 2022 noch mit einem beträchtlichen Überschuss abschließen. Und wie unsere vorläufige Finanzrechnung zeigt, haben wir auch das Jahr 2023 um fast 32 Mio. Euro besser abgeschlossen als geplant, so dass statt tiefroter Zahlen nur ein vergleichsweise kleines unterjähriges Minus von 10,2 Millionen Euro entstanden ist. Nach den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 sind also auch die beiden Krisenjahre 2022 und 2023 haushalterisch für uns noch positiv verlaufen, oder jedenfalls glimpflich, was das letzte Jahr angeht. Die Gründe dafür liegen aus unserer Sicht vor allem in den Hilfspaketen des Bundes und in den höheren Zuweisungen des Landes über den Finanzausgleich. Dass das Land die kompletten Flüchtlingskosten übernimmt, hilft uns natürlich ebenso. Und nicht zuletzt stellten sich unsere Steuereinnahmen doch als recht robust heraus, hier gleichen offenbar Inflationseffekte die schwache Konjunktur aus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,

das klingt alles erfreulich. Fakt ist aber auch: Im Jahr 2023 konnte der unterjährige Haushaltsausgleich erstmals seit dem Jahr 2014 nicht erreicht werden. Damit geht für uns leider eine acht Jahre lange Phase von Haushaltsüberschüssen zu Ende, die uns die Rückführung aller Kassenkredite ermöglicht hatte. Eine kleine finanzpolitische Zeitenwende zum Negativen, wenn Sie so wollen. Das hat im Wesentlichen drei Gründe:

Erstens: Nach einigen Jahren gleichbleibender Auszahlungen hat sich der negative Saldo, also das Minus, im Teilhaushalt Jugend und Soziales im Jahr 2023 dramatisch verschlechtert. Einnahmeseitig sind einige Einmaleffekte weggefallen, ausgabeseitig treiben Leistungsverbesserungen (Stichwort: Kita, Bundesteilhabegesetz) und Inflation die Kosten.

Zweitens: Bislang haben unsere städtischen Unternehmen und Beteiligungen unter dem Strich einen Gewinn für die Stadtkasse abgeworfen. Das ändert sich gerade, wegen der Wirtschaftslage und der gesellschaftlichen Transformation. Die Gewinne bei Stadtwerken, WIRO und WWAV geraten unter Druck, der Zuschussbedarf z.B. im Nahverkehr steigt.

Und drittens: Die hohe Inflation hat – das war zu erwarten und muss auch so sein – flächendeckend zu entsprechend hohen Tarifabschlüssen geführt, eben auch im Öffentlichen Dienst. Die Sonderzahlungen in 2023 und die kommende reguläre Tariferhöhung Anfang März führen daher zu drastisch steigenden Personalkosten.
Für uns ist derzeit nicht erkennbar, dass diese Entwicklungen sich in naher Zukunft von allein abschwächen oder gar umkehren.

Und damit, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sind wir beim Ausblick, bei unserem Haushaltsplanentwurf für die nächsten knapp zwei Jahre:

Ich habe es Ihnen bei meinen Besuchen in den Fraktionen im Vorfeld der heutigen Bürgerschaftssitzung ja schon offengelegt: Der Weg zu diesem Haushaltsplanentwurf war lang und steinig. Die erste Runde der Anmeldungen summierte sich auf ein Minus von ca. 90 Millionen Euro in 2024, und sogar auf 100 Millionen in 2025. Also weit weg von den Eckwerten, welche die Bürgerschaft als Vorgabe beschlossen hatte. Weit weg von dem, was uns plausibel erschien. Und auch weit weg von dem, was haushaltspolitisch verantwortbar wäre.

Deshalb wurde eine zweite Planrunde erforderlich, in der wir als Finanzbereich uns gezwungen sahen, den Teilhaushalten maximal mögliche Salden vorzugeben. Das war für die Ämter natürlich ein schmerzhafter Prozess, aber in intensiven wie konstruktiven Beratungen haben wir uns aufeinander zu bewegt, sodass wir jetzt dieses gemeinsam getragene Zahlenwerk vorlegen können. Allen Beteiligten hierfür meinen herzlichen Dank!
Im Ergebnis liegt Ihnen heute ein Haushaltsplanentwurf vor, der in Einzahlungen wie Auszahlungen die Marke von 900 Millionen Euro erreicht. Wie schon in den letzten zwölf Monaten rechnen wir dabei leider auch für 2024 und 2025 nicht damit, den Haushalt auf das Jahr bezogen ausgleichen zu können.

Deutlich wird die Gesamtentwicklung beim Blick auf die Zahlen im Finanzhaushalt 2024:
Hier sehen wir bei den erwarteten Einnahmen einen echten Sprung von 802 Millionen Euro (in 2023) auf 865 Millionen Euro (in 2024), also ein großes Plus von 63 Millionen Euro oder 7,9 %. Demgegenüber wachsen aber die geplanten Ausgaben sogar von 806 Millionen (in 2023) auf 882 Millionen (in 2024). Das ist ein Ausgabenzuwachse von 76 Millionen oder 9,4 %. Geplante Mehrauszahlungen von 9,4 % gegenüber dem Vorjahr, meine Damen und Herren! Und dass, nachdem wir steuernd eingegriffen haben! Ich denke, das zeigt eindrücklich, wo im kommenden Doppelhaushalt das Problem liegt. Es zeigt aber auch, dass wir den Ämtern bei der Planung durchaus Luft zum Atmen gelassen haben, und dass hier keinesfalls schon ein Sparhaushalt auf dem Tisch liegt.

Unter dem Strich jedenfalls verbleibt somit in diesem Jahr eine Lücke von knapp 17 Millionen Euro zwischen Ein- und Auszahlungen, die nicht mehr geschlossen werden konnte. Im Plan 2025 dann eine Lücke von 21 Millionen Euro, zuzüglich der jeweiligen planmäßigen Tilgung.

Aber dank der guten Vorjahre verfügen wir ja zum Glück über positive Ergebnisvorträge, also Rücklagen. Diese können nunmehr eingesetzt werden, um die geplanten Defizite zu kompensieren, sodass wir über den Gesamtzeitraum betrachtet den Haushaltsausgleich dennoch erreichen. Für den Doppelhaushalt 2024/2025 kann unserer Kommune deshalb auch eine dauerhaft gesicherte Leistungsfähigkeit attestiert werden. Damit ist es zumindest bis Ende 2025 nicht erforderlich, ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen, jedenfalls nicht aus haushaltsrechtlicher Perspektive.

Im Hinblick auf die finanzielle Nachhaltigkeit hingegen werden wir uns durchaus wieder mit möglichen Maßnahmen zur Haushaltsverbesserung befassen müssen. Das betrifft vor allem die drei Bereiche, die ich vorhin als Ursachen der negativen Entwicklung beschrieben habe:

Erstens: Knapp die Hälfte der Auszahlungen entfallen auf den Bereich Jugend und Soziales. Dieser Bereich bestimmt die Haushaltsentwicklung. Und auch wenn ich weiß, dass Steffen Bockhahn dort sehr bemüht ist – wir müssen hier noch stärker auf Konnexität pochen, auf eine angemessene Kostenübernahme von Bund und Land. Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen.

Wir werden hier aber auch über Standards reden müssen. Natürlich, mehr Qualität geht immer. Sie ist aber nicht immer bezahlbar. Unsere Aufwendungen z.B. im Kitabereich steigen auf 124 Millionen Euro in 2025, das sind 17 Prozent mehr als noch 2022. 17 Prozent Kostensteigerung binnen drei Jahren, bei praktisch gleichbleibender Kinderzahl. Ja, wir wollen dort bessere Arbeitsbedingungen, wir wollen dort bessere Betreuung. Trotzdem kann diese Entwicklung nicht ungebremst so weitergehen, sonst finanzieren wir die Betreuung unserer Kinder bald auf Kosten unserer Kinder, über Schulden nämlich. Und auch sonst gibt es im Bereich Jugend und Soziales – wie sicher im gesamten Haushalt – vieles, was wünschenswert oder fachlich optimal wäre, aber schlicht finanziell nicht machbar ist. Und da werden wir uns ehrlich machen müssen.

Zweitens: Ich habe die negative Entwicklung bei den Beteiligungen angesprochen. Auch sie sind natürlich von der Inflation, von hohen Energie- und Personalkosten betroffen. Hinzu kommen die Kosten des ökologischen Umbaus, bei der Energieerzeugung der Stadtwerke, beim Dämmen und Heizen der WIRO-Wohnungen, bei der Angebotserweiterung der RSAG. Auch hier geht nicht alles sofort, weil die Kommune letztlich ein Gesamtkonstrukt ist, das funktionieren muss. Deshalb sind die Wirtschaftspläne ja Anlagen zur Haushaltsvorlage. Wir brauchen hier deshalb aus meiner Sicht ein Commitment, eine gemeinsame Verständigung darauf, dass die Beteiligungen unter dem Strich eine schwarze Null liefern müssen. Eine dauerhafte Bezuschussung aus dem Kernhaushalt wird nicht finanzierbar sein, sie würde künftige Spielräume – Ihre Spielräume als Rostocker Bürgerschaft! – stark einschränken.

Und drittens: Beim Personal liegen unsere Ausgaben in 2025 bei fast 190 Millionen Euro, ebenfalls 17% mehr als noch drei Jahre zuvor. Und das liegt eben nicht nur an der Tarifentwicklung, sondern auch am Personalaufwuchs. Im Stellenplan 2015, als ich hier als Senator anfing, standen 2.323 Stellen. Im Stellenplan 2024 stehen nun 2.734 Stellen. 411 Stellen mehr, ein Plus von fast 18%. Auch hier braucht es jetzt eine Haltelinie. Wir können uns zusätzliches Personal nicht mehr leisten, es ist auf dem Arbeitsmarkt auch kaum vorhanden. Es wird schwer genug werden, unsere freiwerdende Stellen nachzubesetzen.
Gleichzeitig gibt es große Potentiale, durch Digitalisierung effizienter zu werden, wenn wir die technischen Möglichkeiten nur offensiver nutzen. Und deshalb sind die OB und ich uns einig, dass wir nach diesem Doppelhaushalt als Verwaltung ohne weitere Stellenzuführungen auskommen müssen.

Soweit meine strategische Sicht als Finanzsenator auf die größten Positionen unseres Haushaltes. Dass wir daneben auch in allen anderen Bereichen nach Kosteneinsparungen und Einnahme-potenzialen schauen müssen, ist dabei selbstverständlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,

nach diesen Molltönen möchte ich abschließend doch noch zu zwei erfreulichen Punkten kommen:

Zum einen die freiwilligen Leistungen, also unsere Ausgaben zum Beispiel für Volkstheater, Zoo, Kunsthalle, für die Sportförderung, die Kulturszene: Hier ist es uns trotz der eingetrübten Lage gelungen, einen Aufwuchs der Ausgaben vorzusehen, auf 71,4 Millionen Euro in 2024 und 73,3 Millionen in 2025. Das sind über die zwei Jahre immerhin 7 Prozent mehr als im abgelaufenen Jahr. Der Anteil freiwilliger Leistungen am Gesamthaushalt bleibt damit fast konstant.

Zweiter Punkt, unsere Investitionen: Auch hier sind wir weiterhin bemüht, einen Schwerpunkt zu setzen, um die Stadt nach vorne zu bringen und zu entwickeln. Für 2024 sind investive Auszahlungen in Höhe von rund 130 Millionen EUR geplant, für 2025 sogar 190 Millionen EUR. Gemessen an den 84 Millionen, die wir in 2023 tatsächlich umgesetzt haben, bietet der Haushalt also finanziell noch Luft nach oben.

Aber Ihnen ist ja bekannt, dass hier eher die nötigen Planungsvorläufe, die langen Ausschreibungsverfahren oder fehlende Kapazitäten bei den Auftragnehmern Gründe für Verzögerungen sind. Als wichtigste investiven Bausteine im Kernhaushalt zu nennen sind das Rostocker Oval, die Zuschüsse für den Aufbau einer kommunalen Essensversorgung, der Aufbau eines eigenen Rechenzentrums und die Umsetzung wichtiger Vorhaben im Straßenbau, im Hafenbau und in der Ausstattung von Schulen und Sporthallen. Mein Appell an uns alle ist, die investierenden Ämter bestmöglich bei ihren Projekten zu unterstützen, um hier noch mehr Tempo reinzubringen.

Zu den jährlichen Zuschüssen an den KOE für den Theaterneubau möchte ich noch anmerken, dass wir hierzu in Gesprächen mit der Rechtsaufsicht sind. Dort ist man der Auffassung, dass es bilanzrechtlich doch möglich sei, die Verkaufserlöse der Grundstücke im KOE zu belassen und direkt in Sonderposten umzuwandeln. Sie könnten dann trotzdem von der künftigen Theatermiete abgezogen werden, der Umweg über den Kernhaushalt wäre nicht nötig und es könnten so eventuell Kreditzinsen gespart werden. Das wird noch geprüft und wir werden uns im Zuge der Haushaltsgenehmigung mit dem Land dazu verständigen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,

die Aufstellung unseres Haushaltsplans ist in jedem Jahr eine gewaltige Aufgabe, erst recht, wenn das Geld knapper wird. Für die dabei geleistete tolle Arbeit möchte ich mich herzlich bei allen Beteiligten in den Fachämtern bedanken, ganz besonders bei Frau Kamke, bei Frau Hoenicke und ihrem engagierten Team aus dem Kämmereiamt – vielen Dank!

In diesem Sinne bitte ich Sie, dem Haushaltsplan 2024/2025 zuzustimmen, und hoffe auf Ihr Augenmaß in der Entscheidung der vorliegenden Änderungsanträge.

Vielen Dank!