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Ist der Möbelwagen vor der Tür, hilft kein Verstecken mehr

Pressemitteilung vom 27.07.1999

27. Juli 1999

Ist der Möbelwagen vor der Tür, hilft kein Verstecken mehr
Das Sozialamt rät: Gegen eine Räumungsklage rechtzeitig etwas tun

Vor der Tür von Familie K. steht der Sozialarbeiter M. aus dem Rostocker Sozialamt. Auch das dritte Klingeln bringt keinen Erfolg, die Tür wird nicht geöffnet. Herr M. kann also nur noch einen vorbereiteten Brief in den Briefkasten der Familie stecken und hoffen, daß sie reagiert.

Was war passiert? In einem Schreiben an das Sozialamt hatte der Vermieter informiert, daß Familie K. in Zahlungsverzug mit ihrer Miete geraten war und eine fristlose Kündigung erhalten hatte. Weder auf Gesprächsangebote des Vermieters hatten K.s reagiert, noch auf zwei Mahnungen. Inzwischen heißt auch dieser Fall: Drohende Wohnungslosigkeit. Schlägt Familie K. auch die Hilfe des Sozialamtes aus, kommt, was kommen muß: Der Vermieter reicht beim Amtsgericht die Räumungsklage ein, das Gericht spricht ein Räumungsurteil aus und der Gerichtsvollzieher tritt in Aktion. Über all diese Schritte wird Familie K. informiert. Unternimmt sie nichts, steht eines Tages der Möbelwagen vor der Tür.

Dann kann in der Regel auch das Sozialamt die Räumung nicht mehr verhindern. Ist die Familie nicht da und die Wohnung verschlossen, wird die Wohnung vom Vermieter geöffnet und durch den Gerichtsvollzieher geräumt. Solche Momente sind auch für die Sozialarbeiter durchaus nicht angenehm. Und doch sind sie leider in Rostock gar nicht so selten. Mehr als 1100 Fälle seit 1993 hat Dietrich Mielke als der zuständige Sozialarbeiter im Sozialamt gezählt. Waren es 1997 noch 264 Wohnungsräumungen, ging die Zahl der Fälle im vergangenen Jahr auf 188 zurück. Zahlreiche Räumungen konnte das Sozialamt quasi noch in letzter Minute abwenden. So wie Sozialarbeiter M. sind noch vier weitere Mitarbeiter des Sozialamtes in Sachen Mietschulden in den Stadtteilen unterwegs. Die Gründe für nicht geleistete Zahlungen sind unterschiedlicher Natur.

Manche Rostocker sehen Mietschulden als Bagatelle an, die einfach nicht an ernstzunehmende Konsequenzen glauben wollen. Andere wieder halten Mietzahlungen zurück, weil sie mit Sanierungsmaßnahmen oder Mieterhöhungen nicht einverstanden sind. Mitunter verzögern sich aber auch die Zahlungen von Lohn und Arbeitslosengeld.

Wer auf diese oder andere Weise in Not geriet, sollte den Weg zum Sozialamt nicht scheuen und Hilfe beantragen. Sie steht jedem zu, wenn auch die Prüfung des jeweiligen Einkommens eine Zahlungsunfähigkeit bescheinigt. Die Mitarbeiter im Sozialamt können aber raten, was im Einzelfall zu tun ist. Sie wissen auch aus Erfahrung, daß Betroffene mitunter weder Kindergeld- noch Wohngeldzahlungen beansprucht haben. Wenn das "Kind allerdings schon in den Brunnen gefallen ist", kann das Schicksal dem der im Beispiel beschriebenen Familie K. ähneln.

Damit die Familie nicht auf der Straße bleibt, können Sozialarbeiter nur noch eine Unterkunft anbieten. Vorübergehend kann Familie K. dann in die Unterkunft für wohnungslose Familien ziehen. Die Bewohnerleben hier auf engem Raum und nutzen gemeinsam Küche und Sanitäreinrichtungen. Für die Unterbringung wird ein angemessenes Nutzungsentgelt gezahlt. Das Schuldenkonto der betroffenen Familie ist bis dahin schon deutlich angewachsen. Zu den zwei rückständigen Wohnungsmieten kommen weitere Mietkosten, Kosten für das Gericht und den Gerichtsvollzieher, die Rechnungen für Möbelwagen und Möbelträger und das Unterstellen der Möbel. Eine vierstellige Summe kann dann schnell zu einer fünfstelligen geworden sein. Auch für Familie K. muß das Obdachlosenhaus nicht die letzte Adresse gewesen sein. Mitarbeiter des Sozialamtes und der Obdachlosenhäuser werden mit ihnen gemeinsam nach Lösungen suchen.

So schnell wie möglich sollen sie wieder in der Lage sein, in eigenen vier Wänden zu wohnen und zu wirtschaften. Sie werden lernen müssen, mit noch geringerer Haushaltskasse zurecht zu kommen, Wohnungsgeld, Erziehungsgeld oder weitere in Frage kommende Leistungen auch in Anspruch zu nehmen.
Schuldnerberatungsstellen können helfen, wenn auch die Familie sich um ein neues Leben bemüht.