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Menschenwürdiges Leben für Asylbewerber

Pressemitteilung vom 24.08.1999


Tag der offenen Tür im Wohnheim Grubenstraße

Ein wenig aufgeregt ist Astrik Margarjan schon, als wir sie in ihrer Wohnung im Wohnheim Grubenstraße besuchen. Mit Nachdruck und im gebrochenen Deutsch bittet sie uns, Platz zu nehmen, und will einen Kaffee kochen. Es ist eng in der 3-Raum-Wohnung, aber gemütlich. Seit drei Jahren lebt die fünfköpfige Familie aus dem armenischen Hoktemberian in Rostock. Seit im Juli 1997 die Einrichtung in der Grubenstraße fertig war, sind die Asylbewerber hier eingezogen. Die Grundausstattung der Wohnungen wird gestellt, aber die Bewohner verschönern sich die Einrichtung mit Dingen, die sie oft im Sperrmüll finden. Schließlich verbringen sie viel Zeit in ihrer Wohnung. Die drei Töchter gehen zur Schule, aber die Eltern dürfen keiner Berufstätigkeit nachgehen.

Gemeinnützige Arbeit für den Stundenlohn von zwei DM ist möglich. Dies wird insbesondere von den Männern genutzt. Schließlich ist auch im Haus jede Menge zu tun. Innenrenovierung - das Sozialamt stellt dann lediglich die Materialien - Pflege der Außenanlagen, Sauberkeit in den Gemeinschaftsräumen, Wäsche waschen - all diese Aufgaben erledigen die Bewohner selbst. Für Frauen bleibt normalerweise das Kochen. Heute steht der Fisch bereits in der Küche bei den Margarjans, gleich soll das Mittagessen zubereitet werden. Die Rostocker Tafel beliefert zweimal in der Woche das Heim mit Lebensmitteln, die gerade das Verfallsdatum erreicht haben. Mit den Wertgutscheinen, die die Asylbewerber erhalten, muß eng gewirtschaftet werden. Ein Erwachsener erhält Gutscheine im Wert von 245 DM im Monat für Ernährung, 20 DM für die Körperpflege, 50 DM für Kleidung und 80 DM Bargeld für den privaten Bedarf. So sieht es das Asylbewerberleistungsgesetz vor.

Die Hansestadt Rostock geht bei Unterbringung und Versorgung in Vorleistung, wie Holger Jahns, Abteilungsleiter Ausländer im Sozialamt, erläutert: "Diese Gelder werden vom Land zurückerstattet. Die Stadt finanziert die Kaltmiete der Unterkünfte. Für viele Angebote der Integration sind leider keine finanziellen Mittel vorhanden." Im Heim in der Grubenstraße, das vom Hanse-Sicherheits-Service betrieben wird, arbeiten neben dem Heimleiter zwei Sozialpädagoginnen. Nicht jeder wolle über seine zum Teil schrecklichen Erlebnisse sprechen. Aber Angebote zum Gespräch und der tägliche Kontakt seien unabdingbar. Zum Beispiel als die Frau, die auf der Flucht mehrfach vergewaltigt wurde, eine Frau fand, die sie einfach nur in den Arm nimmt. So können wenigstens die Tränen fließen, erzählt Holger Jahns. Für Kinder werden Wochenenden und Spiele organisiert, auch die Frauen können Kaffeenachmittage besuchen.

121 Menschen leben in dem Wohnheim in der Grubenstraße: Vom Baby bis zum 54jährigen Familienvater. "Da die Menschen hier sehr beengt leben und sie wenig Privatsphäre haben, kommt es natürlich auch zu Konflikten", hat Jahns beobachtet. "So ist fast jeder mal an dem Punkt, daß er einen Heimkoller bekommt. Aber da hier neben Einzelpersonen immerhin dreizehn Familien ihr Zuhause haben, ist ein Zusammenleben gut möglich." Besucher dürfen die Bewohner selbstverständlich auch empfangen, bis 22 Uhr, so sieht es die Hausordnung vor. "Wir behalten schon den Überblick, wer sich hier aufhält. Da wir dafürsorgen, daß das Umfeld draußen sehr unauffällig und ordentlich ist, hatten wir bisher keine Angriffe von außen", unterstreicht Geschäftsführer Edgar Reboné. Intensive Absprachen mit der Polizei und der Umgebung waren damals der Entscheidung vorausgegangen, auch wenn es noch Vorbehalte bei den Anwohnern gibt. "Die Lösung mit kleineren Einrichtungen hat sich bewährt", ist Jahns überzeugt. Insgesamt leben in Rostock zur Zeit 558 Asylbewerber. Hinzu kommen die Aussiedler und jüdische Emigranten. So bietet die Stadt 1.200 Plätze in neun Heimen.

"Ein Traum der Kinder hier ist es, den Hansapark Sierksdorf zu besuchen", verrät uns Edgar Reboné. Mit einer Tombola will man diesen Traum verwirklichen. Zum zweijährigen Bestehen lädt das Heim alle Anwohner und Rostocker am 28. August von 14 bis 17 Uhr zu einem Tag der offenen Tür in die Grubenstraße ein. Neben Ausstellungen und einem Kinderfest können sich die Besucher über die Lebensumstände der Menschen aus 19 Ländern informieren. Mit Hilfe vieler Sponsoren - dem Glashäger Brunnen, der OSPA, Einzelhandelsgeschäften, der WIRO, der Rostocker Tafel und Nordflor - soll dieser Nachmittag für jung und alt informativ und erlebnisreich werden. Auch das Ehepaar Margarjan wird mit den drei Töchtern dabei sein. Und vielleicht bekommt der eine oder andere Besucher auch eine Tasse starken armenischen Kaffee. Renate Heusch-Lahl