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Demokratie braucht weiterhin eine engagierte Zivilgesellschaft

Pressemitteilung vom 17.09.2024 - Rathaus

Studie deckt demokratiegefährdende Strukturen in der Region Rostock auf

Eine aktuelle Studie der Professorinnen Dr. Christine Krüger und Dr. Júlia Wéber von der Hochschule Neubrandenburg beleuchtet die zunehmende Gefährdung der Demokratie in der Region Rostock durch rechtsextreme Akteure und Strukturen. Die Untersuchung wurde im Auftrag des Aktion Zivilcourage e.V. im Rahmen des Projekts „Zivilgesellschaft stärken und schützen“ (Bundesprogramm „Demokratie leben!“) erstellt und analysiert die weitreichenden Netzwerke und Einflüsse der extremen Rechten.

Die Studie identifiziert Mecklenburg-Vorpommern als „Experimentierfeld der extremen Rechten“, in dem eine Vielzahl extrem rechter Parteien, Vereine und informeller Gruppen aktiv ist. Benannt werden in diesem Zusammenhang die Alternative für Deutschland (AfD) sowie kleinere Parteien wie Die Heimat, Neue Stärke Partei und Der III. Weg. Hinzu kommen zahlreiche rechtsextreme Vereine, wie der Verein Küstenwende e.V., und dynamische Neonazi-Gruppierungen, die in der Region agieren.

Für Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger ist Demokratie nicht zum Nulltarif zu haben: „Die Studie gibt Handlungsempfehlungen und unterstreicht die Bedeutung starker demokratischer Netzwerke, von vielen Kooperationspartnerinnen und -partnern. Auch Verwaltung muss mit im Boot sein und auch finanzielle Verantwortung übernehmen.“

Birgit Kaspar, Amtsvorsteherin des Amtes Krakow am See, betont: „Demokratie braucht Miteinander: Sie braucht Akteurinnen und Akteure, die miteinander auf einer vertrauensvollen und breiten Basis handeln und sie braucht Vernetzung.“

Sebastian Constien, Landrat des Landkreises Rostock, unterstreicht: „Unsere Aufgabe ist es, die Bevölkerung, die Mitglieder der ehrenamtlichen Gremien und auch die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter über die Ergebnisse der Studie zu informieren. Es ist wichtig, die Menschen in unserer Region über demokratiegefährdende Strukturen aufzuklären und unsere Mitarbeitenden im Umgang damit zu schulen.“

„Wir haben uns im Rahmen der Zusammenarbeit im Projekt `Zivilgesellschaft stärken und schützen´ eine Vertrauensbasis geschaffen, die uns hilft, auf kurzem Weg auch aktuelle Fragen und Probleme zu erörtern“, so Anja Kerl, Dezernentin für Finanzen und Soziales des Landkreises Rostock. „Daran ist die Zusammenarbeit zwischen Landkreis, Hansestadt und Amt Krakow am See unheimlich gewachsen. Wir sind gestärkt für die Herausforderungen, vor denen wir stehen.“

Ein zentraler Punkt der Untersuchung ist die enge Verflechtung demokratiegefährdender Akteure, die sich über parteipolitische, wirtschaftliche und subkulturelle Strukturen erstreckt. Diese Netzwerke reichen nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch ins europäische Ausland. Besonders alarmierend ist die zunehmende Normalisierung rechtsextremer Ideologien, die im öffentlichen Raum immer präsenter werden. Rechtsextreme Akteure haben es geschafft, ihre Ideologien breiter zu verankern, was zu einer schleichenden Erosion demokratischer Werte führt.

Die Bedrohung für die Zivilgesellschaft in Rostock und Umgebung ist real und spürbar. Einrichtungen, die sich für Demokratie, Vielfalt und Antidiskriminierung einsetzen, sind verstärkt Angriffen ausgesetzt. Die Ergebnisse der Kommunal- und Europawahlen 2024 haben gezeigt, dass rechtsextreme Einflüsse auch auf parlamentarischer Ebene zunehmen.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, fordert die Studie eine enge Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft, Polizei, Justiz und Politik. Es wird betont, dass es einer konsequenten und schnellen Reaktion auf rechtsextreme Aktivitäten bedarf. Zudem sei eine langfristige und verlässliche Finanzierung von Demokratieprojekten unerlässlich, um den Herausforderungen durch rechtsextreme Akteure adäquat begegnen zu können.

Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit, demokratische Werte aktiv zu fördern und rechtsextremen Tendenzen entschieden entgegenzutreten. Nur durch eine starke und engagierte Zivilgesellschaft kann die Demokratie in der Region Rostock langfristig gesichert werden.

An dem Projekt „Zivilgesellschaft stärken und schützen“ beteiligen sich der Landkreis Rostock, die Hanse- und Universitätsstadt Rostock und das Amt Krakow am See im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. Die Kooperation auf kommunaler Ebene hat zu einem besseren Verständnis der Herausforderungen in der Region geführt und trägt dazu bei, vorhandene Akteure und Initiativen stärker miteinander zu verknüpfen. Die Studie hat Handlungsfelder identifiziert und soll wissenschaftliche Grundlage für die weitere Arbeit sein.

Kernaussagen der Studie
„Demokratiegefährdende Akteure und Strukturen in der Region Rostock und die Gefährdung der Demokratie vor Ort"

Prof.n Dr. Christine Krüger & Prof.n Dr. Júlia Wėber
Hochschule Neubrandenburg I Juni 2024

1. Die extrem rechte und rechtsextreme Szene im Raum Rostock ist vielfältig und z.T. untereinander gut vernetzt. Im Fokus stehen einzelne Akteure, die in unterschiedlichen Strukturen (parteigebunden, formell und informell) aktiv sind. Die Vernetzung der rechtsextremen Akteure hat sich - auch im digitalen Raum - professionalisiert.

2. Die Befunde belegen wirkmächtige demokratiegefährdende personelle und ideologische Kontinuitäten sowie machtvolle Dynamiken der Strukturen weit über den Raum Rostock hinaus. Es bestehen landes- und bundesweite Vernetzungen und strategische Partnerschaften auch mit Akteuren im europäischen Ausland.

3. Ein besonderer Fokus liegt auf den Aktivitäten von Vereinen, deren Einflussnahmen über ehrenamtliche Angebote, die zunächst unpolitisch bzw. unideologisch erscheinen, kaum einzuschätzen sind. Ein weiterer Fokus liegt auf den völkischen Siedlungen in den ländlichen Räumen des Landkreises Rostock. Auch hier ist ein hoher Vernetzungsgrad mit der rechtsextremen Szene nachweisbar. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Strukturen weiter expandieren.

4. Der Raum Rostock verfügt über eine breite und vielfältige Zivilgesellschaft. Die Bedrohungen für zivilgesellschaftlich organisierte Einrichtungen und Angebote sowie Einzelpersonen von Institutionen, die sich für Demokratieförderung, Vielfalt, Antidiskriminierung und für Geflüchtete einsetzen, sowohl in der Stadt Rostock als auch in ländlicheren Gegenden im Landkreis Rostock, sind alltäglich und massiv

5. In den letzten Jahren haben sich die Grenzen des Sagbaren in breiten gesellschaftlichen Gruppen deutlich nach rechts verschoben. Zwar geschehen diese Verschiebung und Radikalisierung in der Stadt wie im Ländlichen gleichzeitig, es zeigen sich zum Teil unterschiedliche Auswirkungen auf städtische und eher kleinstädtische bis dörfliche Gemeinschaften. Fachkräfte in demokratiefördernden Projekten blicken mit vermehrter Sorge in die Zukunft. Sie befürchten einen Rückgang von Fördermöglichkeiten, Angriffe auf Gemeinnützigkeit, Angriffe durch Denunziationen durch demokratiefeindliche Akteure - persönlich wie für Organisationen.