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11. Rostocker Aktionstage gegen Suchtgefahren vom 6. bis 10. September 2004

Pressemitteilung vom 01.09.2004

Unter dem Thema "Vom Genießen zur Sucht" finden die diesjährigen 11. Rostocker Aktionstage gegen Suchtgefahren vom 6. bis 11. September statt. In dieser Woche gibt es ein vielfältiges Programm, an dem sich 18 verschiedene Träger präsentieren und informieren. Höhepunkt der Veranstaltungen ist der Aktionstag am 8. September auf dem Rostocker Universitätsplatz zum Thema "Vom Genießen zur Sucht" mit allen Vertretern der Rostocker Suchtkrankenhilfe und Mitgliedern des Suchthilfesystems. Dabei haben die Besucherinnen und Besucher der Kröpeliner Straße und alle Rostocker Einwohnerinnen und Einwohner die Gelegenheit, einen Blick auf den Genuss zu richten und sich darüber zu informieren, wann Genuss in Missbrauch übergehen kann. Gleichzeitig wird die Möglichkeit geboten, sich über Hilfeangebote und gesunde Lebensweise zu informieren.

Jeder gönnt sich gern einmal etwas, sei es als Belohnung, um auf andere Gedanken zu kommen, um den Alltag zu vergessen oder mit einem Problem besser fertig zu werden. Hat das Erfolg, so wird es gern und immer öfter wiederholt, bis man sich daran gewöhnt hat, unangenehme Erlebnisse aller Art mit Hilfe von "Ersatzbefriedigungen" zu verdrängen. Bereits dies kann eine Form von süchtigem Verhalten sein. Dabei ist es egal, ob es sich um eine Tasse Kaffee handelt, um wieder fit zu werden, eine Tafel Schokolade, die Liebeskummer oder schlechte Laune erträglicher werden lässt, die Zigarette zur Beruhigung oder das Glas Bier zur Entspannung nach einem anstrengenden Arbeitstag. In allen Fällen genießen wir neben dem Geschmack auch die Wirkung.

Die Hansestadt Rostock verfügt über ein sehr differenziertes Suchthilfesystem, das sowohl für Drogengebraucher im illegalen Bereich als auch für niedrigschwellige Hilfen unterhalb der strengen Abstinenzforderung ausgebaut wurde. Es umfasst derzeit 14 verschiedene Angebote in unterschiedlicher Trägerschaft. Neben den bewährten Rostocker Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe stellen sich zwei neue Projekte vor: Das ist einmal das bundesweit einmalige Angebot der Designerdrogensprechstunde, das nach Ablauf der Bundesmodellprojektzeit in Form der Vernetzung medizinischer, sozialer und suchtspezifischer Hilfen weitergeführt wird. Dazu können sich die Besucherinnen und Besucher auf dem Universitätsplatz über den aktuellen Stand des Gemeinschaftsprojektes zwischen der Universität Rostock, dem Trägerverbund, dem Jugend- und Gesundheitsamt informieren. Darüber hinaus nimmt ab 1. September nimmt ein weiteres Projekt seine Arbeit auf. H.A.L.T. ("Hart am Limit") richtet sich an Kinder und Jugendliche, die exzessiv Alkohol konsumieren (sog. binge drinking) und sagt dem "Kampftrinken" den Kampf an. Damit wird eine Lücke des Suchthilfesystems geschlossen und ein rasches therapeutisches Eingreifen ermöglicht.

Nach wie vor ist der Alkohol die Droge Nummer eins in der Hansestadt Rostock. Dabei sind folgende Tendenzen sind zu beobachten:
- Die Konsumenten werden immer jünger und sind im Frühstadium schwer erreichbar.
- Zunehmend werden riskante Konsummuster, wie z. B. das Kampftrinken praktiziert.
- Ausgeprägter Mischkonsum findet in enger Verbindung mit Alkohol und Tabak statt.
- Drogenkonsum ist zunehmend ein Statussymbol und wird zu einer "Spaßkultur" umgewandelt.

Der riskante Konsum von suchterzeugenden Substanzen zeigt unter den Kindern und Jugendlichen Rostocks folgende Trends:
- Alkohol und Nikotin sind die am weitesten verbreiteten Drogen,
- Der Anteil junger und jüngster Konsumenten steigt Besorgnis erregend, insbesondere für Alkohol. Die Zahl der sogenannten Rauschtrinker (binge drinker), die zur Entgiftung in die Universitätskinderklinik eingewiesen werden müssen, ist alarmierend gestiegen.

In diesem Zusammenhang spielt der Genuss von Alkopops (fertig gemixte alkoholhaltige Getränke in Flaschen auf der Basis zumeist aus destilliertem Alkohol und Limonade) eine große Rolle. Nach einer Befragung von 11.043 Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klassen ("Europäische Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen" - ESPAD), vom Europarat initiiert und an der sich das Land Mecklenburg- Vorpommern beteiligte, hatten bereits 50 % der 14-Jährigen einen Alkoholrausch. Alkopops sind zur Modedroge bei Schülern geworden:
- Im Vergleich zu 1998 wurden 2003 vier Mal so viel Alkopops in der Gesamtbevölkerung gekauft.
- Bei den Käufern bis 29 Jahre hat sich das Kaufverhalten fast versechsfacht.
- 14 % der Gesamtbevölkerung trank mindestens einmal im Monat Alkopops.
- Bei den 14- bis 29-Jährigen stieg der Anteil derjenigen, die einmal im Monat Alkopops tranken, von 9 % (1998) auf 42 % (2003)
- Bei den 14- bis 17-Jährigen tranken 48 % mindestens einmal im Monat Alkopops.

Bei vielen Kindern und Jugendlichen gehört zum alkoholischen Getränk selbstverständlich auch die Zigarette. Das Durchschnittsalter für die erste Zigarette liegt heute bei 13,6 Jahren, das bedeutet, dass viele Kinder auch deutlich früher mit dem Zigaretten Rauchen beginnen. Nach der ESPAD-Studie rauchen in Deutschland täglich ca. 27 % der 15-Jährigen, in keinem Land Europas wird diese Quote übertroffen. Wer früh und riskant legale Suchtmittel wie Alkohol und Tabak probiert und konsumiert, ist auch eher geneigt, illegale Drogen wie Cannabis auszuprobieren.

Im Bereich der illegalen Drogen ist Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale Droge. Mehr als neun Millionen Menschen in Deutschland haben Erfahrung mit Cannabis. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen hat sich die Verbreitung von Cannabis in nur einem Jahrzehnt fast verdreifacht. Nach der ESPAD-Studie ist Cannabis mit 31 % die am häufigsten konsumierte Substanz.

Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen kann Cannabiskonsum beim Menschen beträchtliche psychische und physische Folgen verursachen, wie Konzentrationsschwäche, Antriebslosigkeit und Gedächtnisprobleme bis hin zu schweren psychischen Störungen. Je jünger die regelmäßigen Konsumenten sind, desto größer ist das gesundheitliche Risiko. Ein jugendliches Gehirn, das sehr früh mit Rauschmitteln bombardiert wird, wird regelrecht auf Sucht programmiert. Das liegt daran, dass der Durchschnittsgehalt an Tetrahydrocannabinol in Haschisch und Marihuana fast das Fünffache beträgt als vor 30 Jahren. Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 20 % ist keine Seltenheit mehr.

Hier ist dringender Handlungsbedarf angesagt, um vorbeugend tätig zu werden, denn je später Kinder eine Droge ausprobieren, umso größer ist die Chance, ohne Sucht auszukommen. In diesem Sinne muss die Suchtprävention in der Hansestadt Rostock als eine gesellschaftspolitische Aufgabe von hoher Bedeutung angesehen werden, die nur in Verbindung aller gesellschaftlichen Kräfte umgesetzt werden kann.