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Bericht des Oberbürgermeisters an die Bürgerschaft 5. November 2003

Pressemitteilung vom 06.11.2003

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,
meine sehr verehrten Damen und Herren,


man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass das Wort "Reform" sicherlich zu den Ausdrücken gehört, die gute Chancen haben, in diesem Jahr von der Gesellschaft für Deutsche Sprache zum "Wort des Jahres" gekürt zu werden.

Es scheint zur Zeit keinen Politikbereich zu geben, in dem nicht eine Reform umgesetzt, in Angriff genommen oder zumindest angemahnt wird. "Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte", hat Gustav Heinemann, der 3. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, einmal gesagt. Dies ist heute mehr denn je gültig. Ohne grundlegende strukturelle Veränderungen in ganz vielen Bereichen verspielen wir die Chance, das zu bewahren, was unbedingt notwendig ist - für uns und die nachfolgenden Generationen.

Das Reformvorhaben, das Kommunalpolitiker und Beschäftigte in den Verwaltungen zur Zeit besonders umtreibt, ist die Gemeindefinanzreform. Übermorgen, am 7. November 2003, entscheidet der Bundesrat, ob die Gemeindefinanzreform zum neuen Jahr in Kraft tritt oder durch langwierige Verfahren im Vermittlungsausschuss verzögert oder gar gekippt wird. Für die Städte und Gemeinden, und d.h. natürlich auch für die Hansestadt Rostock wird diese Entscheidung weitreichende Folgen haben. Eine weitere Verzögerung oder gar ein Scheitern der Reformen wäre für uns und mit uns für viele andere Kommunen fatal. Weitere massive Einschnitte in den kommunalen Dienstleistungen, die Streichung von Angeboten und die Schließung von Einrichtungen wären die Folge. Die Hansestadt Rostock sieht sich im Jahr 2004 mit einem Defizit von rund 100 Mio. EUR konfrontiert. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer betrugen noch im Jahr 1999 über 42 Mio. EUR. 2004 werden uns nur noch 27 Mio. EUR zur Verfügung stehen. Gleichzeitig werden die Sozialleistungen allein zwischen 2003 und 2004 um 10 % gestiegen. Mit einer Gewerbesteuerreform, die auf der einen Seite die Besteuerung von Freiberuflern und andererseits ertragsunabhängige Elemente wie Mieten und Zinsen einbezieht, kann die Ertragssituation der Städte zumindest stabilisiert werden. Im Hinblick auf die stetig steigenden Sozialausgaben werden die Städte durch die Zusammenlegung von Arbeit und Sozialhilfe deutlich entlastet. Allerdings kann man nur von einer Entlastung kommunaler Finanzen reden, wenn die Reform auch vollständig umgesetzt wird.

Meine Damen und Herren,

in der Hansestadt Rostock hat sich ein Bündnis für sichere Kommunalfinanzen gebildet, das von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, dem Gesamtpersonalrat und mir als Verwaltungschef gemeinsam getragen wird.

Ich habe mich gemeinsam mit Frank Pieper vom ver.di-Bezirk Rostock schriftlich an die Ministerpräsidenten der CDU-geführten Bundesländer gewandt und die Länderchefs aufgefordert, die von der Bundesregierung vorgelegte Gemeindefinanzreform zu unterstützen und dem Vorhaben zuzustimmen.

Die Gemeindefinanzreform darf nicht gekippt werden, wenn die Städte den Bürgerinnen und Bürgern ein angemessenes Angebot von Leistungen sichern wollen. Die Städte, auch die Hansestadt Rostock, unternehmen erhebliche Anstrengungen, um der Schuldenfalle zu entkommen. Wer hier mit dem Finger nur auf andere zeigt, auf den weisen alle anderen Finger zurück. In der mehr als angespannten Lage kommunaler Finanzen müssen alle ihre Hausaufgaben machen. Aus eigener Kraft kann eine Kommune wie die Hansestadt Rostock ihr Defizit aber nicht beseitigen. Mit immer weniger Geld sollen immer mehr Aufgaben bewältigt werden - das kann nicht funktionieren! Jetzt sind auch der Bund und die Länder gefordert, die notwendigen Maßnahmen schnellstmöglich auf den Weg zu bringen, um die Finanzkrise der Städte in den Griffzu bekommen.

Mit der Kampagne "Reformen statt Kahlschlag" wollen der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund die gravierenden Folgen aufzeigen, die ein Scheitern der Gemeindefinanzreform für die Bürgerinnen und Bürger hätte. Deshalb haben beide Verbände zahlreiche Aktionen überall in Deutschland organisiert. Eine dieser Aktionen fand vor etwas mehr als drei Wochen genauer am 17. Oktober vor dem Rostocker Rathaus statt. Mehr als 200 TeilnehmerInnen haben seinerzeit Flagge gezeigt und einige von Ihnen, sehr geehrte Mitglieder der Bürgerschaft, haben sich beteiligt. Am kommenden Freitag werden Frank Pieper, vom ver.di-Bezirk Rostock, der Senator für Finanzen, Verwaltung und Ordnung, Sebastian Schröder und ich noch einmal vor die Presse treten und ein klares Signal setzen, dass das Ende der finanziellen Belastbarkeit in Rostock erreicht ist.

Meine Damen und Herren,

auch wenn das Reformvorhaben am Freitag den Bundesrat passiert und schließlich entschlossen umgesetzt wird, bedeutet dies nur eine Linderung und mitnichten das Ende unserer Finanznot. Zum strikten Sparkurs gibt es auch dann nach wie vor keine Alternative. Der Entwurf für die Fortschreibung der Ergänzung zum Haushaltssicherungskonzept bis zum Jahr 2007 liegt Ihnen allen vor. Die Haushaltskonsolidierungskonzepte umfassen damit mittlerweile insgesamt 129 Einsparmaßnahmen. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist eine gewaltige, aber notwendige Kraftanstrengung. Sie zwingt uns zu strukturellen Veränderungen und Maßnahmen zur Effektivitätssteigerung, um die berechtigten Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger an kommunale Dienstleistungen überhaupt noch erfüllen zu können.

Andere strukturelle Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung sind schon abgeschlossen oder befinden sich im Prozess der Umsetzung. Gemäß Ihrem Auftrag, sehr verehrte Mitglieder der Bürgerschaft, wurde in den letzten Wochen und Monaten in einer Unterarbeitsgruppe die Fusionierung von Schulverwaltungsamt und Sportamt vorbereitet. Die Aufgaben der Ämter wurden zusammengeführt. Selbstverständlich wurden auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Personalrat an der Fusionierung beteiligt. Seit 1. November 2003 wird das aus der Zusammenlegung hervorgegangene Amt für Schule und Sport kommissarisch von der bisherigen Sportamtsleiterin geführt. Um auch räumlich die Fusionierung beider Ämter zu vollziehen, werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sportamtes in den nächsten Tagen in das Gebäude Schillingallee umziehen. Die endgültige Struktur des Amtes für Schule und Sport wird dann zum 1. April 2004 feststehen.

Meine Damen und Herren,

wie u.a. in der letzten Ergänzung zum Haushaltssicherungskonzept von Ihnen beschlossen ,werden Ihre Aufträge zur Entlastung der Stadtverwaltung von "nichtwirtschaftsfördernden" Aufgaben sukzessive umgesetzt und sind zu einem Großteil bereits realisiert. Entsprechend der politischen Vorgaben zum Hartzkonzept wurde der Bereich Arbeitsmarktpolitik in das Sozialamt integriert, die Abteilung Hafenbau wird ab 1. Januar 2004 ins Tiefbauamt eingegliedert werden. In enger Abstimmung mit allen Beteiligten wurden die Kernaufgaben des "Büros für Wirtschafts- und Strukturfragen" herausgearbeitet, welches zunächst im Senatsbereich 3 und nach dessen Auflösung in meinem Geschäftsbereich angesiedelt sein wird. Wie ich Ihnen bereits in meinem Bericht in der Septembersitzung angekündigt habe, unterbreiten wir Ihnen mit den Ihnen vorliegenden Entwurf des Stellenplanes 2004 einen entsprechenden Strukturvorschlag. Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Gesellschaft für Wirtschafts- und Technologieförderung Rostock mbH sind bereits zwischen Gesellschaft und der Hansestadt Rostock abschließend verhandelt, der Entwurf eines entsprechenden Geschäftsbesorgungsvertrages liegt vor. Ich habe den Senator für Wirtschaft und Tourismus damit beauftragt, eine diesbezügliche Beschlussvorlage zu erarbeiten, die Ihnen zur nächsten Sitzung vorgelegt werden wird. In meinem Änderungen zum Haushalt 2004 sind die finanziellen Auswirkungen des Geschäftsbesorgungsvertrages auf die Stadt bereits eingeplant. Die Deckung der notwendigen Mittel ergeben sich aus den Rücklaufgeldern aus der Zielvereinbarung mit der RVV.

Meine Damen und Herren,

zu den Aufgaben des Büros für Wirtschafts- und Strukturfragen gehören die Bearbeitung von grundsätzlichen Fragen der Wirtschaftspolitik. Darüber hinaus wird dieses Büro zuständig sein für die Bearbeitung bzw. Koordination aller wirtschaftsnahen Fördermittel inklusive der Mittel für wirtschaftsnahe Infrastruktur. Die verstärkte Nutzung europäischer Förderinstrumente und - programme für die Stadtentwicklung der Hansestadt Rostock wird allerdings in Kürze in einem neu zu installierenden EU-Office geleistet. Aus dem Entwurf des Stellenplans 2004 können Sie ersehen, dass wir in meinem Geschäftsbereich eine weitere Umstrukturierung vornehmen und der Bereich Internationale Beziehungen um das genannte EU-Office mit drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des vormaligen Amtes für Wirtschaftsförderung erweitert wird. Mit dieser Lösung haben wir dem Antrag der CDU- Fraktion, der heute auf unserer Tagesordnung steht, schon jetzt Rechnung getragen. Aufgabe des EU-Office wird es neben der Entwicklung und Durchführung von Projekten und der Akquisition von Fördermitteln aus den vielfältigen Haushaltslinien der Europäischen Union auch sein, die Verwaltung und Dritte, z.B. Vereine und Verbände der Hansestadt, im Hinblick auf "europäische" Projekte zu beraten.

Meine Damen und Herren,

dass Konzept zur Nachnutzung des IGA-Areals wird mir am morgigen Donnerstag vorgelegt. Ich werde das Konzept noch einmal abschließend prüfen und Ihnen dann zur Beschlussfassung vorlegen. Ich kann Ihnen aber schon jetzt sagen, dass die Integration des Schifffahrtsmuseums in den IGA-Park ein wichtiger Bestandteil des Konzepts sein wird. Das Schifffahrtsmuseum ist nicht nur ein ganz wesentlicher Marketinghöhepunkt des IGA-Parks, es sind durch die Verbindung von Museum und Park erhebliche Synergieeffekte und auch positive finanzielle Auswirkungen zu erwarten. Die finanziellen Auswirkungen für die Hansestadt Rostock können jetzt genau beziffert werden und liegen bei 670.000 EURO. Sie können meinem Nachtrag zum Haushaltsentwurf 2004 entnehmen, dass diese Summe bereits in den Haushalt 2004 eingeplant sind.

Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

die olympische Flamme brennt schon lange in den Herzen der Menschen aus Rostock und Leipzig. Die Begeisterung für die Vision, olympische Spiele in diese beiden Städte und nach Deutschland zu holen, drückt sich jetzt auch im offiziellen Logo der Bewerbung Deutschlands aus. Am vergangenen Montag hat der Geschäftsführer der Bewerbungskomitee Leipzig 2012 GmbH, Mike de Vries, das neue Logo für die Bewerbung Deutschlands um die Olympischen Spiele und Paralympics 2012 der Segelbewerberstadt vorgestellt. Die leuchtende Flamme in den Farben Blau, Gelb und Rot ist die Visitenkarte der bundesdeutschen Bewerbung. Jetzt gilt es, dass sich mit diesem Symbol ganz Deutschland geschlossen hinter die Bewerbung stellt und die Querelen der vergangenen Wochen vergessen lässt.

Ich bin sicher, dass die Aufgeregtheiten der letzten Wochen keinen nachhaltigen Schatten auf die deutsche Bewerbung werfen werden. Die Hansestadt ist organisatorisch und personell gut aufgestellt. Ich freue mich auf eine weiterhin erfolgsorientierte Zusammenarbeit und einen engen Schulterschluss mit allen, die die Rostocker Bewerbung so großartig unterstützen, d.h. sowohl mit den Kammern, den Verbänden und entsprechenden Initiativen als auch mit dem Rostock-Olymp Clubund seinem designierten Vorsitzenden Hansjörg Kunze. Die Hansestadt Rostock geht geschlossen und engagiert in die nächste Runde des Bewerbungsmarathons.

Meine Damen und Herren,

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein wesentliches Element der Leitlinien zur Stadtentwicklung der Hansestadt Rostock, sondern wird auch ein zentrales Element unserer Olympia-Bewerbung sein. Fünf "Leuchtturmprojekte", die im Rahmen der Umsetzung des Masterplan realisiert werden sollen, unterstreichen die ökologische Nachhaltigkeit der Rostocker Bewerbung. Zu diesen Leitprojekten gehören z.B. die Erarbeitung von Leitmotiven, Umweltzielen und Standards für eine umweltschutzgerechte Warnowufer-Nutzung bis 2012, Umweltmaßnahmen in Begleitung der städtebaulichen und verkehrlichen Entwicklung des Gebietes Mittelmole/Werftbahnhof oder die Durchführung einer internationalen Konferenz zum Thema "Segelsport und Umwelt". Diese Maßnahmen sind weitere wichtige Bausteine für eine überzeugende und erfolgreiche Bewerbung.

Meine Damen und Herren,

ich konnte mich auf meiner Reise nach China - ins Reich der Mitte - vor knapp zwei Wochen davon überzeugen, dass die Rostocker Bewerbung auch im Ausland große Anerkennung und Zustimmung erfährt. Meine viertägige Reise in die olympische Segelstadt 2008, Qingdao, ist sehr positiv und erfolgreich verlaufen. Meine Gesprächspartner haben wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht nur über die Rostocker Bewerbung hocherfreut, sondern auch sehr an einem intensiven Erfahrungs- und Informationsaustausch mit der Hansestadt interessiert sind, insbesondere wenn es um die Organisation von großen Segelevents geht. Mit dem Segelkomitee Qingdao wird es deshalb einen regelmäßigen Austausch geben. Ich habe darüber hinaus mit den Verantwortlichen des Segelsports in Qingdao verabredet, dass junge Segler in den kommenden Sommerferien ein Trainingscamp in Warnemünde absolvieren und im Gegenzug hiesige Segler nach China fahren. Beide Seiten haben dann die Gelegenheit, auch auf sportlichem Gebiet ihr Know-how auszutauschen.

Ich bin davon überzeugt, dass die Hansestadt von dieser Zusammenarbeit sehr profitieren wird, zumal sich auch auf wirtschaftlichem Gebiet interessante Kontakte zwischen beiden Städte anbahnen. Ich habe den Wirtschaftssenator gebeten, gemeinsam mit den Vertretern der Rostocker Wirtschaft auszuloten, ob und welche Möglichkeiten für eine fruchtbare Kooperation mit Vertretern der Wirtschaft in Qingdao bestehen. Nach meinem Dafürhalten eröffnen sich hier gute Entwicklungschancen. Nun ist die Rostocker Wirtschaft aufgefordert, diese auch zu nutzen. Auch im Bereich Tourismus wollen wir den Austausch zwischen den Verantwortlichen im Landestourismus und den chinesischen Partnern vorantreiben. Bereits im kommenden Jahr will sich Qingdao auf der ITB in Berlin vorstellen. Wir haben uns vorgenommen, anlässlich dieses Wiedersehens konkrete Schritte für eine Zusammenarbeit im Tourismus zu vereinbaren.

Konkrete Schritte der Zusammenarbeit konnte ich auch im Rahmen meiner Reise in unsere lettische Partnerstadt Riga vereinbaren, von der ich heute erst zurückgekehrt bin. Ich bin dort zu Gesprächen mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister Lettlands, Juris Lujans, und Vertretern mehrerer lettischer Häfen zusammengetroffen. Wir haben uns darauf verständigt, die Zusammenarbeit der Häfen Lettlands, dem Tor zum Wirtschaftsmarkt Russland, mit dem Rostocker Hafen noch stärker als bisher auszubauen.

Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

lassen Sie mich zum Schluss meiner Ausführungen noch einmal auf den Ausgangspunkt zurück kommen. "Reformen statt Kahlschlag" heißt die Kampagne des Deutschen Städtetages und des Deutschen Städte und Gemeindebundes. Reformen und mutige Entscheidungen sind heute mehrdenn je gefragt - über alle Parteigrenzen hinweg. Sie alle treffen heute Entscheidungen, die in ihrer Bedeutung weit über die Kommunalwahl 2004 hinaus reichen. Ich bitte Sie, sich dies bei den heutigen Diskussionen und vor allem Ihren Entscheidungen immer wieder vor Augen zu halten. Vielen Dank!