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Bericht des Oberbürgermeisters an die Bürgerschaft am 9. Juni 2004

Pressemitteilung vom 10.06.2004

Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie zur letzten Bürgerschaftssitzung der Legislaturperiode. Am kommenden Sonntag sind die Bürgerinnen und Bürger Rostocks aufgefordert, sowohl ihre Vertreter für das Europäische Parlament als auch für die Bürgerschaft neu zu wählen.

Wie auch immer sich die neue Bürgerschaft zusammensetzen mag, steht die politische Selbstverwaltung der Hansestadt Rostock auch in den kommenden fünf Jahren vor großen Herausforderungen.

Die Situation des städtischen Haushaltes hat sich in der abgelaufenen Legislaturperiode von Jahr zu Jahr verschärft. Nach vier Jahren konsequenter Haushaltskonsolidierung in der Hansestadt Rostock zeigt uns die scherenhafte Entwicklung zwischen Einnahmen und Ausgaben bei gleichzeitiger Rückführung freiwilliger Aufgaben massive strukturelle Probleme auf.

Das Finanzierungsdefizit der deutschen Städte ist im Jahre 2003 sprunghaft auf das Rekordniveau von 10,0 Mrd. EUR angestiegen. Die Hauptursache für diese Zuspitzung der kommunalen Finanzkrise sind die seit Jahren rückläufigen Einnahmen und insbesondere die Entwicklung der Steuereinnahmen. Auf der Ausgabenseite sind die wachsenden Belastungen durch die Sozialtransfers - insbesondere die Sozialhilfe, die Jugendhilfe und die Grundsicherung - hauptverantwortlich für die kommunale Finanzkrise.

Bund und Länder haben sich in den letzten Jahren schrittweise große Teile der gemeindlichen Ressourcen angeeignet, eigene Schwerpunktaufgaben und damit Ausgaben durchgesetzt und den Bereich der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben zurückgedrängt. Den Kommunen sind inzwischen so viele Pflichtaufgaben auferlegt worden, dass einer effektiven Selbstverwaltungsgarantie nahezu die materiellen Grundlagen entzogen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Haushaltskonsolidierung in der Hansestadt Rostock wird auch in den nächsten Jahren eine erhebliche Belastung der kommunalen Selbstverwaltung sein. Im Ergebnis schwieriger Diskussionen in den Fraktionen, Ausschüssen der Bürgerschaft wie auch in diesem Gremium wurden haushaltskonsolidierende Entscheidungen getroffen, die, insbesondere bezogen auf die Reduzierung der Stellen, zu erheblichen schrittweisen Haushaltsentlastungen führen.

Seit 2001 konnten durch haushaltskonsolidierende Beschlüsse der Bürgerschaft über 32 Mio. EUR erwirtschaftet werden. Das strukturelle Defizit der Hansestadt Rostock steigt jedoch weiter an.

Der Haushaltsfehlbedarf 2004 in Höhe von 108 Mio. EUR veranlasste das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit dem Genehmigungserlass die für 2004 bereits minimal geplante Kreditaufnahme nur zum Teil zu genehmigen. Eine Erhöhung der Kreditgenehmigung wird durch das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Aussicht gestellt, wenn die Hansestadt Rostock durch weitere haushaltskonsolidierende Beschlüsse weitere dauerhafte Einsparpotentiale in Höhe des Schuldendienstes erzielt.

Die Anträge aus verschiedenen Fraktionen für die heutige Bürgerschaftssitzung stellen bereits beschlossene Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung in Frage bzw. führen zu neuen nicht finanzierten Haushaltsbelastungen.

Damit wird vor allem die Investitionsfähigkeit der Stadt gefährdet, denn auch für die heute vorliegenden Anträge ist die Stadt auf künftige Kreditgenehmigungen angewiesen.

Die Aufhebung bereits beschlossener konsolidierender Maßnahmen, insbesondere im freiwilligen Bereich, wird die Rechtsaufsicht veranlassen, noch strenger in die kommunale Selbstverwaltung hineinzuregieren und die für wichtige städtische Vorhaben notwendigen Kredite zu versagen. Ich kann Sie nur auffordern, dies bei Ihren heutigen und auch zukünftigen Entscheidungen zu berücksichtigen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,

am 18. Mai hat das Internationale Olympische Komitee seine Entscheidung über die Nominierung der Candidate Cities für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 bekannt gegeben. Leipzig und Rostock sind leider nicht dabei.

Erlauben Sie mir, an dieser Stelle den vielen Initiativen, Gruppen und Personen zu danken, die sich mit großem Engagement und viel Begeisterung für eine erfolgreiche Bewerbung eingesetzt haben. Die Bewerbung hat viel in unserer Stadt in Bewegung gebracht und eine enorme Aufbruchstimmung erzeugt. Auch wenn wir durch das vorzeitige Aus für Leipzig das große Ziel, olympisches Segeln vor den Toren Rostocks zu erleben, nicht erreichen konnten, so hat sich der Einsatz aller Beteiligten trotzdem gelohnt. Wir haben eines der weltbesten Segelreviere vor unserer Haustür und mit dem Masterplan verfügen wir über ein wichtiges generalisiertes Planungskonzept, dass nach wie vor Grundlage unserer Stadtentwicklung sein wird. Die Olympiabewerbung hat uns viele Türen bei privaten Investoren und Fördermittelgebern geöffnet. Auch wenn wir nun nicht alle Maßnahmen in gleichem Tempo umsetzen können, wie wir es im Falle des Zuschlags als Candidate City hätten tun können, werden wir doch sukzessive die einzelnen Projekte des Masterplans auch unabhängig von Olympia realisieren.

Darüber hinaus hat unsere Bewerbung Rostock auch international als attraktiven Standort weiter bekannt gemacht. Dies alles war die Mühen und die viele Arbeit wert. Ich wünsche mir, dass wir den Schwung der Bewerbungsphase mitnehmen und mit gleicher Geschlossenheit und gleichem Elan die vor uns liegenden Zukunftsaussichten anpacken.

In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass der Rostock Olymp-Club, der so viel für unsere Bewerbung getan hat, jetzt in seinem Engagement nicht nachlässt, sondern sich zum Ziel gesetzt hat, Rostocks Image als Sport- und Segelstadt noch weiter auszubauen.

Meine Damen und Herren,

ich gratuliere der Landeshauptstadt Kiel, dass sie in die zweite Bewerbungsrunde für die Ausrichtung der Worlds- Segelweltmeisterschaften gekommen ist und drücke die Daumen, dass die Weltmeisterschaften nach Deutschland kommen. Kiel hat sich nicht nur hervorragend präsentiert, sondern im Segelsport auch einen traditionsreichen Namen. Die Hansestadt Rostock steht hier aber in nichts nach und hat sich mit ihrem exzellenten Segelrevier und den ausgezeichneten Bedingungen zu Wasser und an Land, z.B. mit dem neuen Yachthafen, auf einen aussichtsreichen Weg gemacht. Deshalb wollen wir u.a. den Status der Warnemünder Woche als eines der größten Segelereignisse des Nordens noch weiter stärken. Zurzeit prüfen wir, wie wir das Veranstaltungsmanagement solcher Großereignisse noch stärker bündeln können. Neben der Hanse Sail ist die Warnemünder Woche ein Pfund, mit dem wir noch mehr als bisher wuchern sollten.

Meine Damen und Herren,

Wie Sie wissen, wird Anfang Oktober die Universitäts-Frauenklinik in das Klinikum Südstadt umziehen. Offene Fragen im Hinblick auf die Zusammenführung der Rostocker Frauenkliniken am Standort Klinikum Südstadt wurden am vergangenen Donnerstag im Rahmen einer weiteren Sitzung des Planungs- und Koordinierungsausschusses unter Vorsitz von Senator Dr. Nitzsche besprochen.

Ein wichtiger Aspekt des Kooperationsvertrages zur Zusammenführung beider Kliniken, nämlich der Übergang der Mitarbeiter des Ärztlichen Dienstes und des Pflegedienstes von der UFK zum Südstadtklinikum, ist umgesetzt und gemäß Personalbedarfsaufstellung des Südstadtklinikums und Personalübergang nach § 613a BGB nunmehr abgesichert.

Weitere Problempunkte bis dahin waren die Einbeziehung weiterer Service- und klinischer Einrichtungen der Universität in die neue Frauenklinik. Auch hier konnten tragfähige Lösungen gefunden werden. Die Eingliederung der Neonatologie als Bestandteil der universitären Kinder- und Jugendklinik ist noch offen, aber durch weiteres konstruktives Verhandeln durchaus lösbar. Aus Sicht der Stadt haben wir mit der Umsetzung des Kooperationsvertrages eine gute Grundlage geschaffen, damit die zukünftige Zusammenarbeit beider Kliniken an einem Standort sowohl dem Personal als auch Patienten zum Vorteil gereicht.

Meine Damen und Herren,

dies ist der Weg, den wir auch zukünftig gehen wollen: die Kooperation zwischen den Einrichtungen hier in Rostock zu verstärken. Im Gegensatz zu den Vorstellungen von Teilen der Landesregierung, dass z.B. die Unikliniken Rostock und Greifswald stärker kooperieren sollen, setzen wir auf die Zusammenarbeit und daraus resultierende Synergieeffekte innerhalb unserer Stadt.

Sie können daraus auch entnehmen, dass an den Gerüchten um vermeintliche Gespräche zur Privatisierung des Südstadtklinikums selbstverständlich nichts dran ist. Wir wollen das Südstadtklinikum nicht verkaufen und es zeugt nicht von verantwortungsvollem Handeln, Mitarbeiter und Patienten zu verunsichern, weil Gegenteiliges behauptet wird.

Meine Damen und Herren,

die Restabfallbehandlungsanlage Rostock hat uns hier schon mehrfach beschäftigt und für zum Teil heftige Diskussionen gesorgt. Ende Mai fand nun im Beisein zahlreicher Gäste aus Politik und Wirtschaft die feierliche Grundsteinlegung für die Errichtung des 1. Bauabschnittes der Restabfallbehandlungsanlage Rostock statt. Der Umweltminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Herr Prof. Methling, hat der Hansestadt Rostock den geänderten Genehmigungsbescheid zur Errichtung der Restabfallbehandlungsanlage übergeben.

Der Bau der Restabfallbehandlungsanlage durch die Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft mbH ist ein wichtiger Schritt zur Herstellung einer umweltverträglichen und strategisch ausgerichteten Entsorgungssicherheit für die Hansestadt Rostock. Ich verstehe dieses Ereignis als Signal für weitere potentielle Vertragspartner aus der regionalen Wirtschaft und aus dem Bereich der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, die bei ihnen anfallenden Abfälle bei der Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft zu überlassen.

Die Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft stellt sich mit einem flexiblen Anlagenkonzept und mit den von diesem Standort ausgehenden Standortvorteilen dem Wettbewerb. Sie leistet einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung des Landesabfallentsorgungsplanes.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

unter dem Motto Fair walten in Rostock führt der Entwicklungspolitische Runde Tisch zusammen mit dem Büro für Nachhaltige Stadtentwicklung/Agenda 21 am 18. Juni 2004 von 10 bis 13 Uhr in der Rathaushalle eine Veranstaltung zur Unterstützung des Fairen Handels in Rostock durch. Dazu lade ich Sie alle, verehrte Abgeordnete, die sachkundigen Einwohnerinnen und Einwohner als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen sehr herzlich ein.

Die Veranstaltung beginnt mit einem gemeinsamen Fairen Frühstück . Daneben gibt es viel Information und Erfahrungsberichte über die Unterstützung fairen Handels. Ziel ist die Umsetzung ihres Bürgerschaftsbeschlusses vom 7. Juni 2000, das Angebot und die Verwendung fair gehandelter Produkte, insbesondere von Kaffee und Tee, zu unterstützen. Ich hoffe auf Ihre rege Teilnahme.

Meine Damen und Herren,

Fair walten ein schönes Wortspiel, wie ich finde, dass auch als Überschrift über die Zusammenarbeit der beiden Teile unserer kommunalen Selbstverwaltung stehen sollte. In den vergangenen fünf Jahren wurde manch harte Auseinandersetzung geführt und in der Sache gestritten. Sie, meine Damen und Herren, haben es den Angehörigen der Verwaltung wahrlich nicht immer leicht gemacht.

Gleichwohl konnten wir in den letzten fünf Jahren gemeinsam viel für diese Stadt erreichen und die Bilanz ist wirklich beachtlich: mit dem Westzubringer zur A 20, dem Warnowtunnel, der Straßenbahnerweiterung und dem neuen Bahnhof hat Rostock nun eine exzellente und moderne Infrastruktur zu bieten, die Innenstadtsanierung und die Wohnumfeldverbesserung im Nordwesten und Nordosten Rostocks hat das Gesicht unserer Stadt positiv verändert und sie lebens- und liebenswerter gemacht. So genannte Global Player wie Liebherr, Sunseeker, Caterpillar und die DSR-Gruppe haben sich in Rostock angesiedelt oder unternehmerisch weiterentwickelt und großen Anteil daran, dass sich Rostock auch wirtschaftlich stetig entwickelt. Neue Technologiezentren, z.B. das Biomedizinische Forschungszentrum, festigen und stärken Rostocks hervorragenden Ruf als Standort theoretischer und angewandter Forschung.

Der schönste Garten Deutschlands war im Jahre 2003 in Rostock zu besichtigen. 2,5 Millionen Besucher haben die Blütenpracht und das internationale Flair der IGA genossen und zeigten sich begeistert über das Gelände und das abwechslungsreiche kulturelle Angebot. Die Internationale Gartenbauausstellung hat Rostock als attraktiven Standort im In- und Ausland weiter bekannt gemacht.

Dies gilt vielleicht in noch größerem Maße für die Bewerbung um die Olympischen Segelwettbewerbe 2012. Neben den vielen positiven harten Fakten rund um die Bewerbung, wie z.B. die Eröffnung des neuen Yachthafens und die Grundsteinlegung für die entsprechenden landseitigen Baumaßnahmen und vielfältiger anderer Projekte im Rahmen des Masterplans, war die Geschlossenheit und die Begeisterung der ganzen Region für die Vision Olympisches Segeln in Rostock für mich und sicher auch für Sie, meine Damen und Herren, besonders beeindruckend. Aus allen gesellschaftlichen Bereichen haben die Rostockerinnen und Rostocker mit ihrem Engagement ein weithin sichtbares Bekenntnis für ihre Stadt abgegeben. Sie haben gezeigt, dass sie Vertrauen in das große Potential dieser Stadt haben und die Zukunft Rostocks aktiv mitgestalten wollen.

Meine Damen und Herren,

Über alle Parteigrenzen hinweg möchte Ihnen, verehrte Mitglieder der Bürgerschaft, am Ende dieser Legislaturperiode sehr herzlich für Ihre Arbeit danken. Einige von Ihnen werden ungeachtet des Wahlausgangs nicht mehr in der nächsten Bürgerschaft vertreten sein, ich gehe aber davon aus, dass Sie die Entwicklung der Stadt auch weiter aktiv begleiten. Ein Großteil bewirbt sich bei den Wählerinnen und Wählern um ein Mandat für die kommenden fünf Jahre. Ich wünsche mir, dass das Motto Fair walten stärker als bisher die Kooperation zwischen Verwaltung und der neu zu bildenden Bürgerschaft bestimmt. Nur gemeinsam können wir die anstehenden Probleme in den Griff kriegen. Das es unterschiedliche Konzepte und Prioritäten zur Lösung der Probleme unserer Stadt gibt, ist klar kann ja auch gar nicht anders sein. Gleichwohl lassen die Herausforderungen, vor denen wir stehen, keine kleinlichen Zänkereien mehr zu. Wir werden in der kommenden Legislatur vielleicht noch mehr als heute angesichts der Haushaltssituation viele schmerzhafte Entscheidungen treffen müssen. Ich wünsche mir, dass wir dies mit der gleichen Entschlossenheit und Geschlossenheit tun, die auch unser Handeln in der Olympiabewerbung ausgezeichnet hat.

Vielen Dank!