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Grußwort von Oberbürgermeister Roland Methling während der Preisverleihung des Titels „Hauptstadt des Fairen Handels 2015“ im Kurhaus Warnemünde

Pressemitteilung vom 21.09.2015

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Silberhorn,
sehr geehrter Herr Dr. Frenzel,
sehr geehrter Herr Dr. Kreuter,
meine Damen und Herren,

herzlich Willkommen im Kurhaus Warnemünde zur festlichen Verleihung des Titels „Hauptstadt des Fairen Handels 2015“!

Das Seebad Warnemünde ist wohl Rostocks attraktivster Stadtteil – und das schon seit dem Jahr 1323. Dass das viele Warnemünderinnen und Warnemünder bis heute nicht wahr haben wollen, liegt auch daran, dass die Rostocker Regentschaft über das kleine Fischerdorf an der Mündung des Flusses Warnow in die Ostsee bis ins 19. Jahrhundert hinein alles andere als fair war. Nur Fischer, Seeleute und Lotsen durften hier ihr Gewerbe ausüben. Selbst der in Warnemünde angelandete Fisch musste nach Rostock geschippert werden, damit er dort auf dem Markt verkauft wurde. Dies haben uns die Warnemünderinnen und Warnemünder bis heute nicht vergessen…

Dass ich Sie hier heute begrüßen darf, liegt am Ergebnis der Preisverleihung vor genau zwei Jahren in unserer Partnerstadt Bremen. Für uns durchaus überraschend wurden wir zur „Hauptstadt des Fairen Handels 2013“ gekürt. Doch die Wurzeln der Eine-Welt-Bewegung in unserer Stadt reichen bis zur friedlichen Revolution des Herbstes 1989. Es ist dem ehrenamtlichen Wirken engagierter Rostockerinnen und Rostocker zu verdanken, dass die Idee des Fairen Handels und das Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften und Konsumieren in einer immer globaler funktionierenden Welt in unserer Hansestadt immer populärer wurde. Die Popularität, die der Gedanke des Fairen Handels mittlerweile in unserer Stadt hat, ist eng mit dem Namen Andrea Kiep verbunden, der ich an dieser Stelle ganz besonders für ihr Jahre – ja: Jahrzehnte – langes Wirken danken möchte! Ohne sie und das Eine-Welt-Landesnetzwerk Mecklenburg-Vorpommern wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen!

Meine Damen und Herren,

bei vielen Gelegenheiten betonen wir die ganz besondere Bedeutung des Ehrenamtes für unser Gemeinwesen. Seit nunmehr 14 Tagen haben sich über 250 Rostockerinnen und Rostocker in ganz besonderer Weise ehrenamtlich für Tausende Geflüchtete engagiert, die ihr Weg durch ganz Europa auch in unsere Stadt geführt hat. Als Sie vorhin hier ins Kurhaus Warnemünde gekommen sind, haben Sie ganz sicher alle auch einen Blick auf das Meer geworfen. Die Ostsee, vielmehr die gegenüber liegende Küste, ist auch das Sehnsuchtsziel vieler Geflüchteter. Uns trennen von hier aus gerade einmal 35 Kilometer von unserer dänischen Nachbarkommune und Partnergemeinde Guldborgsund. Und bis ins schwedische Trelleborg dauert die Fährüberfahrt nicht einmal acht Stunden. Bis heute waren es wohl über 4.000 Menschen, die vom Rostocker Seehafen aus oder über Sassnitz-Mukran ihre Reise nach Skandinavien und damit zum Ziel ihrer teilweise Wochen langen Flucht angetreten haben.

Viele der Geflüchteten haben berichtet, dass sie in Rostock das erste Mal freundlich aufgenommen und wirklich betreut wurden. Dies, meine Damen und Herren, ist das Verdienst von über 250 Freiwilligen, die sich spontan seit gerade einmal zwei Wochen zusammen gefunden haben, um die Geflüchteten am Hauptbahnhof willkommen zu heißen, sie über Wege ihrer möglichen Weiterreise oder die Möglichkeit der Asylantragstellung in Deutschland zu informieren, sie mit Essen und Getränken, Kleidung und Hygieneartikeln zu versorgen, ihnen Transfers und Übernachtungsmöglichkeiten zu organisieren und die Weiterreise nach Skandinavien zu ermöglichen. Jugendclubs, Sporthallen und Kirchen, sogar unsere Messehalle und ein ehemaliges Institutsgebäude der Universität wurden seither als Notunterkünfte genutzt und von den Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern mit außerordentlicher Einsatzbereitschaft und Professionalität betreut. Ich unterstreiche dies, weil ich weiß, dass diese Willkommensgeste so wichtig ist und durch Verwaltungen so gar nicht organisiert werden kann. Diese Helferinnen und Helfer geben dem durch die Pogrome des August 1992 in Lichtenhagen so schwer belasteten Rostock heute ein ganz anderes Gesicht. Eine dieser über 250 Ehrenamtlichen, die in den vergangenen Tagen und Wochen unermüdlich im Einsatz waren und kaum Schlaf bekamen, ist unsere FairTrade-Stadt-Koordinatorin Sara Kokemüller. Ihnen, liebe Frau Kokemüller, stellvertretend für die vielen „Rostock hilft“-Helferinnen und –Helfer, möchte ich heute ein großes Dankeschön überbringen!

Dieses ehrenamtliche Engagement, das Einmischen, Mitmachen, Handeln, ist kein Zufall. Denn der Gedanke des Fairen Handels ist EIN Rezept gegen die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt, gegen die scheinbar festgeschriebene Verteilung von Armut und Wohlstand, gegen das Glück – oder das Pech - der Geburt im richtigen – oder vermeintlich falschen – Land.

Die aktuelle Situation der vielen, vielen Flüchtlinge führt uns einmal mehr vor Augen, wie wichtig es ist, ähnliche Lebensverhältnisse nicht nur in einer Stadt oder einem Land zu ermöglichen. Wir dürfen Kriege und militärische Auseinandersetzungen nicht hinnehmen oder sie durch halbherzige Politik oder wegen wirtschaftlicher Interessen sogar noch unterstützen. Wir dürfen nicht wegsehen, wenn Not und Elend auf der Welt den Menschen die Hoffnung auf ein lebenswertes Dasein und eine Perspektive für das eigene Leben unmöglich machen. In einer so global organisierten Welt wie heute sind Entfernungen keine Ausrede mehr für mangelndes Engagement. Konflikte, Kriege, militärische Auseinandersetzungen und vermeintlich „nur regionale“ Katastrophen betreffen uns schneller, als es uns manchmal bewusst ist. Daher ist dies heute nicht allein eine Aufgabe für Europa- und Außenpolitiker. Auch wir als kommunale Ebene müssen uns einmischen und unsere Forderungen artikulieren!

Meine Damen und Herren,

wir in Rostock haben die nun zurück liegenden zwei Jahre als Hauptstadt des Fairen Handels genutzt, um weitere Partnerschaften zu knüpfen. Einen kleinen Ausschnitt aus unserer Arbeit wird Ihnen hier im Kurhaus präsentiert, Informationen dazu haben Sie vielleicht schon gestern während der Hafenrundfahrt erhalten können. Neben einer regen Öffentlichkeitsarbeit haben wir neue starke Partner für die Koordinierungsgruppe gefunden, darunter die Industrie- und Handelskammer zu Rostock, den Einzelhandelsverband Nord und die Kreishandwerkerschaft Rostock-Bad Doberan. Viele große und kleinere Aktionen wurden organisiert, darunter bereits zum zweiten Mal ein FairTrade-Café während der Hanse Sail, die mit über einer Million Besucherinnen und Besuchern und regelmäßig etwa 250 Teilnehmerschiffen das größte, jährlich stattfindende Treffen von Traditionsschiffen weltweit ist. Die Universität Rostock ist FairTrade University geworden, wir haben zwei FairTrade-Schulen in Rostock und engagierte Kirchgemeinden, die sich dem Leben in der Einen Welt verschrieben haben.

All diese Aktionen und Initiativen sind das Ergebnis beharrlicher Überzeugungsarbeit von nur wenigen Menschen. Dazu zählen in Rostock neben Andrea Kiep und Sara Kokemüller auch unsere früheren FairTrade-Stadt-Koordinatoren Alexis Schwartz und Bauke von Rechenberg. Dies, meine Damen und Herren, ist das Geheimnis unseres Erfolgs in Rostock: das Engagement von überzeugenden Botschafterinnen und Botschaftern des Fairen Handels! Allen, die an diesem erfolg in den vergangenen Jahren Anteil hatten, möchte ich heute herzlich dafür danken!

Auch wenn wir nun gleich die neue „Hauptstadt des Fairen Handels“ küren werden, wird unser Engagement in Rostock nicht nachlassen. Vor zwei Wochen hat sich die Rostocker Bürgerschaft, so heißt unsere Stadtvertretung, fraktionsübergreifend zum Fairen Handel bekannt, und zwar nicht nur mit Worten, sondern auch mit einem entsprechenden Haushaltsbeschluss. Dies ist ein wichtiges Signal der Anerkennung für die geleistete Arbeit und zugleich Versprechen, die Aktivitäten auch ohne Hauptstadt-Krone fortzusetzen. Gern würden wir diesen Weg auch gemeinsam mit der „Hauptstadt des Fairen Handels 2015“ gehen.

Ich wünsche uns allen noch ein paar schöne gemeinsame Stunden hier in Rostock-Warnemünde und danke Ihnen recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!