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Laudatio von Bürgerschaftspräsident Dr. Wolfgang Nitzsche zur Verleihung des Förderpreises „Gutes Deutsch“ an Peter Weise

Pressemitteilung vom 27.03.2015

Sehr geehrter Herr Weise,
sehr geehrter Herr Senator Bockhahn,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Rasch,
sehr geehrter Herr Dr. Klaus Koch,
sehr geehrte Damen und Herren,

als Bürgerschaftspräsident der Hansestadt Rostock habe ich am heutigen Tag die Ehre, Herrn Peter Weise im Rahmen dieser kleinen Feierstunde in der Rathaushalle den Förderpreis „Gutes Deutsch in Rostock“ zu verleihen.

Die mit 1.000 Euro dotierte Auszeichnung soll an Personen, Unternehmen und Institutionen vergeben werden, die in ihrem Sprachgebrauch als Vorbild wirken und auf unverständliche oder überflüssige Wörter verzichten. Der Förderpreis dient somit dem Erhalt und der kreativen Entwicklung der deutschen Sprache.

Peter Weise wurde diesem Ansatz gerecht, so hat die Jury entschieden. Sein Credo ist: „Keine Kultur, keine Kunst, keine Wissenschaft ohne klare Sprachharmonie. Erst die Sinfonie der Sprache macht Kultur, Kunst und Wissenschaft verständlich und schön.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

so wie der schreibende Mensch die klare und ausdrucksstarke Sprache liebt, schätzt der Wissenschaftler ein klares und ausdrucksstarkes Formelbild. Denken Sie an Albert Einstein:

E = m x c²,

mit Entzücken hat er diese Weltformel betrachtet.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, welche Sprache soll es denn nun sein, das pseudointernationale Pidgin-Englisch, ein Basis- oder Dummendeutsch oder das bürokratische – bildungs- und wahrheitsferne Neusprech-Deutsch. Keines der genannten Beispiele entspricht den Anforderungen einer klaren Sprachharmonie und Sprachgewalt.
Aber, und das ist die Aussage des „Sprachpapstes“ Wulf Schneider, Sprachharmonie und Sprachkultur zu entwickeln ist eine Qual.

Nichts ist schon deshalb gut, weil es niedergeschrieben worden ist. Und so hat Peter Weise mir freimütig mitgeteilt, dass seine Ehefrau die intimste Kritikerin in Sachen Schreiben ist, seine angeheiratete Tochter Jana achtet penibel auf die ab und an missratenen Orthographie und die leibliche Tochter, die Anne-Christin, ist für ein gelungenes Layout zuständig.

Und so werden die Erzählungen und Kurzgeschichten, die Peter Weise veröffentlicht hat, zu einem Zeugnis der klaren und kraftvollen Sprache: Die „Erinnerungen eines Findlings“ in „Hürdenlauf“ oder der Band Kurzgeschichten mit dem Titel „Liebesspiel“ oder auch die Erzählung „Der Direktor“ belegen dies eindrucksvoll.

Aber bevor er diese Qualität erreicht hat, musste er selbst den oben genannten qualvollen Weg gehen. Am Anfang stand das methodische Misstrauen gegen das eigene schöpferische Produkt. Peter Weise schätzt das selbst so ein: „Am Anfang meiner ersten Schreibversuche hatte ich das Gefühl, dass das Werk eher einem Inspektionsbericht als einem Roman glich.“ Wie verlangte doch Hermann Burger – Schweizer Germanist und Schriftsteller – Prosa: „Es ist die, die in der Esse der Selbstkritik gehärtet worden sei.“

Und so wurde für Peter Weise beim Schreiben Selbstzensur höchstes Anliegen. Also dem selbsterlassenen und selbstbefolgten Verbot, sich mit Schwächen, Schludrigkeit oder leeren Worthülsen an die Öffentlichkeit zu wagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wenn man sich das bisherige Berufsleben von Peter Weise vor Augen führt, mag man es nicht glauben, dass in seinem tiefsten Inneren ein Talent zum Schreiben oder aber Vermitteln von Gefühlen geschlummert hat.

Peter Weise ist jüngster Überlebender der Gustloff - Katastrophe, gerettet am 31. Januar 1945. Für ihn selbst das eigentliche Geburtsjahr, obwohl von Amts wegen am 31. Januar 1944 geboren.

Aufgewachsen bei einfachen Menschen an Eltern statt, die über keine höhere Bildung verfügten, lernte er eines: stehlen mit den Augen, also lesen, lesen und immer wieder lesen. Somit werden für Peter Weise die einfachsten Dinge des Lebens tief verinnerlicht und nach Jahrzehnten erweisen sich diese als Fundus, um sie dann literarisch weiterzugeben.

Das gesamte Arbeitsleben von Peter Weise war ausschließlich der Seefahrt und Hafenwirtschaft gewidmet. Ausbildung in der Handelsflotte der DDR, Kapitän auf großer Fahrt.

Und dann ein schmerzliches unfreiwilliges Ausscheiden aus der DSR, das praktisch einem Berufsverbot gleichkam. Peter Weise hatte mit seiner Meinung zum Wirtschaftssystem der DDR nie hinterm Berg gehalten. Kapitän auf großer Fahrt, das war sozusagen ein schöner Traum. Darauf hin begann er 1982 im Seehafen zu arbeiten. Im gleichen Jahr drückte er erneut die Schulbank und studierte Seeverkehrswirtschaft an der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock. Mit dem Ende der DDR wurde er von der Seerederei rehabilitiert. 1990 übernahm Peter Weise dann Verantwortung in der Seehafen Rostock AG/GmbH, später in der Seehafen Rostock Umschlagsgesellschaft.

Das Jahr 2004, mit dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben, beschert ihm unvermittelt sehr viel Freizeit.„Verdammt, was machst du jetzt? – ich schreibe!“ – so in dieser Form müssen sich wohl seine Vorstellungen über seine weiteren Lebensstil entwickelt haben. „Aber schaffe ich auch den Wandel meinen eigenen erworbenen Sprachgebrauch hin zu dem eines Schriftstellers zu entwickeln?“ Das waren schon berechtigte Zweifel, die da in Peter Weise aufkamen.

Ja, der falsche Gebrauch der Sprache hat ihn schon gestört, immer widerstrebt, auch dies in fast allen Bereichen der Gesellschaft als gegeben hinzunehmen. Somit waren Selbstzweifel einerseits und die Realität anderseits ein Schub für seine schriftstellerische Entwicklung. Peter Weise hat es mir gleichsam in einem nicht endenden Satz so dargestellt.

Nicht das entsetzliche „Parteichinesisch“ des vergangenen Systems, nicht die Überfrachtung der Alltagssprache mit Amerikanismen, Anglizismen oder sonstigen „Ismen-Formen“, nicht das oberflächliche, sensationslüsterne "Geschreibe" und Geschwätz vieler Medien und auch nicht die geringe Achtung der Schulfächer Deutsch und Musik, was nach seiner Sicht letztlich zur Verkümmerung der emotionalen Intelligenz führen würde.

Nein, für Peter Weise gibt es im Deutschen das schöne Wort „Wortschatz“. Diesen Satz zu ergründen, hat er als Laie versucht und dabei empfunden, dass in der Tiefe der deutschen Sprache immer noch unzählige Edelsteine verborgen liegen.

Wenn man das weiß und dieses mit der Tiefe der Gedichte von Johannes R. Becher vergleicht, muss man eigentlich bedauern, dass Peter Weise nicht sehr viel früher zu seinen eigentlichen Fähigkeiten gefunden hat.

Ich habe nicht tiefer nachfragen können, wie er selbst den krampfhaften Versuch empfindet, für das Deutsch auf Biegen und Brechen eine Geschlechter gerechte Sprache zu führen. Schade, ich hätte dazu gern seine Meinung erfahren.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren,

Sie werden sich fragen, wie war denn nun der erste Versuch des zukünftigen Literaten Peter Weise. Es begann folgendermaßen: Zum Abschied aus seinem Berufsleben trat Holger Bellgardt an Peter Weise heran und gab den Hinweis, dass Günter Grass als Danziger in seiner Novelle „Krebsgang“ doch wohl das Schicksal des Findelkindes Peter Weise beschreibt. Sehr klischeehaft empfand Peter Weise das Nacherzählen seiner Lebensgeschichte im „Krebsgang“. Und das war letztendlich der Anlass für sein erstes Buch „Hürdenlauf“. Aber Zweifel waren vorhanden. „Ich musste zunächst eine andere Sprache finden“, so sein Resümee.

Niemand, der sich der Mühe unterzieht, einen eigenen Text noch einmal völlig abzuschreiben, überträgt ihn Wort für Wort. Die natürliche Faulheit legt Verkürzungen nahe, und die sind fast immer Gewinn. Aber auch die Suche nach einer ihm eigenen Ästhetik bewegte Peter Weise in dieser Phase des Suchens sehr.

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren,

das ist aber der Leidensweg vieler der Großen gewesen.

Hölderlin hat viele gerade seiner größten Gedichte als ein Labyrinth von Korrekturen hinterlassen, so dass dieser es seinen Herausgebern oft unmöglich machte, die authentische Fassung zu ermitteln. Schiller stieß sogar einen tiefen Seufzer aus: „Wüssten es nur die allzeit fertigen Urteiler und die leichtfertigen Dilettanten, was es kostet, ein ordentliches Werk zu erzeugen.“

Nach einem Jahr, so berichtet Peter Weise, hatte ich dann wohl meinen Stil etwas zu schreiben, etwas weiterzugeben, gefunden. Die Kurzgeschichten, nicht die Romane, die fesselten ihn. Erlebtes wollte er dem Leser vermitteln. Die Motive des Erlebten bettete er ein in die Suche nach der Unfertigkeit der Menschen. Die Widersprüchlichkeiten, die sich daraus ergeben, das hat ihn bewegt.

Ebenso ungewöhnlich in seinem Bestreben die Tiefe des menschlichen Handelns zu erfassen, ist die Suche nach dem Gottesbeweis. Einfach der Glaube daran, dass rationales Handeln allein gesehen, das Schicksal der Menschheit nicht bestimmen kann. Daraus erwächst für Peter Weise die Liebe zu den Menschen, den einfachen Menschen, die ihn in Erinnerung geblieben sind. Sprache schafft für Peter Weise so Beziehung zu Menschen.

„Gelingen dann die ersten Seiten einer Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden und mit „Eigenblut“ gefärbt ist, dann wächst auch die Freude an der Sprache“, so lauteten seine Worte. Sprache schafft Beziehung – Simon Dach, Dichter des „Ännchen von Tharau“ hat es einmal so zum Ausdruck gebracht:

„Die Red’ ist uns gegeben, damit wir nicht allein vor uns nur sollen leben und fern von Leuten sein“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wer etwas für Sprachen übrig hat, der wird durch Lesungen belohnt, aber auch beeindruckt sein, wie Peter Weise mundartgerecht sowohl in niederdeutsch, sächsisch, ostpreußisch, aber auch berlinerisch die Dinge der Welt sieht. Natürlich gibt es dann und wann auch die interessante Nachfrage, wie schreibt man denn diese Mundart.

„Humor, Ironie, Satire, der sichere Gebrauch einiger Mundarten und Dialekte sind für mich unverzichtbare Stilmittel, deren Originalität nun Alltagstauglichkeit vor den Lesern und Zuhörern es immer zu beweisen gilt.“

Das ist das nüchterne Fazit von Peter Weise zu dieser anderen Seite seiner Liebe zur Sprache. Und noch einmal musste er sich in seiner Ausdrucksform überprüfen.

Mit seinen beiden Kinderbüchern, liebevoll illustriert durch Anne Hirsch, „Bodo und Berta – Tiergeschichten in Gedichten“ erschien 2010 und „Die Amsel Wilhelmine“ erschien 2012, möchte er seinen kleinen Beitrag zur Lesekompetenz und Sprachpflege im Kinderalltag leisten. Niemals belehrend und doch im besten Sinne lehrreich, kommen die von großer Empfindsamkeit, Tierliebe und Naturverbundenheit zeugenden, mit feinsinnigem Humor und eingängiger Methodik gereimten Verse daher.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Peter Weise ist ein schreibender Mensch, der über sich selbst sagt:

„Ein wichtiger, entscheidender Sinn und Antrieb in meinem Leben ist es, exakt treffend in Worte zu fassen (manchmal sehr abstrakt, manchmal konkreter), was in mir vorgeht. Das Geschriebene muss zuallererst mir selbst gefallen und so kann ich feststellen, wenn der erste Satz stimmig ist, dann gelingt das Werk. Eine Gefahr, die ich niemals missachten werde, eine Falle, in die man nicht tappen darf, ist die rauschhafte, kritiklose Selbstverliebtheit in sein Geschriebenes. Ist die Gefahr gebannt, dann wird das Spiel mit den Worten, den Gedanken, Empfindungen und Wahrnehmungen jenseits grauer Normalität zu einer großen Leidenschaft.“

Sehr geehrter Herr Peter Weise,

vieles von dem was ich hier vorgetragen habe, habe ich stichpunktartig in unserem Gespräch festgehalten. Der Nährboden des Schreibens ist Ihr Alltag und – untrennbar damit verknüpft, ihre Erlebnisse, Betrachtungen, Gedanken, Vorlieben, Abneigungen. In erster Linie sind Sie somit Mensch und darauf beruht auch Ihr Schreiben.

Sie erhalten zu Recht den Förderpreis „Gutes Deutsch in Rostock“, denn Sie wenden die Sprache nicht nur richtig und angemessen an. Sie haben darüber hinaus noch ein so genanntes Sprachbewusstsein, das „nicht anderes ist als die kontrollierte Verwendung von Sprache, die Einschaltung einer bewussten Prüfinstanz zwischen Denken und Sprechen.“ (Zitat: Dieter E. Zimmer: „Gutes Deutsch“- Autor, Herausgeber, Übersetzer, von 1959 bis 1999 Redakteur der ZEIT)

Herzlichen Glückwunsch!