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Podium PS - Autoren aus dem "Archiv unterdrückter Literatur der DDR": Thomas Körner

Pressemitteilung vom 20.10.2004

Im Mittelpunkt einer Lesung mit dem Autor Thomas Körner am Donnerstag, dem 28. Oktober 2004, um 19.30 Uhr in der Volkshochschule der Hansestadt Rostock, Alter Markt 19, steht der 1970 in der DDR begonnene Fragment-Roman "Das Land aller Übel" - ein groß- und langangelegter literarisch-analytischer philosophischer Zugriff auf Sprache und Ideologie der DDR. Dennoch meint der Titel nicht den Staat, sondern die Utopie. Systematisch versucht der Autor in den Fragmenten vom Buch, vom Wort, von der Weltanschauung, von der Arbeit, vom Menschen, vom Plan, vom Volk, vom Staat und von der Flucht den Raum DDR, den er in die Metapher Vokuole fasst, zu erschließen und dabei die zentralen Probleme des Systems zu benennen und zu bebildern: die Sprache des Systems, die Gefangenschaft produziert, das geschlossene System als ein aus fragmentiertem Wissen gefügtes zentrales Unwissen, die systematisch gepflegte sozialistische Mythologie, die fortschreitende Agonie der Utopie und die entwickelte Dialektik der Dummheit sowie im letzten Fragment der Ausweg aus der Vakuole und dem Weltwechsel durch Flucht. Dies alles hatte freilich keine Chance, in der DDR jemals gedruckt oder realisiert zu werden, da der Text die offiziellen Denk- und Sprachregelungen kritisch konterkarierte und karikierte.

Thomas Körner wurde 1942 in Breslau geboren. 1945 erfolgte die Flucht nach Sachsen, er ist im Raum Dresden aufgewachsen. 1961studierte Thomas Körner in Ost-Berlin Medizin und Jura, von 1963 an schrieb er experimentelle Gedichte, Stücke und Prosa. Nach Abschluss des Studiums arbeitete er als Krankenpfleger, Fensterputzer, Richterassistent und als Librettist (u.a. für Paul Dessau), dazu seit 1970 fortwährend an dem neunteiligen FragmentRoman. 1980 flüchtet er in die Bundesrepublik. Von 1985 bis 1988 arbeitet er als Dramaturg am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg (Zusammenarbeit u.a. mit Peter Zadek). Seit 1980 ist Thomas Körner auch Übersetzer, Bearbeiter und Autor für das Musiktheater.

Gemeinsam mit der Rostocker Außenstelle der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR und dem Literaturhaus Kuhtor will die Volkshochschule die Veranstaltungsreihe Podium PS faktisch als Nachtrag beginnen, die diesen Autoren und Autorinnen ein Podium gibt. Die Literatur in der DDR war vielfältiger und ambivalenter als es die publizierten Texte aus dieser Zeit vermitteln. Angesichts der bekannt gewordenen Zensurpraktiken und politischen Restriktionen in der DDR wird diese Tatsache kaum erstaunen. Doch gelangten die nicht veröffentlichten literarischen Entwürfe, die ein anderes Bild von Staat und Gesellschaft als das offiziell propagierte wiedergaben, auch nach 1989 kaum an die Öffentlichkeit. Durch die Nachforschungen des "Archivs unterdrückter Literatur in der DDR" ist es gelungen, bislang unbekannte, in der DDR bzw. sowjetischen Besatzungszone unterdrückte Autoren und deren unveröffentlichte Texte ausfindig zu machen.