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Rede von Oberbürgermeister Arno Pöker auf der Festveranstaltung zum „Jahr der Freiwilligen“ am 16. November 2001 im Rathaus

Pressemitteilung vom 19.11.2001

19. November 2001

Rede von Oberbürgermeister Arno Pöker auf der Festveranstaltung zum „Jahr der Freiwilligen“ am 16. November 2001 im Rathaus

Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

„Alles Große in unserer Welt geschieht nur, weil jemand mehr tut, als er tun muß.“

Diese Worte von Hermann Gmeiner, dem Gründer der SOS-Kinderdörfer, stehen für die ehrenamtliche, für die freiwillige Arbeit in unserer Gesellschaft. Vieles von dem Großen, das uns in unserem Leben geschieht, wird von der heutigen Medien- und Informationsgesellschaft kaum wahrgenommen. Vermeintlich „Großes“ ist schnell aus den Schlagzeilen verschwunden oder erzeugt aus Sicht der Medien nach vier Wochen nur noch Langeweile. Wahrhaft „Großes“ aber ist meist ein sehr individuelles Erfahren, eine sehr persönliche und beeindruckende Begebenheit oder ein tiefes, dauerhaftes und fast unerschütterliches Gefühl.

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2001 zum „Internationalen Jahr der Freiwilligen“ erklärt. Dadurch soll dem freiwilligen Wirken für die Gesellschaft Anerkennung gezollt werden, aber auch stärkere Unterstützung durch Staat und Gesellschaft angedeihen und die Vernetzung und die Kommunikation untereinander verbessert werden. Etwa 22 Millionen Deutsche sind in der Bundesrepublik ehrenamtlich tätig, das ist etwa jeder dritte erwachsene Bundesbürger.

Ehrenamtliches Engagement hat viele Facetten. Menschen, die für andere da sind, ihnen in Not und Elend zur Seite stehen oder auch einfach nur zuhören können, sind genau so wichtig wie in tausenden Vereinen engagierten Sportlerinnen und Sportler. Ob als Hausfrau, als Schöffe oder Bewährungshelfer, als Wahlhelfer oder in einem politischen Gremium Tätiger, ob als Helfer bei Freiwilligen Feuerwehren, Rettungsdiensten oder als Betreuer von Kindern und Jugendlichen - ehrenamtlich Tätige warten nicht darauf, das andere das Notwendige tun, sondern nehmen die Verantwortung selbst in die Hand und gestalten so unsere Gesellschaft mit.

Denn die freiheitlich-demokratische Grundordnung, in der wir heute leben, ist auch eine Mitmachgesellschaft. Dieses Mitmachen sollte sich nicht nur auf die Teilnahme an Wahlen beschränken. Das Engagement für die anderen, das Eintreten füreinander - sei es nun aus sozialer Verantwortung, aus christlicher Nächstenliebe, aus Solidarität, aus Spaß an der Sache oder vielleicht sogar aus schlechtem Gewissen - ist die Grundlage für das Funktionieren unseres Gemeinwesens.

Mahatma Gandhi sagte einmal:

„Unter Demokratie verstehe ich,
dass sie dem Schwächsten die gleichen Chancen einräumt wie dem Stärksten.“

Die Qualität unseres Gemeinwesens wird in einer Demokratie nicht allein vom Staat bestimmt. Seine Rolle darf in einer Demokratie nicht überfrachtet werden. Ehrenamtliches und freiwilliges Engagement ist nicht der Ersatz für einen sich zurückziehenden Sozialstaat. Leistungsansprüche und auch Qualitätskennziffern können gesetzlich festgeschrieben werden, die Art und Weise unseres Umgangs miteinander kann es nicht.

Eine funktionierende Demokratie baut heute auf die Erkenntnis, dass es kein „Oben“ und „Unten“ gibt. Wir werden nicht von einem imaginären Staat regiert, dessen Wesen und Wirken wir nicht vorhersehen und bestimmen können, sondern wir selbst sind der Staat. „Wir sind das Volk“ war das Motto für ein starkes Selbstbewußtsein während der Tage des mutigen Sturzes der DDR-Diktatur. „Wir sind das Volk“ auch heute.

Meine Damen und Herren,

das Leben in unserer Stadt wäre ohne ehrenamtliches Engagement nicht denkbar. Viele Gesichter der hier Anwesenden und die Initiativen und Projekte, für die sie stehen, sind mir persönlich bekannt. Ob Sie nun im sozialen Bereich, beim Sport, mit Freizeitaktivitäten oder im Bereich der politischen Bildung tätig sind, Sie bauen durch Ihr Engagement Brücken innerhalb der Gesellschaft und sind nicht zuletzt auch wichtige Partner für die Kommune.

Die Ergebnisse Ihres vielfältigen Engagements, meine Damen und Herren, sind überall im Stadtbild sichtbar und in unserer Stadtgesellschaft zu spüren. Dennoch gibt es gerade auch in diesem Bereich Probleme, die für freiwilliges Engagement notwendige zeitgemäße Infrastruktur zu gewährleisten. Das betrifft die technische Ausstattung ebenso wie die Erstattung von Aufwendungen, Versicherungsleistungen und Qualifizierungsmöglichkeiten.

Oft ist freiwilliges Engagement insbesondere Sache der älteren Generationen. Es ist jedoch aus meiner Sicht auch wichtig, den Elan, den Schwung und den Tatendrang der jüngeren Menschen stärker für freiwillige Aufgaben der Gesellschaft zu nutzen. Jugendliche kennen kaum Tabus, haben wenig Berührungsängste und wenig Achtung vor Konventionen. Ihr Mut und ihr manchmal vielleicht naiv erscheinender Aktionismus sollte auch im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit nicht ungenutzt bleiben!

Ehrenamtliche Tätigkeit führt oft dazu, dass Persönliches hintenan gestellt wird, dass die eigenen Probleme, Sorgen und Nöte reduziert oder verdrängt werden. Freiwilliges Engagement für die Gesellschaft benötigt außerdem viel Zeit. Für Ihre Mitmenschen opfern Sie nicht selten den Feierabend, die Wochenenden oder gar den Urlaub. Dabei werden Sie unterstützt von Ihren Familien, von Ihren Freunden und Lebenspartnern, die das Engagement teilen oder zumindest tolerieren und dadurch letztendlich auch selbst ein Großteil an Engagement für andere tragen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie sind mit Ihrem Engagement in allen Bereichen unserer Stadtgesellschaft Vorbilder für alle Rostockerinnen und Rostocker. Sie bringen die „Wärme“ in unsere Stadt, das Gefühl des Geborgen-Seins, das Gefühl des „Hier bin ich zu Hause“.

Im Namen der Hansestadt Rostock möchte ich Ihnen heute hier dafür den Dank und die Anerkennung aller Rostockerinnen und Rostocker aussprechen!