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Redebeitrag von Oberbürgermeister Arno Pöker während des Deutsch-französisches Seminars Public-private Partnership für kundennahe Dienstleistungen am 19. September 2000 in Berlin

Pressemitteilung vom 19.09.2000

19. September 2000

Redebeitrag von Oberbürgermeister Arno Pöker während des Deutsch-französisches Seminars "Public-private Partnership für kundennahe Dienstleistungen" am 19. September 2000 in Berlin

Es ist eine große Ehre für mich, hier vor Ihnen zu sprechen. Es ist eine große Ehre für Rostock, hier vertreten zu sein.

Rostock ist mit zwei Konzessionsverträgen in den zurückliegenden Jahren Modell geworden. Die heutige Einladung werte ich auch als Zeichen dafür, dass wir in der Hansestadt den richtigen Weg eingeschlagen haben. Lassen Sie mich beide Modelle - das im Straßenbau, das im Wasser/Abwasser sowie unsere Erfahrungen - getrennt skizzieren:

Warnowquerung Rostock

Wie ein großes U erstreckt sich Rostock um die durch die Stadt fließende Warnow. Etwa 15 km vor ihrer Einmündung in die Ostsee hat die Unterwarnow eine Breite von etwa 400-900 Metern. Das Verkehrsnetz folgt bislang dieser Stadtstruktur. Das führt bis zu 30 km langen Wegen innerhalb der Stadt, zu hohem Verkehrsaufkommen und Staus in der Innenstadt. Hinzu kommt ein starker Durchgangsverkehr von Ost nach West und umgekehrt, so dass zu Spitzenzeiten auf der Ortsdurchfahrt der B 103/105 etwa 60 000 Kfz am Tag gezählt werden.

Der Verkehr in der Innenstadt wird entlastet, wenn der städtische Binnenverkehr beiderseits der Unterwarnow nicht durch die Innenstadt geführt wird. So kann die Rostocker Nordtangente die westlich und östlich der Unterwarnow liegenden Stadtgebiete mit mehr als 100.000 Einwohnern auf kürzestem Wege verbinden. Das schafft neue Anbindungen an das überregionale Straßennetz und bietet der Wirtschaft Standortvorteile. Profitieren werden der Seehafen Rostock, das Gewerbe im Hafenhinterland und die Tourismusziele in Rostock und dem Umland. Schon lange war unseren Verkehrsplanern klar. Dies geht nur mit einer Querung der Warnow.

Verlässliche Prognosen des künftigen Verkehrsaufkommens sind wichtige Voraussetzung für ein so großes Vorhaben. Unterschiedliche, unabhängige Institutionen haben berechnet, dass täglich rund 40 000 Fahrzeuge eine Warnowquerung ohne Maut passieren würden, mit Maut könnten es 25 000 bis 30 000 sein. Verkehrsplaner erwarten eine Entlastung der Innenstadt in dieser Größenordnung. Die zwischenzeitlich übergangsweise bis zur Fertigstellung des Warnowtunnels eingerichtete Fährverbindung zwischen Schmarl und Oldendorf, die im gesamten weniger Vorteile als die feste Warnowquerung bietet, mit 5000 Nutzern am Tag, bestätigt die Zuverlässigkeit der Prognose.

Die Warnowquerung ist durch das Bundesverkehrsministerium als Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße mit der vorläufigen Bezeichnung B 103n in der Baulast der Hansestadt Rostock festgelegt worden.

Für die Querung der Unterwarnow wurden unzählige Lösungen für Brücken oder Tunnel untersucht. So wurden verschiedene Tunnelvarianten, Hoch-, Flach, Dreh-, Klapp-, oder Hubbrücken und sogar Pontonbrücken geprüft. Dabei hat sich der Absenktunnel als Vorzugsvariante erwiesen. Aus städtebaulicher Sicht in den Bereich des künftigen Messe- und IGA-Geländes läßt sich eine Brücke nicht vertreten. Ein Tunnel erfordert geringere Eingriffe in den Fluß und die sensible Uferlandschaft.

Die Hansestadt Rostock hatte die nördliche Warnowquerung als ein Vorhaben des Bundes im Jahre 1992 beantragt. Eine Realisierung dieses Bauvorhabens mit Bundesmitteln wurde erst in einem Zeitraum von mehr als 20 Jahren in Aussicht gestellt. Rostock brauchte die Warnowquerung jedoch so schnell wie möglich, um die Innenstadt vom Durchgangsverkehr zu entlasten.
Deshalb entstand die Idee einer Refinanzierung durch Erhebung einer Nutzungsgebühr, wie sie im Ausland bereits praktiziert wird. Mit Unternehmen, Banken und dem Bundesverkehrsministerium wurden Möglichkeiten erörtert, die Investitionssumme durch eine Maut zu refinanzieren. Für eine Gebühr genießt der Nutzer den Vorteil des kürzeren Wegs und der Zeitersparnis. Zudem können alternative Wege weiterhin gebührenfrei genutzt werden. Seit 1994 ist das sogenannte "Fernstraßenbau-Privatfinanzierungsgesetz" in Kraft.

Damit wurde es möglich, Planung, Bau und Betrieb der Warnowquerung in private Hände zu legen. Die Rostocker Bürgerschaft beschloss noch im gleichen Jahr, die Konzessionsvergabe international auszuschreiben. Ein Jahr später schloss die Hansestadt einen Vertrag mit der "Warnowquerungs GmbH & Co KG", eine Tochter des französischen Unternehmens BOUYGUES.

Ich will an dieser Stelle nicht verschweigen, dass die Konzessionsverhandlungen mühsam waren. Aber wie soll es anders sein bei solch einem neuartigen und sicher auch gewagten Projekt? Wir freuen uns darüber, dass unser Vertrag Grundlage für den Entwurf eines Mustervertrages geworden ist.

Das Unternehmen führt an Ort und Stelle das Projekt mit rund 300 Millionen Mark Baukosten, plus Planungs- und Finanzierungsaufwand in Höhe von weiteren 100 Mio. durch. Dabei soll die Maut in den ersten Jahren bei etwa 3 bis 3,50 DM pro Pkw (zu Preisen von 1995) liegen. Die Maut wird nur für die Tunneldurchfahrt und nicht für die Benutzung der Zufahrtsstraßen und Anschlußstellen erhoben.

Durch die Mauteinnahmen müssen die Kredittilgung, die Zinsen und die laufenden Betriebskosten während der 30-jährigen Gültigkeit des Konzessionsvertrages gedeckt werden. Die Hansestadt Rostock wird darauf achten, dass die Höhe der Maut sozial- und wirtschaftsverträglich bleibt. Die Maut wird durch das Bundesverkehrsministerium festgesetzt.

Die öffentliche Meinung in Rostock zur geplanten Warnowquerung lässt sich so charakterisieren: Der überwiegende Teil der Einwohner erkennt den Nutzen der geplanten Warnowquerung für die Verbesserung der Lebensqualität und die wirtschaftliche Entwicklung in der Stadt und befürwortet die Realisierung des Projektes. Gewöhnungsbedürftig, weil bisher in Deutschland unüblich, wird vielen Rostockern die zu entrichtende Nutzungsgebühr sein. Weit verbreitet ist deshalb in Rostock die Meinung, dass wegen der Nutzungsgebühr nicht so viele Kraftfahrer den Tunnel durchfahren werden, wie nötig sind, um die verauslagten Kosten des Projektes zu decken und darüber hinaus auch noch der Konzessionsgesellschaft den geplanten Gewinn zu ermöglichen.

Dieses Risiko trägt allerdings nach dem Vertragswerk nicht die Hansestadt Rostock, sondern die Konzessionärin. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei diesem Vorhaben ist zudem, dass dies ein Wirtschaftsunternehmen ist, dass nicht unerheblich Arbeitsplätze schafft. Der Konzessionär vergibt in hohem Umfang regionale Aufträge.

Dies lässt sich auch am zweiten Projekt, welches wir auf den Weg gebracht haben, gut nachweisen. Kommen wir zur

privaten Wasser/Abwasserversorgung.

Wir haben uns 1993 für ein Betreibermodell mit Eurawasser entschieden. Das bedeutet, das die Hansestadt Rostock weiterhin rechtlicher Eigentümer ist, die Eurawasser besitzt das wirtschaftliche Eigentum. Damals waren verschiedenen auch internationale Interessenten im Wettbewerb. Anders als in Deutschland ist es ja in Frankreich, Großbritannien und jetzt auch in vielen anderen Ländern nicht unüblich, dass Private diesen Bereich bedienen.

Wir haben es uns auch hier nicht leicht gemacht: die Verhandlungen zogen sich immerhin zweieinhalb Jahre hin. Das Ergebniss kann sich aber sehen lassen. Wir haben im Gegensatz zu später in anderen Städten vereinbarten Modellen ein Konzessionsmodell gewählt, bei dem die kommunale Seite rechtlicher Eigentümer aller Anlagen und Netze bleibt. Der private Partner trägt dabei ein hohes Maß an wirtschaftlichem Risiko. Die kommunale Seite wird vertreten durch einen Zweckverband, der sehr weitgehende Kontrollen und Mitspracherechte ausübt. Hierfür ist ein Vertragsbeirat mit eigenen Rechten ausgestattet worden. Darüber hinaus gibt es fast wöchentlich Besprechungen zwischen der Verbands- und der Geschäftsführung.

Eurawasser hat in den ersten sieben Jahren ihrer Tätigkeit 117 neue Arbeitsplätze geschaffen und somit betriebsbedingte Kündigungen vermieden. Es wurde massiv in die Weiterbildung der Mitarbeiter investitiert (ca. 6 % der Personalkosten) inkl. internationalem Austausch. Insgesamt hat das Unternehmen 423 Mio. DM investiert. Das sind für unsere wirtschaftlich schwache Region nicht unerhebliche Summen. Und davon gehen 90 Prozent der Aufträge an regionale Unternehmen. Unsere Wasserversorgung war - wie fast überall in Ostdeutschland - im qualitativ sehr schlechten Zustand. Zudem sind die Umweltstandards in der Bundesrepublik immer weiter verschärft worden. Enorme Investitionen waren also nötig. Das hätte die finanzschwache Kommune niemals aus eigener Kraft geschafft und auch nicht in so kurzen Zeiträumen. Unter anderem hätten wir uns nicht in gleicher Weise des privaten Kapitalmarktes bedienen können wie ein großes Unternehmen. Ein weiteres Motiv war der Wunsch, eine Stadt-Umland Lösung zu finden.

Zudem reduzierten sich die Investitionskosten. Anders als eine Kommune kann EURAWASSER auf den Sachverstand des weltweit operierenden Dienstleistungskonzerns zurückgreifen und Einsparpotenziale nutzen. Wir als Kommune übernehmen keinerlei Garantien und haben in unserem städtischen Haushalt den Rücken frei für andere wichtige Investitionsvorhaben, wie beispielsweise die der Schulsanierung. Des weiteren wurde die Kundenorientierung verbessert, z.B durch die Einführung einer wegweisenden Service-Erklärung mit Selbstverpflichtungen des Unternehmens.

Die Gebühren bleiben moderat. Diese setzt im übrigen der Warnow Wasser-Abwasserverband fest. Dies war - meine Damen und Herren - verständlicherweise die größte Sorgen der Bürgerinnen und Bürger. Zur Zeit liegen wir im Mittelfeld der Skala in Mecklenburg-Vorpommern und das, obwohl alle ab 2005 geltenden Umweltstandards erfüllt wurden und trotz eines besonders dramatischen Mengenrückganges.

Wichtig ist auch, dass über den Warnow-Wasser und Abwasserverband niemals Entscheidungen gegen die Hansestadt Rostock getroffen werden können.

Wenn ich Bilanz ziehe, kann ich sagen, dass Rostock zufrieden ist mit unseren damals politisch niemals einfachen Entscheidungen der Privatisierung. Ich bin aber der Meinung, dass es sich zunehmend in Deutschland durchsetzen sollte. Ob die tatsächliche so sein wird, hängt aber nicht nur von den technischen und organisatorischen Möglichkeiten und nicht nur von finanziellen Sachzwängen, die für uns Kommunen immer größer werden, ab.

Es gehört in Deutschland wohl immer noch zum guten Ton, dass man Forderungen an die Bundesregierung oder Landesregierung stellt. Wenn man aber, so wie wir in Rostock, mutige und pragmatische Entscheidungen trifft und eben private Investoren mit ins Boot holt, erntet man viel Misstrauen und gar Ablehnung in der öffentlichen Meinung. Das Klima in Deutschland ist vielleicht noch nicht ganz reif für diese Schritte und unkonventionelle Wege. Deshalb ist es für die Anbieter neuer Modelle wichtig, ein positives Image zu erzeugen. Das geht nicht ohne ein ganzheitliches Marketingkonzept.

Jeder technische, juristische und finanzielle Schritt muss durch einen Marketingschritt ergänzt werden - von Anfang an schon bei den Verhandlungen. Und diese Schritte müssen im Sinne einer wirklichen PPP-Partnerschaft immer eng miteinander abgestimmt sein.

Wir in Rostock brauchen weitere Investoren für unsere Region. Rostock ist ein attraktiver Standort. Wir sagen immer "Da leben, wo andere Urlaub machen"“ Die Lage an der Ostsee bietet den Eintritt in das Baltikum, aber auch touristische Anziehungspunkte. Ich freue mich auf die heutige Diskussion. Ich würde mich auch freuen, wenn Sie die wunderschöne Hansestadt besuchen, um sich selbst ein Bild zu machen.