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Kommunale Arbeitsmarktpolitik in Rostock

Pressemitteilung vom 25.04.2001

25. April 2001

Kommunale Arbeitsmarktpolitik in Rostock
Im Gespräch mit Hannelore Quolke, Abteilungsleiterin im Amt für Wirtschaftsförderung

Vor zehn Jahren beschloss die Rostocker Bürgerschaft, kommunale Arbeitsmarktpolitik durch die Stadtverwaltung zu koordinieren und zu steuern. Am 1. April 1991 wurde ein Koordinierungsbüro gegründet, das inzwischen als Abteilung Kommunale Arbeitsmarktpolitik im Amt für Wirtschaftsförderung arbeitet. Hannelore Quolke, Abteilungsleiterin im Amt für Wirtschaftsförderung, hat den Bereich mit aufgebaut und äußerte sich nun dazu im „Städtischen Anzeiger“.

Frage: Frau Quolke, wie startete man damals in die kommunale Arbeitsmarktförderung?

Hannelore Quolke: Schon vor Gründung dieser städtischen Struktur hatte die Stadtverwaltung mit Sorge die wachsende strukturelle Arbeitslosigkeit durch den wirtschaftlichen Umbruch registriert. Durch den Abbau von Arbeitsplätzen entwickelte sich eine hohe regionale Arbeitslosigkeit mit einer steigenden Anzahl von Sozialhilfeempfängern. Doch die Stadt registrierte nicht nur, sie reagierte auch. So gehörte sie zum Beispiel schon im Mai 1990 zu den Gründern der Hanseatischen Weiterbildungsgemeinschaft, initiierte 1991einen Runden Tisch als Aufbaustab im „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost“ und gründete im April 1991 das Koordinierungsbüro Kommunale Arbeitsmarktpolitik und förderte damit auch den Aufbau der Arbeitsförderungs-, Beschäftigungs- und Strukturentwicklungsgesellschaft mbH, die noch im November 1991 ihre Arbeit aufnahm. Damals gab es einen negativen Rekord in der Rostocker Arbeitsmarktentwicklung, durch eine Vielzahl von Entlassungen und Firmenschliessungen. Mit einem bis dahin nicht gekannten Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 21.068 Betroffene erhöhte sich die Arbeitslosenquote auf 17 Prozent. Nach der Berufstätigenerhebung von November 1990 bis Mitte 1992 ging die Anzahl der Beschäftigten in der Hansestadt Rostock von 144.161 auf 124.061, also um 20.100, zurück. Bis Mitte 1999 setzte sich dieser Rückgang um weitere 21.200 fort.

Frage: Die Stadtverwaltung hatte Instrumente kommunaler Arbeitsmarktpolitik geschaffen. Wie wurden diese wirksam?

Hannelore Quolke: Es ging darum, eine arbeitsmarktpolitische Infrastruktur und Netzwerke aufzubauen, um Benachteiligte sozial abzufedern, Beschäftigung und Strukturentwicklung zu fördern. So fanden sich die regionalen Akteure in Vorbereitung der 1. ABM-Ausschusssitzung im September 1991 zusammen und im November 1992 konstituierte sich aus dem Aufbaustab „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost“ die Arbeitsgruppe „Beschäftigungsförderung“, die seither in 60 Beratungen den regionalen Konsens für Beschäftigungs-, Bildungs- und Strukturentwicklungmaßnahmen anstrebt.

Die Stadtverwaltung unterstützte die Entwicklung der Bildungs- und Beschäftigungsstruktur, unter anderem als Gesellschafter in sieben Beschäftigungsgesellschaften. Damit konnten schon 1991 die ersten Projekte den Arbeitsmarkt entlasten.

Frage: Welche Projekte aus der Zeit ab 1991 sind Ihnen noch besonders in Erinnerung?

Hannelore Quolke: Dazu fallen mir beispielsweise die denkmalpflegerischen Arbeiten wie die Sanierung des Wasserturmes und des ersten Teils der Stadtmauer ein. Hatten wir es hier einerseits mit der Sanierung von Rostocker Wahrzeichen zu tun, so hatte andererseits die Beschäftigungsförderung die Ausbildungsförderung beruflich benachteiligter Jugendlicher zum Ziel. Das Arbeitsförderprojekt Wasserturm wurde 1996 abgeschlossen. Durch die Unterstützung des Arbeitsamtes erhielten viele Jugendliche hier eine Ausbildung. Das betrifft ebenfalls die Arbeit an der Stadtmauer. Hier wurden verschiedene Abschnitte als Arbeitsförderprojekte saniert. Auch der Beginn von Projekten zur Kinder-, Jugend- und Freizeitarbeit fällt in das Jahr 1991. Im Rahmen der präventiven Arbeitsmarktpolitik begannen parallel zu betrieblichen Umstrukturierungen Umschulungen, um den Menschen die Arbeit zu erhalten. Die Umgestaltung des Stephan-Jantzen-Parks, des Kanonsbergs, die Arbeiten an der Marienkirche sowie die Sanierung der Gewerbegebiete, zum Beispiel Petersdorfer Straße, folgten in den späteren Jahren. Diese Maßnahmen gaben vielen jungen Menschen eine berufliche Chance zur Qualifizierung und zahlreichen Langzeitarbeitslosen eine Chance auf Arbeit. Gerade bei diesen Maßnahmen wurden Unternehmen der Stadt durch Aufträge mit einbezogen.

Frage: Welche Entscheidungen waren aus Ihrer Sicht wesentlich für einen erfolgreichen Start der Kommunalen Arbeitsmarktpolitik? Gab es Probleme und Hemmnisse?

Hannelore Quolke: Nicht nur die Orientierung auf soziale Abfederung, sondern die offensive Verknüpfung der Arbeitsförderung vor allem mit der Wirtschafts- und Strukturpolitik waren von Anfang an entscheidend. Die Einstufung der neuen Bundesländer durch die Europäische Union in ein günstiges Fördergebiet erwies sich als hilfreich. Auch Lohnkostenzuschüsse und Strukturanpassungsmaßnahmen durch das Arbeitsamt und die Landesförderung im Rahmen des Landesprogramms „Arbeit für Mecklenburg-Vorpommern“ gaben seit April 1991 Anschübe. Die Stadtverwaltung schuf intern günstige Bedingungen für eine aktive Arbeitsmarktpolitik, als die Kommunale Arbeitsmarktpolitik im Amt für Wirtschaftsförderung angesiedelt wurde. Der enge Bezug zur Wirtschaft, die Unternehmensnähe ist besonders bei der Bestandssicherung von Unternehmen und damit für den Erhalt von Arbeitsplätzen entscheidend.

Die Mitarbeit der Beschäftigungsförderung bei der Neuansiedlung, Ausgründung bzw. Existenzgründung ist unabdingbar. Eine der wichtigsten Rahmenbedingungen war die Entscheidung der Bürgerschaft, eine aktive Arbeitsmarktpolitik finanziell zu unterstützen. Menschen unserer Stadt in Arbeit zu bringen, ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die auch oft mit kritischen Phasen verbunden ist, beispielsweise wenn Förderinstrumente wegbrechen, so wie im Jahre 1993, als es zu einem ABM-Stopp kam. Manche Konzepte und gute Projekte scheiterten auch am bürokratischen Aufwand oder konnten nicht fortgesetzt werden. Dies sind oft auch persönliche Schicksale, die man hautnah erlebt.

Frage: Von welchen Erfolgen in den vergangenen zehn Jahren können Sie berichten?

Hannelore Quolke: Da gibt es einige Beispiele. Seit 1991 bietet die Abteilung Kommunale Arbeitsmarktpolitik Weiterbildungsberatungen als Dienstleister der Hansestadt Rostock für ihre bildungsinteressierten Einwohner und Gäste an. Die Beratung ist unabhängig, kostenfrei, vertraulich und trägerneutral. Seit 1992 haben über 10.000 Ratsuchende zu Fragen der Aus- und Weiterbildung kompetent Informationen von bildungs- und lebenserfahrenen Beratern erhalten. Den Experten stehen dafür die Weiterbildungsdatenbank im „Bildungsnetz Mecklenburg-Vorpommern“ mit über 10.000 Bildungsangeboten und andere überregionale Online-Datenbanken zur Verfügung. 1994 wurde unter dem Dach der Abteilung Kommunale Arbeitsmarktpolitik das Büro Union of the Baltic Cities für internationale beschäftigungsfördernde Aktivitäten gegründet. Der Rostocker Ausbildungsverbund konstituierte sich im Mai 1996 und ermöglichte zusätzliche Ausbildungsplätze. Die Schaffung eines Beschäftigungsverbundes innerhalb des Programms 600 im Mai 1999 und die Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsamt und Hansestadt Rostock vom Mai 2000 waren weitere Meilensteine. Nach den Maßnahmen mit Mehraufwandsentschädigung für Sozialhilfeempfänger 1991 hatten viele Projekttypen in der Rostocker Arbeitsförderung Modellcharakter, darunter Arbeit statt Sozialhilfe 1993, Technische Sozialbetriebe für Behinderte 1993, die Integration Langzeitarbeitsloser in Handwerks- und Gewerbebetrieben 1995, die beschäftigungswirksame Investitionsvergabe 1997, die Einstellungsförderung von Sozialhilfeempfängern 1997, das Programm 600 ab Mai 1999 und Gemeinwohlorientierte Arbeitsförderprojekte 1999. Daneben ist auch das Regionale Programm zur Einstellungsförderung des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu nennen. Auf der Basis von Lohnkostenzuschüssen können Zielgruppen bei der Arbeitsaufnahme in Unternehmen gefördert werden. Bei vielen Maßnahmen hat der Oberbürgermeister der Stadt sich persönlich engagiert, ob als Initiator, Schirmherr oder Beiratsvorsitzender.

ielen Rostockern ist sicherlich die Verschönerung des Zoogeländes 1993, die Renaturierung der Rostocker Heide nach dem EU-Programm KONVER 1994 und der neue Fuß- und Radwanderweg am östlichen Warnowufer 1995 bekannt. Zur Verbesserung der Sozial-, Kinder- und Jugendarbeit, wurde das Traditionsschiff 1993 zum soziokulturellen Zentrum umgebaut. Betreuungs- und Freizeitangebote für ausländische Kinder und Jugendliche wurden 1995 geschaffen. Darüber hinaus entstanden 1995 das Kinderhaus Dierkow, zwischen 1992 und 1995 das Bürgerzentrum Reutershagen, 1996 das Integrationsprojekt für Jugendliche „Spartakuß“, das Zentrum für Arbeit und Resozialisierung 1994 und Job-Clubs sowie Produktionsschulen 1995. Den Breitensport unterstützen wir seit 1993. 1994 begannen denkmalpflegerische Arbeiten am Katharinenkloster und am Kloster zum Heiligen Kreuz, an der Marienkirche und dem Ziegenmarkt 1995 sowie am Kanonsberg 1996. Das Jugendschiff wurde im Oktober 1993 fertiggestellt, die Stadtsanierung in der Kröpeliner-Tor-Vorstadt durch das EU-Programm URBAN begann 1996 und 1995 startete die beschäftigungswirksame Investitionsvergabe in Zusammenarbeit mit der WIRO am Projekt Wärmedämmung. Mit dem EU-Projekt „BALTIC CITIES“ in den Jahren 1996/97 knüpfte man in einem gut ausgebauten Netzwerk mit skandinavischen Ländern Kontakte, Projekte wurden ausgetauscht und in den einzelnen Staaten erprobt.

Frage: Wieviel Arbeitsuchende wurden in den Arbeitsmarkt vermittelt?

Hannelore Quolke: Von 1992 bis 2000 wurden durch die Abteilung Kommunale Arbeitsmarktpolitik der Hansestadt Rostock durchschnittlich pro Jahr 1.484 Arbeitskräfte befristet und unbefristet in den Arbeitsmarkt integriert. Die Hansestadt Rostock stellte dafür jährlich rund 7,2 Millionen Mark bereit. Darüber hinaus beteiligten sich das Arbeitsamt, das Land Mecklenburg-Vorpommern sowie die Europäische Union an der Finanzierung der Projekte. Wurden 1992 noch 253 Arbeitnehmer durch die Hansestadt Rostock finanziell in Projekten unterstützt, so erhöhte sich die Anzahl der Arbeitnehmer in von der Stadt geförderten Projekten auf 2.220 im Jahr 2000. Darunter sind über 500 Sozialhilfeempfänger, die durch ein umfassendes Beschäftigungsprogramm der Hansestadt Rostock in den regulären und geförderten Arbeitsmarkt integriert werden konnten. Die Zuschüsse aus dem Haushalt der Hansestadt Rostock betrugen 14,5 Millionen Mark. Damit wurde die Arbeitslosenquote um 1,7 Prozent gesenkt. Zusätzlich konnten seit 1998 im Regionalen Programm zur Einstellungsförderung des Landes Mecklenburg-Vorpommern 430 Arbeitnehmer in Rostocker Unternehmen vermittelt werden. Durch die aktive Arbeitsmarktpolitik der Hansestadt Rostock wurden in zehn Jahren insgesamt 15.000 Arbeitnehmer befristet und unbefristet mit Bildung und Beschäftigung unterstützt.

Frage: Mit welchen Partnern arbeiten Sie zusammen?

Hannelore Quolke: Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit vielen Partnern ist unabdingbar geworden. In erster Linie geht es hier um die Kooperation mit Fördermittelgebern. Ohne das Arbeitsamt Rostock und das Land Mecklenburg-Vorpommern hätte sich bedeutend weniger in Rostock bewegt. An dieser Stelle möchte ich herzlich für die bisherige Zusammenarbeit und Unterstützung danken. Die „Technische Hilfe“ durch die Trägergesellschaften Land und Schiffbau sowie BBJ-Servis GmbH nehmen wir gern in Anspruch. Die Umsetzung wäre nicht ohne das große Netz an Beschäftigungs-, Bildungsträgern und Vereinen möglich gewesen. Ämter der Stadtverwaltung sind unsere ständigen Partner, ebenso die Frationen der Bürgerschaft und die Arbeitsgruppe „Beschäftigungsförderung“. Aber auch die Handwerkskammer, die Industrie- und Handelskammer, die Gewerkschaften sowie engagierte Unternehmer und Wissenschaftler arbeiten am regionalen Konsens zur Verbesserung der Arbeitsmarkt- und Ausbildungssituation.

Frage: Welche Aufgaben sehen Sie vordringlich für die Zukunft?

Hannelore Quolke: Zunächst denke ich daran, unsere Maßnahmen aus dem Rostocker Programm der Kommunalen Arbeitsmarktpolitik fortzuführen. Die dort eingebundenen Maßnahmen, wie das Regionale Programm zur Einstellungsförderung, das Programm 600 und ABM-Vergabemaßnahmen, insbesondere in der Schulsanierung, müssen weitergeführt werden. Diese Maßnahmen dienen am ehesten der Integration auf dem regulären Arbeitsmarkt. Das Programm 600 gibt mit seiner Maßnahmebreite für jeden Sozialhilfeempfänger eine Chance wieder ohne Sozialhilfe leben zu können. Für dieses innovative Konzept erhielt ja die Hansestadt Rostock bundesweit eine Auszeichnung.

Wir bereiten uns darüber hinaus auf eine weitere Regionalisierung von Arbeitsmarktprogrammen mit speziellen Konzepten vor. Das erhöht die Entscheidungskompetenzen der Kommune, aber auch die Verantwortung. Die Umsteuerung der Beschäftigungspolitik auf die festgelegten Schwerpunkte der Europäischen Kommission erfordern von uns neue Ideen und Konzepte, um gravierende Einbrüche zu vermeiden. Zur Steuerung der arbeitsmarktpolitischen Prozesse arbeitet die Stadt Rostock an einem bundesweiten Netzwerk der Bertelsmann-Stifung mit.

Vielen Dank für das Gespräch.

(Weitere Informationen zur kommunalen Arbeitsmarktpolitik in Rostock können dem Internet unter www.rostock.de/sStadtver-waltung/stadt/amt80lei.asp entnommen werden.)