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Na­vi­ga­ti­on

Back to the roots - Mit dem Flie­ger in die neue al­te Hei­mat

Mel­dung vom 05.12.2022 - Kul­tur, Frei­zeit, Sport / Bil­dung und Wis­sen­schaft

Ros­to­cker Wi­sent­kü­he Wal­traut und Wan­da le­ben jetzt im Kau­ka­sus und hel­fen, ih­re Art zu er­hal­ten

Be­reits zum vier­ten Mal hat sich der Zoo Ros­tock an ei­nem Aus­wil­de­rungs­pro­jekt für Wi­sen­te be­tei­ligt. Zehn Wi­sent­kü­he sind jetzt vom Tier­park Ber­lin nach Aser­bai­dschan ge­reist, dar­un­ter Wal­traut und Wan­da aus dem Zoo Ros­tock. Seit dem Jahr 2017 gibt es in Aser­bai­dschan ein Pro­jekt zur Wie­der­an­sied­lung von Wi­sen­ten im Shah­d­ag-Na­tio­nal­park. Das Ge­mein­schafts­pro­jekt der Eu­rope­an As­so­cia­ti­on of Zoos and Aqua­ria (EA­ZA), des World Wild Found For Na­tu­re (WWF Deutsch­land) und vie­ler wei­te­rer Part­ner sieht vor, über ei­nen Zeit­raum von zehn Jah­ren jähr­lich meh­re­re Wi­sen­te aus­zu­wil­dern, um im Kau­ka­sus ei­ne sta­bi­le Her­de auf­zu­bau­en.

Der ers­te Ros­to­cker Wi­sent­bul­le wur­de 2010 im Rot­haar­ge­bir­ge in Nord­rhein-West­fa­len aus­ge­wil­dert. Im Jahr 2019 zo­gen die Wi­sent­kü­he Wa­le­ria und War­da von Ros­tock in das Wi­sen­t­re­ser­vat Da­me­ro­wer Wer­der, das auf ei­ner Halb­in­sel am Köl­pin­see im Na­tur­park Nos­sen­ti­ner/Schwin­zer Hei­de liegt (Land­kreis Meck­len­bur­gi­sche Se­en­plat­te/MV). Wi­sent­kuh Ger­da lebt seit 2020 im Shah­d­ag-Na­tio­nal­park und hat auch schon Nach­wuchs be­kom­men.

"Die Wie­der­an­sied­lung von Wi­sen­ten in meh­re­ren Län­dern ge­hört zu den be­deu­tends­ten und er­folg­reichs­ten Ar­ten­schutz­pro­jek­ten die­ser Art welt­weit", be­ton­te Zoo­di­rek­to­rin Ant­je An­ge­li. "Wir sind sehr stolz, dass wir Teil der in­ter­na­tio­na­len In­itia­ti­ve sind, um das grö­ß­te eu­ro­päi­sche Land­säu­ge­tier zu er­hal­ten. Der Be­stand der be­reits in der Na­tur aus­ge­stor­be­nen Wi­sen­te konn­te nur auf­grund von noch le­ben­den Zoo­tie­ren wie­der neu auf­ge­baut und sta­bi­li­siert wer­den."

Er­folg­rei­che Mis­si­on - Be­stän­de er­ho­len sich

Die zehn Wi­sen­te aus den Zoo­lo­gi­schen Gär­ten Chem­nitz, Ros­tock, Bern­burg, Ber­lin, Fo­ta (Ir­land), Köln und Pil­sen (Tsche­chi­en) ha­ben vor dem Flug nach Ba­ku in ei­nem ge­son­der­ten Be­reich im Tier­park Ber­lin ei­ne ge­mein­sa­me Ein­ge­wöh­nungs­zeit durch­lau­fen und wur­den in­ten­siv ve­te­ri­när­me­di­zi­nisch un­ter­sucht. "Es ist enorm wich­tig, dass kei­ne Krank­hei­ten in das Schutz­ge­biet ein­ge­tra­gen wer­den", sag­te die Ku­ra­to­rin für Säu­ge­tie­re, Da­nie­la Lahn.

Viel Platz für ei­nen Neu­an­fang - in Aser­bai­dschan liegt ein Teil des his­to­ri­schen Ver­brei­tungs­ge­biets der Wi­sen­te, das einst über ganz Eu­ro­pa bis hin nach Si­bi­ri­en reich­te, be­vor die Tie­re durch in­ten­si­ve Be­ja­gung und die fort­schrei­ten­de Be­sied­lung ih­res Le­bens­raums in der Na­tur na­he­zu völ­lig aus­ge­rot­tet wur­den.

Die Aus­wil­de­rung er­folgt in drei Stu­fen und be­ginnt in ei­nem ca. 300 Hekt­ar gro­ßen Ge­län­de im Shadag-Na­tio­nal­park im öst­li­chen Kau­ka­sus. An­schlie­ßend steht den Tie­ren ein noch grö­ße­res Are­al zur Ver­fü­gung, be­vor sie das ge­sam­te Aus­wil­de­rungs­ge­biet im Na­tio­nal­park mit 130.000 Hekt­ar nut­zen kön­nen. Hier tref­fen sie auf ins­ge­samt 31 wei­te­re aus­ge­wil­der­te Wi­sen­te, die in den letz­ten vier Jah­ren be­reits ih­ren Weg zu­rück nach Aser­bai­dschan ge­fun­den ha­ben, dar­un­ter auch ei­ni­ge Käl­ber, die im Na­tio­nal­park ge­bo­ren wur­den.

"Zie­le des Wie­der­an­sied­lungs­pro­jek­tes sind der Auf­bau ei­ner sich selbst­er­hal­ten­den, ge­sun­den und frei­le­ben­den Po­pu­la­ti­on von mehr als 500 Wi­sen­ten", so die Ku­ra­to­rin.
Wei­te­re ak­ti­ve Aus­wil­de­rungs­pro­jek­te gibt es in der Ukrai­ne, der Slo­wa­kei, in Ru­mä­ni­en, in Russ­land und der Schweiz. Die in­ter­na­tio­na­len Be­mü­hun­gen um ei­ne Wie­der­an­sied­lung der Wi­sen­te zah­len sich aus. Die ers­te Aus­wil­de­rung fand im Jahr 1952 in Po­len statt. Heu­te strei­fen wie­der ins­ge­samt et­wa 8.000 Wi­sen­te durch die Wie­sen und Wäl­der, da­von ca. 5.000 Tie­re in Po­len und Be­la­rus. Laut Zoo­tier­lis­te wer­den in 114 zoo­lo­gi­schen Ein­rich­tun­gen von EU-Mit­glieds­län­dern Wi­sen­te ge­hal­ten, da­von al­lein in Deutsch­land 58. Wei­te­re 29 Zoos mit Wi­sent­hal­tung wer­den für Nicht-EU-Län­der auf­ge­führt. Der Wi­sent gilt laut der Welt­na­tur­schutz­uni­on (IUCN) aber im­mer noch als po­ten­zi­ell ge­fähr­de­te Tier­art.

War­um Wi­sen­te für un­ser Öko­sys­tem so wich­tig sind

"Als Eu­ro­pas grö­ß­ter Pflan­zen­fres­ser nimmt der Wi­sent ei­ne Schlüs­sel­po­si­ti­on im na­tür­li­chen Öko­sys­tem ein", hob Da­nie­la Lahn her­vor. "Er be­ein­flusst ma­ß­geb­lich auf na­tür­li­che Wei­se die Land­schafts­ge­stal­tung, durch Be­wei­dung und da­mit auch Ver­biss von Ge­höl­zen, wo­durch Land­schafts­be­rei­che wie bei­spiels­wei­se gro­ße Lich­tun­gen und Wie­sen of­fen­ge­hal­ten und vor Ver­bu­schung be­wahrt wer­den. Dies er­mög­licht wie­der­um Chan­cen für an­de­re Ar­ten der Tier- und Pflan­zen­welt. Der Dung der Tie­re dient zahl­rei­chen In­sek­ten als Nah­rungs­grund­la­ge. Da­durch pro­fi­tie­ren auf der an­de­ren Sei­te auch vie­le Vo­gel­ar­ten. Vie­ler­orts ist die­ser Kreis­lauf durch den Ver­lust gro­ßer Pflan­zen­fres­ser ein­ge­bro­chen. So war der Wi­sent in Aser­bai­dschan seit et­wa 300 Jah­ren aus­ge­rot­tet."

Das Pro­jekt zur Wie­der­an­sied­lung des eu­ro­päi­schen Wild­rin­des im aser­bai­dscha­ni­schen Teil des Kau­ka­sus star­te­te 2013. Die ers­ten Tie­re ka­men im Mai 2019 aus ver­schie­de­nen Zoos in Bel­gi­en, Deutsch­land, Frank­reich und Tsche­chi­en. Wei­te­re Tie­re folg­ten im Jahr 2020 und 2021 und jetzt im No­vem­ber. Ei­ne Ver­ein­ba­rung zwi­schen der EA­ZA und dem WWF soll bis 2028 den Trans­port von bis zu zehn wei­te­ren Wi­sen­ten jähr­lich zur Aus­wil­de­rung im Shadag-Na­tio­nal­park er­mög­li­chen. Bis heu­te wur­den sechs Käl­ber ge­bo­ren, da­von ei­nes von der Ros­to­cker Wi­sent­kuh Ger­da, die 2020 von der Ost­see in den Kau­ka­sus ge­zo­gen ist.

Viel Er­fah­rung mit der Wi­sent­hal­tung im Zoo Ros­tock

Der Zoo Ros­tock ist sehr er­fah­ren in der Hal­tung von Wi­sen­ten. Be­reits seit 1960 le­ben die statt­li­chen Tie­re im Zoo Ros­tock. Die El­tern der nun aus­ge­wil­der­ten Wi­sent­kü­he Wal­traut und Wan­da sind Tis­nel­da (11) und Bul­le Wil­son (8). Wal­traut wur­de am 28. April 2019 und Wan­da am 25. Au­gust 2020 in Ros­tock ge­bo­ren. Ne­ben den El­tern­tie­ren Tis­nel­da und Wil­son lebt ak­tu­ell noch Wi­sent­kuh Wal­li (7) im Zoo Ros­tock.

Aus­ge­wach­se­ne Bul­len kön­nen bis zu 900 Ki­lo­gramm auf die Waa­ge brin­gen und ei­ne Schul­ter­hö­he von bis zu zwei Me­ter er­rei­chen. Da­mit gilt der Wi­sent als das grö­ß­te Land­säu­ge­tier Eu­ro­pas. Cha­rak­te­ris­tisch sind der mas­si­ge Rumpf, sein re­la­tiv kur­zer Schä­del und der lan­ge Kinn­bart. In der Wild­nis fres­sen Wi­sen­te Zwei­ge, Laub, Gras und Rin­de. Die Tie­re le­ben für ge­wöhn­lich als Her­de zu­sam­men mit meh­re­ren Art­ge­nos­sen.