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Na­vi­ga­ti­on

Ha­ben die Ar­chäo­lo­gen am Rat­haus das äl­tes­te Stein­haus der Mit­tel­stadt ent­deckt?

Mel­dung vom 06.11.2023 - Bil­dung und Wis­sen­schaft / Kul­tur, Frei­zeit, Sport

Bau­stel­len-Ta­ge­buch No­vem­ber 2023

Auf dem Bau­feld für die Rat­haus­er­wei­te­rung gra­ben sich die Ar­chäo­lo­gen En­de Ok­to­ber, An­fang No­vem­ber im­mer wei­ter in die Ros­to­cker Ver­gan­gen­heit hin­ein. Seit dem Früh­jahr sind sie hier ak­tiv. Auch we­gen der her­aus­for­dern­den Wit­te­rungs­be­din­gun­gen fin­den die Ar­bei­ten der­zeit vor­ran­gig di­rekt hin­ter dem Rat­hau­s­an­bau, An der He­ge, statt. Von hier kann das Re­gen­was­ser den Hang hin­ab­lau­fen und sich wei­ter un­ten, an der Klei­nen Was­ser­stra­ße, in ei­nem Pum­pen­sumpf sam­meln.

Über­res­te ei­nes un­ge­wöhn­li­chen Ge­bäu­des

Nach den sehr gut er­hal­te­nen Holz­kel­ler­wän­den an der Klei­nen Was­ser­stra­ße und der kom­plett ge­bor­ge­nen wert­vol­len Lüs­ter­wa­re im Som­mer ha­ben Dr. Jörg An­sor­ge und sein Team ge­ra­de er­neut ei­ne über­ra­schen­de Ent­de­ckung ge­macht. „Un­ter dem Kel­ler­fuß­bo­den des Hau­ses An der He­ge 8 ha­ben wir die Über­res­te ei­nes un­ge­wöhn­li­chen Ge­bäu­des ge­fun­den“, freut sich der Gra­bungs­lei­ter. „An­ders als die Gie­bel­häu­ser in der Nach­bar­schaft han­delt es sich wohl um ein Trau­fen­haus.“ Der Gie­bel zeig­te al­so nicht in Rich­tung Stra­ße.

Ent­ste­hung am En­de der Ro­ma­nik, zu Be­ginn der Back­stein­go­tik

Die ei­gent­li­che Über­ra­schung be­steht in der Ver­wen­dung schar­rier­ter Back­stei­ne für die Kel­ler­wän­de, die ver­ein­zelt zwi­schen den Feld­stei­nen ver­mau­ert sind. Die Zie­gel wur­den sei­ner­zeit vor dem Bren­nen mit de­ko­ra­ti­ven „Kamm­strich­spu­ren“ ver­se­hen (schar­rie­ren), um dem Back­stein das Aus­se­hen ei­nes wi­der­stands­fä­hi­gen Na­tur­steins zu ver­lei­hen. Die­ser Hand­werks­brauch deu­tet auf ei­ne Ent­ste­hung am En­de der Ro­ma­nik, zu Be­ginn der Back­stein­go­tik hin. Und da­mit könn­te es sich tat­säch­lich um das äl­tes­te Stein­haus der da­ma­li­gen Ros­to­cker Mit­tel­stadt han­deln. „Ei­gent­lich wur­den in die­ser Zeit zwi­schen 1230 und 1250 nur Holz­häu­ser ge­baut“, er­läu­tert Dr. An­sor­ge.

„Viel Raum für Spe­ku­la­ti­on“

Fest steht au­ßer­dem, dass der Feld­stein­kel­ler die­ses Hau­ses tie­fer liegt als bei den an­de­ren Häu­sern in der Um­ge­bung. Für ei­ne his­to­ri­sche Ein­ord­nung oder ge­naue Nut­zungs­be­stim­mung sei es aber noch zu früh. „Es gibt hier viel Raum für Spe­ku­la­ti­on“, so der Gra­bungs­lei­ter. Der Ex­per­te hat­te den Fund an­fangs auch als mög­li­ches Stein­werk ein­ge­ord­net: qua­dra­ti­sche Häu­ser je­ner Zeit, die bes­ser ver­tei­digt wer­den konn­ten. Es han­delt sich in je­dem Fall um ei­nen be­son­de­ren Fund. „Das ist schon ei­ne Haus­num­mer!“

Näs­se macht die Gra­bung ex­trem ar­beits­in­ten­siv

Her­aus­for­dernd bleibt die teils ex­tre­me Hang­la­ge des Bau­felds. Hö­hen­un­ter­schie­de von drei bis vier Me­tern auf fünf Me­tern Län­ge sind nicht un­ge­wöhn­lich. „Da müs­sen wir uns als ,Flach­land­ar­chäo­lo­gen‘ im­mer wie­der et­was ein­fal­len las­sen“, so Dr. An­sor­ge. Und dann noch die­ses Wet­ter! „Hin­ter uns liegt der dritt­nas­ses­te Ok­to­ber seit Be­ginn der Wet­ter­auf­zeich­nun­gen“, be­rich­tet der Gra­bungs­lei­ter. „Das macht die Gra­bung ex­trem ar­beits­in­ten­siv.“

Der Hang­be­reich ist aber der Schlüs­sel, um die so­ge­nann­te na­tur­räum­li­che Si­tua­ti­on zum Be­ginn der Be­sied­lung der Mit­tel­stadt zu ver­ste­hen. Ins­be­son­de­re stellt sich die Fra­ge, wann und wie der Hang ter­ras­siert und in Nut­zung ge­nom­men wur­de. Hier fin­den sich an den Grund­stücks­gren­zen La­tri­nen­schäch­te, aber auch Holz- und Back­stein­ge­bäu­de in en­ger zeit­li­cher Rei­hen­fol­ge so­wie zahl­rei­che Leh­m­ent­nah­me­gru­ben, die nach dem gro­ßen Stadt­brand von 1677 zur Bau­stoff­ge­win­nung an­ge­legt wur­den. In den nächs­ten Schrit­ten sol­len die Kel­ler An der He­ge wei­ter aus­ge­gra­ben wer­den. Viel­leicht wird dann auch das Rät­sel um das viel­leicht äl­tes­te Stein­haus der his­to­ri­schen Mit­tel­stadt ge­löst.