Die Kunsthalle Rostock zeigt in einer großen Schau Werke von Kate Diehn-Bitt und Susanne Rast
Ein geradezu rauschhaftes Fest der Sinne, der Farben und Formen erwartet die Besucherinnen und Besucher der Kunsthalle Rostock. Ausstellungsarchitektonisch wurden alle Register gezogen – das Obergeschoss des Museums ist kaum wiederzuerkennen, Stellwände strukturieren den Raum als riesige Fächer, öffnen Nischen oder laden in kleine Kabinette ein. Die Wände dunkel- und hellgrau – und ein gewagtes leuchtendes Rot.
Gewidmet ist diese Ausstellung mit dem Titel „Kate Diehn-Bitt, KünstlerinSEIN im Zusammenspiel mit Susanne Rast“ zwei überaus starken Positionen: Kate Diehn-Bitt (1900-1978) und Susanne Rast (geboren 1962). Es ist kein Zufall, dass gerade diese beiden zusammen zu sehen sind. Nicht nur dass ihre Werke harmonieren und künstlerisch korrespondieren, die beiden kannten sich auch persönlich.
„Kate Diehn-Bitt war eine beeindruckende Frau“, erinnert sich Susanne Rast, die die Rostocker Malerin schon als Kind kennenlernte, „mit ihrer Zigarettenspitze, der tiefen Stimme. Und ihr großer Kater Felix war auch immer dabei.“ Mehr noch faszinierten Susanne Rast die Bilder der Malerin, vor allem ihre Porträts: „Die Bilder sind so intensiv. Ich spüre die Sehnsucht, die Figuren wirklich zu verstehen, sie nicht nur abzubilden“, sagt Susanne Rast. Kate Diehn-Bitt wollte hinter die Fassaden, in die Seelen blicken. Eines von Rasts Lieblingsbildern ist das Porträt „Schwiegermutter von Thuro Balzer“ von 1934. Ein tolles Gemälde, aber die dargestellte Person wirkt etwas verkniffen. Für Susanne Rast ein Beispiel für das Zusammenwirken von Figürlichkeit und Abstraktion. Der ganze Körper wirkt konstruiert, wie zusammengesetzt, die Arme ungelenk übereinandergelegt – all dies charakterisiert die dargestellte Person. An dieser Art der Darstellung hat auch die Künstlerin Susanne Rast ihr Auge geschult. Über die ganze Ausstellung verteilt finden sich Figuren der in Kneese lebenden Bildhauerin. Zerbrechliche, manchmal unsicher wirkende Gestalten, vorsichtig vorangehend oder zaudernd. „Balance“, so lautet ein großes Thema von Susanne Rast, viele ihrer Figuren sind auf der Suche nach Richtung, Haltung, Halt. Zwei aktuelle Arbeiten aus dem Jahr 2024 zeigen Figuren im Übergang, bei denen eine binäre geschlechtliche Zuschreibung nicht möglich ist.
Ein mehr als aktuelles Thema. Auch Kate Diehn-Bitt beschäftigte sich mit den starren Geschlechterzuschreibungen. Ihr „Selbstbildnis als Malerin“ ist ein Beispiel, wie sie Grenzen verwischt. Das Bild zeigt die Künstlerin mit aufgekrempelten Hemdsärmeln an der Staffelei, den Blick ernst und streng auf die Betrachtenden gerichtet, das Haar kurz, Malerin oder Maler, das ist nicht zu sagen.
Derartige Bilder missfielen den Nationalsozialisten. Kate Diehn-Bitt war nach einer Ausstellung in der damals berühmten Galerie Gurlitt in Berlin auf dem Absprung zu einer großen Karriere, da deklarierten die Nazis ihre Bilder als „entartet“. Kate Diehn-Bitt zog sich zurück in ihr Rostocker Atelier, wurde mit einem Malverbot belegt, durfte kein Material kaufen und arbeitete mit dem, was Freunde und Verwandte heimlich mitbrachten.
Damit ließ sie ein Leben hinter sich, das auch nach heutigen Maßstäben modern war: Sie studierte in der Kunstmetropole Dresden und lebte dort zusammen mit ihrem Liebhaber. Ihr Ehemann Pieter, der zu Hause in Rostock als Zahnarzt lebte und den gemeinsam Sohn Jürnjacob großzog, war mit der Dreierbeziehung einverstanden. Die Werke, die damals entstanden, werden heute als Paradebeispiele der Neuen Sachlichkeit gefeiert und europaweit gezeigt.
Auf ein wichtiges Bild musste Kuratorin Antje Schunke verzichten: das „Selbstbildnis mit Orange“ ist derzeit in New York zu sehen. Es zeigt die Künstlerin in einem leuchtend roten Pullover. „Rot war ihre Lieblingsfarbe“, sagt Schunke, und das sei auch die Inspiration für die roten Wände in der Ausstellung gewesen.
Die Bilder Diehn-Bitts sind heute gefragt wie nie zuvor. Ein Erfolg, den die Künstlerin sich wohl kaum vorzustellen vermochte. Denn ihr künstlerisches Leben kennzeichnen Brüche und Ausgrenzungen. Denn der Ablehnung in der Zeit des Nationalsozialismus folgte nach 1945 eine intensive Schaffensphase, in der Diehn-Bitt auch den damaligen Künstlerbund mit aufbaute. Doch auch in der DDR wurden ihre Bilder ab den 1950er Jahren abgelehnt. Diehn-Bitt zog sich endgültig in ihr Atelier zurück, malte Bilder mit religiösen Motiven, vor allem kleine Formate, Zeichnungen, Collagen.
Einer, der sich darum bemühte, dass Kate Diehn-Bitt nicht in Vergessenheit geriet, war der Bildhauer Jo Jastram (1928-2011). Er besuchte die zurückgezogene Künstlerin und freundete sich mit ihr an. Die Familien besuchten sich gegenseitig, und so begegnete auch Jastrams Tochter Susanne Rast der charismatischen Malerin.
Die große Schau, die eine Fülle der Werke Kate Diehn-Bitts chronologisch und thematisch anordnet, kam auch durch die Förderung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung zustande die Schau mit Diehn-Bitt und Rast ist Teil zwei einer dreiteiligen Ausstellungsreihe unter dem Titel „Künstlerinnen und Wahrnehmung“.
„Die Malerin Kate Diehn-Bitt darf als Ausnahmekünstlerin in der Rostocker Kunstwelt gelten. Vielen sind sie und ihr Werk aber noch immer nicht ausreichend bekannt. Das wollen wir ändern“, so Patricia Werner von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung. „Ihr Werk und ihre Lebensleistung sichtbar zu machen sind der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und der OSPA-Stiftung ein wichtiges Anliegen. Wir freuen uns mit den Verantwortlichen der Kunsthalle Rostock kreative und vor allem verlässliche Partner für die Ausstellungsreihe „Künstlerinnen und Wahrnehmung“ gefunden zu haben – innerhalb derer Kate Diehn-Bitt nun präsentiert wird.“
Begleitend zur Ausstellung Kate Diehn-Bitt - KünstlerinSEIN im Zusammenspiel mit Susanne Rast ist eine erweitere Neuauflage des Kataloges Kate Diehn-Bitt, herausgegeben von der Rostocker Kate-Diehn-Bitt-Stiftung, im Museumsshop erhältlich.
Im Rahmen der Ausstellung Kate Diehn-Bitt – KünsterlinSEIN im Zusammenspiel mit Susanne Rast findet ein vielfältiges Begleitprogramm statt.
Zeitgleich wurde in der Kunsthalle Rostock am 25. Januar 2025 die 35. Landesweite Kunstschau – UNANGEBRACHT eröffnet. Die Ausstellung widmet sich in der Kunsthalle Rostock und in der Dokumentations- und Gedenkstätte in der ehemaligen Stasi-Untersuchungshaftanstalt Rostock anhand von 50 künstlerischen Positionen dem Spannungsfeld zwischen Kunst und Freiheit. Dabei wird das künstlerische Leben von Kate Diehn-Bitt einbezogen.
Ausstellungslaufzeiten
Kate Diehn-Bitt (1900-1978) – KünstlerinSEIN im Zusammenspiel mit Susanne Rast 26. Januar – 21. April 2025
Termine
Sonntag, 26.01.2025 um 16.00 Uhr Sonderführungen mit Kuratorin Antje Schunke, Marion Schael, Kate Diehn-Bitt Stiftung und Bildhauerin Susanne Rast
Donnerstag, 13.02.2025 um 16.00 Uhr Führungen mit Kuratorin Antje Schunke
Donnerstag, 27.02.2025 um 16.00 Uhr Führungen mit Kuratorin Antje Schunke
Donnerstag, 13.03.2025 um 16.00 Uhr Führungen mit Kuratorin Antje Schunke
Donnerstag, 27.03.2025 um 16.00 Uhr Führungen mit Kuratorin Antje Schunke
Donnerstag, 03.04.2025 um 16.00 Uhr Führungen mit Kuratorin Antje Schunke
Donnerstag, 10.04.2025 um 16.00 Uhr Führungen mit Kuratorin Antje Schunke
Donnerstag, 24.04.2025 um 16.00 Uhr Führungen mit Kuratorin Antje Schunke
Gesprächsrunden mit dem Maler Dietrich Becker, Marion Schael, Kate Diehn-Bitt Stiftung, Kunstsammler Ulf Kringel und Dr. Katrin Arrieta, Leiterin des Kunstmuseums Ahrenshoop u.v.m. entnehmen Sie bitte demnächst dem Veranstaltungskalender auf www.kunsthallerostock.de.
Workshops für Schulklassen, Kinder, Jugendliche und Erwachsene entnehmen Sie bitte demnächst dem Veranstaltungskalender auf www.kunsthallerostock.de.
35. Landesweite Kunstschau – UNANGEBRACHT Eine Ausstellung des Berufsverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler Mecklenburg-Vorpommern e. V. (BBK M-V e.V.) 2025 26. Januar – 23. März 2025