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Na­vi­ga­ti­on

Um­lei­tung statt Blut­stau – Men­schen mit un­heil­ba­rer Le­ber­zir­rho­se kann ge­hol­fen wer­den

Mel­dung vom 12.01.2021 - Um­welt und Ge­sell­schaft

Hoch­kom­ple­xes Ver­fah­ren wird nur an we­ni­gen Kli­ni­ken in MV an­ge­bo­ten und ist noch re­la­tiv un­be­kannt

Wenn die Le­ber, un­se­re in­ne­re Re­cy­cling­an­la­ge ver­sagt, hilft meis­tens nur noch ei­ne Trans­plan­ta­ti­on. Doch Or­ga­ne sind knapp und nicht je­der Pa­ti­ent ist da­für ge­eig­net. Den­noch gibt es ei­ne Mög­lich­keit, die Kom­pli­ka­tio­nen der bis­her un­heil­ba­ren Le­ber­zir­rho­se und Bauch­was­ser­sucht zu be­han­deln. In ei­nem hoch­kom­ple­xen Ver­fah­ren kann in der Le­ber ei­ne künst­li­che Ge­fä­ß­um­lei­tung ge­legt und so­mit der Blut­stau in der Haupt­ader (Pfort­ader) der nicht mehr funk­ti­ons­tüch­ti­gen Le­ber um­gan­gen wer­den.

„Der ret­ten­de Ein­griff ist je­doch im­mer noch recht un­be­kannt und wird auch nur an we­ni­gen Kli­ni­ken in Meck­len­burg-Vor­pom­mern an­ge­bo­ten. Vie­le Pa­ti­en­ten müss­ten je­doch nicht län­ger un­nö­tig lei­den“, be­ton­ten Dr. Da­ni­el Pasch­ke, Lei­ten­der Ober­arzt Gas­tro­en­te­ro­lo­gie, und Dr. An­dre­as Knop­ke, Lei­ter der Ab­tei­lung Dia­gnos­ti­sche und In­ter­ven­tio­nel­le Ra­dio­lo­gie. Am Kli­ni­kum Süd­stadt Ros­tock wur­den seit 2017 mehr als 125 Ge­fä­ß­um­lei­tun­gen nach der so­ge­nann­ten TIPS-The­ra­pie im­plan­tiert.

Wer kann von dem Ver­fah­ren pro­fi­tie­ren?

„Das Ver­fah­ren kommt vor al­lem für Pa­ti­en­ten mit ei­ner Le­ber­zir­rho­se in­fra­ge, wel­che an der Kom­pli­ka­ti­on Bauch­was­ser­sucht (As­zi­tes) lei­den“, er­läu­ter­te Dr. Da­ni­el Pasch­ke. „Gro­ße Men­gen Was­ser kön­nen sich so im Bauch­raum an­sam­meln. Wei­te­re Ein­satz­mög­lich­kei­ten er­ge­ben sich bei aku­ten und le­bens­be­droh­li­chen Blu­tun­gen aus Krampf­adern (Va­ri­zen­blu­tung) in der Spei­se­röh­re und im Ma­gen, bei Nie­ren­ver­sa­gen im Rah­men ei­ner fort­ge­schrit­te­nen Le­ber­zir­rho­se und ei­nem Le­ber­ven­enver­schluss.“

Am häu­figs­ten wer­den chro­ni­sche Le­ber­er­kran­kun­gen durch re­gel­mä­ßi­gen Al­ko­hol­kon­sum oder durch chro­ni­sche Le­ber­ent­zün­dun­gen als Fol­ge von Vi­rus­in­fek­tio­nen wie ei­ner He­pa­ti­tis aus­ge­löst. Sie füh­ren zum Ab­ster­ben von Le­ber­zel­len und ei­ner Ver­nar­bung der Le­ber. Letzt­end­lich kann die Le­ber als das zen­tra­le Stoff­wech­sel­or­gan ih­re le­bens­wich­ti­gen Auf­ga­ben nicht mehr oder nur noch teil­wei­se er­fül­len. Täg­lich fil­tert die klei­ne Hoch­leis­tungs­ma­schi­ne rund 2.000 Li­ter Blut und gibt die­ses wie­der ent­gif­tet und ge­rei­nigt in den Kreis­lauf ab.
„Wir kön­nen ei­ne kran­ke Le­ber nicht hei­len, aber die Kom­pli­ka­tio­nen durch ei­nen Ge­fäß­s­tent und die Um­lei­tung sehr gut kom­pen­sie­ren. Ins­be­son­de­re die re­gel­mä­ßi­ge und sehr un­an­ge­neh­me Ab­lei­tung des Bauch­was­sers durch ei­ne Punk­ti­on ent­fällt und da­mit auch das zu­sätz­li­che In­fek­ti­ons­ri­si­ko“, er­klär­te Dr. Da­ni­el Pasch­ke.

Wie funk­tio­niert der Stent?

Die TIPS-Ope­ra­ti­on kann bis zu vier Stun­den dau­ern und ist im­mer ei­ne Team­ar­beit ei­nes hoch pro­fes­sio­nel­len, ein­ge­spiel­ten OP-Teams. Die­se wird un­ter Lei­tung ei­nes Ra­dio­lo­gen ge­mein­sam mit ei­nem Gas­tro­en­te­ro­lo­gen oder He­pa­to­lo­gen, ei­nem An­äs­the­sis­ten so­wie ei­ner er­fah­re­nen OP-Kraft durch­ge­führt. TIPS steht für ei­nen „trans­ju­gul­ren in­tra­he­pa­ti­schen por­to­sys­te­mi­schen Sh­unt“, al­so ei­ne künst­li­che Ge­fä­ß­um­lei­tung des Blut­ge­fäß­sys­tems in der Le­ber.

„Hier­für wird ein in die Le­ber füh­ren­des Ge­fäß mit ei­nem zum Her­zen füh­ren­den Ge­fäß mit­tels Stent­ein­la­ge ver­bun­den. Die­ser Stent, ein röh­ren­för­mi­ges Me­tall­ge­flecht mit ei­ner spe­zi­el­len Be­schich­tung, wächst ein und ver­bleibt im Kör­per“, er­läu­ter­te Chef­arzt Dr. An­dre­as Knop­ke.

„Durch die künst­li­che Um­lei­tung der Le­ber­ge­fä­ße di­rekt in den Blut­kreis­lauf kön­nen wir den ge­fähr­li­chen Über­druck, den so­ge­nann­ten Pfort­ader­hoch­druck in der Le­ber sen­ken. Für jün­ge­re Pa­ti­en­ten ist das Ver­fah­ren zu­dem ei­ne hilf­rei­che und manch­mal auch ei­ne le­bens­ret­ten­de Über­brü­ckung bis zur Le­ber­trans­plan­ta­ti­on“, un­ter­strich Dr. An­dre­as Knop­ke.

Ho­he Fall­zahl kommt Pa­ti­en­ten zu­gu­te

Egon Bohn konn­te mit ei­nem Ge­fäß­s­tent an der Le­ber ge­hol­fen wer­den. Der Ros­to­cker litt ver­mut­lich auf­grund ei­ner ver­schlepp­ten He­pa­ti­tis an ei­ner Le­ber­zir­rho­se. Re­gel­mä­ßig muss­te der Bauch punk­tiert und Was­ser ab­ge­las­sen wer­den. Da­zu ka­men un­er­träg­li­che Schmer­zen, ge­schwol­le­ne Bei­ne, Kreis­lauf­stö­run­gen und ei­ne stark ein­ge­schränk­te Mo­bi­li­tät. Als der Lei­dens­druck zu groß wur­de, such­te der heu­te 72-Jäh­ri­ge ärzt­li­che Hil­fe. 2018 wur­de ihm am Kli­ni­kum ein Stent ein­ge­setzt, der das in der Le­ber auf­ge­stau­te Blut um­lei­tet. „Mir geht es jetzt wie­der sehr gut, ich ha­be mei­ne Le­bens­qua­li­tät zu­rück“, sag­te der ehe­ma­li­ge Po­li­zist.

Jähr­lich wer­den am Kli­ni­kum Süd­stadt Ros­tock et­wa 30 Le­ber­ge­fäß­s­tents ein­ge­setzt. Die Er­geb­nis­se aus den re­gel­mä­ßi­gen Nach­un­ter­su­chun­gen wer­den in ei­ner Stu­die er­fasst und fal­len äu­ßerst po­si­tiv aus. „Die in­zwi­schen ho­he Fall­zahl und die Er­fah­rungs­wer­te am Kli­ni­kum Süd­stadt kom­men Pa­ti­en­ten mit ernst­haf­ten Le­ber­pro­ble­men zu­gu­te. Men­schen mit Le­ber­er­kran­kun­gen soll­ten recht­zei­tig ei­ne Spe­zi­al­sprech­stun­de auf­su­chen, um jah­res­lan­gem Lei­den vor­zu­beu­gen“, so die Me­di­zi­ner.