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Na­vi­ga­ti­on

Um­set­zung des Kin­der- und Ju­gend­stär­kungs­ge­set­zes: Ros­tock und Schwe­rin le­gen Ver­fas­sungs­be­schwer­de ein

Pres­se­mit­tei­lung vom 31.08.2023

Ge­mein­sa­me Pres­se­mit­tei­lung der Lan­des­haupt­stadt Schwe­rin und der Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt Ros­tock

Müs­sen die Kom­mu­nen Mehr­kos­ten in Mil­lio­nen­hö­he, die durch die Um­set­zung des Kin­der- und Ju­gend­stär­kungs­ge­set­zes (KJSG) ent­ste­hen, al­lein schul­tern, weil sie Trä­ger der Ju­gend­hil­fe sind? Da­mit be­schäf­tigt sich heu­te (31. Au­gust 2023) das Lan­des­ver­fas­sungs­ge­richt in Greifs­wald. Die Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt Ros­tock und die Lan­des­haupt­stadt Schwe­rin ha­ben Ver­fas­sungs­be­schwer­de ein­ge­legt. Sie be­kla­gen da­mit die Ver­let­zung des Kon­ne­xi­täts­prin­zips nach Art. 72 Abs. 3 Lan­des­ver­fas­sung , wo­nach den Kom­mu­nen durch zu­sätz­li­che Auf­ga­ben ent­ste­hen­de Mehr­kos­ten er­setzt wer­den sol­len. Denn die Fi­nan­zie­rung der KJSG-Leis­tun­gen ist we­der auf Bun­des- noch auf Lan­des­ebe­ne ge­re­gelt.

Das von der Bun­des­re­gie­rung be­schlos­se­ne Kin­der- und Ju­gend­stär­kungs­ge­setz (KJSG) hat das Ziel, vor al­lem den­je­ni­gen Kin­dern, Ju­gend­li­chen und jun­gen Voll­jäh­ri­gen zu­stär­ken, die be­son­de­ren Un­ter­stüt­zungs­be­darf ha­ben. So wer­den be­reits be­stehen­de Rechts­an­sprü­che in der Kin­der- und Ju­gend­hil­fe er­heb­lich aus­ge­wei­tet. Es ver­bes­sert die Teil­ha­be ins­be­son­de­re be­nach­tei­lig­ter jun­ger Men­schen und bün­delt die­se zu­künf­tig an ei­ner Stel­le. So sol­len ab 2024 u.a. so ge­nann­te Ver­fah­rens­lot­sen ein­ge­setzt wer­den, die lo­kal aus den je­wei­li­gen ört­li­chen Ju­gend­äm­tern her­aus agie­ren: Ei­ne gu­te Idee für al­le Be­trof­fe­nen, für die sich durch die kom­mu­na­le „Ge­samt­zu­stän­dig­keit“ Ver­fah­ren ver­ein­fa­chen sol­len. Doch wer soll die zu­sätz­li­chen Auf­ga­ben be­zah­len, die nun den Ge­mein­den und Krei­sen zu­fällt? Nor­ma­ler­wei­se re­geln das die Bun­des­län­der in Aus­füh­rungs­ge­set­zen, denn der Bund kann nach der För­dera­lis­mus­re­form 2006 kei­ne Auf­ga­ben di­rekt an die Kom­mu­nen über­tra­gen.
Die Auf­ga­be der Kin­der- und Ju­gend­hil­fe ist in Meck­len­burg-Vor­pom­mern mit dem Lan­des­ju­gend­hil­fe­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­setz Meck­len­burg-Vor­pom­mern be­reits seit vie­len Jah­ren den kreis­frei­en Städ­ten und Land­krei­sen als öf­fent­li­che Trä­ger der Ju­gend­hil­fe zu­ge­wie­sen, nach­dem mit dem 8. So­zi­al­ge­setz­buch die­se Ver­ant­wor­tung den Län­dern zu­ge­ord­net ist. Da auch das Land Meck­len­burg-Vor­pom­mern im Bun­des­rat dem KJSG zu­ge­stimmt hat, ist auch dem Land klar, dass auf die Trä­ger der Ju­gend­hil­fe zu­sätz­li­che Auf­ga­ben zu­kom­men.

Das Land Meck­len­burg-Vor­pom­mern hat, an­ders als an­de­re Bun­des­län­der, je­doch kein Aus­füh­rungs­ge­setz zum KJSG er­las­sen. Kein Lan­des­ge­setz be­deu­tet auch kein Geld für die Kom­mu­nen. Des­halb zie­hen mit Schwe­rin und Ros­tock die bei­den kreis­frei­en Städ­te vor das Lan­des­ver­fas­sungs­ge­richt in Greifs­wald. Denn die Kos­ten für die Um­set­zung des neu­en Kin­der- und Ju­gend­stär­kungs­ge­set­zes ge­hen in die Mil­lio­nen: „Wir rech­nen mit 8,8 Mio. Eu­ro zu­sätz­lich pro Jahr für das Per­so­nal und die Qua­li­fi­zie­rung so­wie die Um­set­zung der er­wei­ter­ten Auf­ga­ben und qua­li­ta­ti­ven Stan­dard­er­hö­hun­gen“, so Schwe­rins Ober­bür­ger­meis­ter Ri­co Ba­den­schier, „Die Kom­mu­nen sind bei der Um­set­zung des KJSG fi­nan­zi­ell un­zu­rei­chend aus­ge­stat­tet. An­de­re Bun­des­län­der – z.B. Schles­wig-Hol­stein – ha­ben der kom­mu­na­len Ebe­ne fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung zu­ge­sagt. MV hat dies nicht ge­tan.

„Wir sind der Auf­fas­sung, dass der Lan­des­ge­setz­ge­ber in die­sem Zu­sam­men­hang ei­ne Re­ge­lung für den fi­nan­zi­el­len Aus­gleich hät­te schaf­fen müs­sen. Müss­ten wir die er­heb­li­chen Mehr­aus­ga­ben statt­des­sen al­lei­ne schul­tern, wür­de die­ses Geld an an­de­rer Stel­le für an­de­re wich­ti­ge Auf­ga­ben feh­len“, be­fürch­tet Ros­tocks Ober­bür­ger­meis­te­rin Eva-Ma­ria Krö­ger.

Das kom­mu­nal­ver­fas­sungs­recht­lich ge­si­cher­te strik­te Kon­ne­xi­täts­prin­zip be­sagt, dass das Land für den Fall ei­ner Auf­ga­ben­über­tra­gung an die Kom­mu­ne, die zu ei­ner Mehr­be­las­tung führt, ei­ne Re­ge­lung zu ei­nem fi­nan­zi­el­len Aus­gleich schaf­fen muss . So kön­nen die kreis­frei­en Städ­te und Land­krei­se zwar durch Ge­setz zur Er­fül­lung be­stimm­ter Auf­ga­ben durch das Land ver­pflich­tet wer­den, aber nur, wenn da­bei gleich­zei­tig Be­stim­mun­gen über die De­ckung der Kos­ten ge­trof­fen wer­den. Dies gilt nach Auf­fas­sung der kreis­frei­en Städ­te auch für bun­des­recht­li­che Än­de­run­gen und Stan­dard­er­hö­hun­gen, de­ren Auf­ga­ben­er­fül­lung lan­des­recht­lich be­reits der kom­mu­na­len Ebe­ne zu­ge­wie­sen ist.

Ros­tocks Se­na­tor für Ju­gend, So­zia­les, Ge­sund­heit und Schu­le Stef­fen Bock­hahn er­gänzt: „Das Land darf sich nicht sei­ner Auf­ga­be ent­zie­hen. Wenn es das tut, dann auf dem Rü­cken der Kin­der und Ju­gend­li­chen!“

Die Lan­des­re­gie­rung sieht sich hier je­doch nicht in der Pflicht, da die Än­de­run­gen im Kin­der- und Ju­gend­hil­fe­recht durch den Bun­des­ge­setz­ge­ber er­folg­ten. Ei­ne ge­son­der­te Auf­ga­ben­über­tra­gung auf Lan­des­ebe­ne gibt es nicht. Und da­mit kom­men aus Lan­des­sicht auch das Kon­ne­xi­täts­prin­zip und da­mit die Fi­nan­zie­rungs­ver­pflich­tung nicht zum Tra­gen.

zu­gleich ist Kom­mu­nal­ver­fas­sungs­be­schwer­de beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt er­ho­ben wor­den. Streit­ge­gen­stand hier ist die Fra­ge, ob mit den bun­des­ge­setz­li­chen Än­de­run­gen in der Kin­der- und Ju­gend­hil­fe ein Ver­stoß ge­gen das Auf­ga­ben­über­tra­gungs­ver­bot des Bun­des an die kom­mu­na­le Ebe­ne ver­bun­den ist. Ei­ne Ent­schei­dung ist nach An­ga­ben des Lan­des­ver­fas­sungs­ge­rich­tes am Don­ners­tag noch nicht zu er­war­ten. Hier­zu wird ein ge­son­der­ter Ver­kün­di­gungs­ter­min be­kannt­ge­ge­ben.