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Na­vi­ga­ti­on

"...und er dreht sich doch!" - Er­folg­rei­che Ret­tungs­ak­ti­on des Die­sel­mo­tors HD III an Bord des MS DRES­DEN in Ros­tock

Mel­dung vom 05.09.2024 - Bil­dung und Wis­sen­schaft / Wirt­schaft und Ver­kehr / Um­welt und Ge­sell­schaft / Kul­tur, Frei­zeit, Sport

Ein gro­ß­ar­ti­ges Ret­tungs­pro­jekt wur­de heu­te von der eh­ren­amt­li­chen Ma­schi­nen-Crew an die Mu­se­ums­lei­tung des Tra­di­ti­ons­schif­fes MS DRES­DEN im IGA Park über­ge­ben. Nach 54 Jah­ren Still­stand wur­den zwei der Hilfs­die­sel­mo­to­ren an Bord des Tra­di­ti­ons­schif­fes vor dem un­wie­der­bring­li­chen Ver­lust ge­ret­tet. Von Sep­tem­ber 2019 bis heu­te wur­den rund 14.000 Ar­beits­stun­den von der eh­ren­amt­li­chen Hilfs­die­sel-Crew an Bord ge­leis­tet. Dank der Ein­satz­be­reit­schaft die­ser hoch­spe­zia­li­sier­ten Tech­ni­ker, die auch als Zeit­zeu­gen über jah­re­lan­ge Er­fah­rung an Bord ver­fü­gen, und der Mög­lich­keit, feh­len­de Ori­gi­nal­tei­le zu be­schaf­fen, konn­ten zwei der letz­ten Mo­to­ren die­ses Typs im Ma­schi­nen­raum des Schif­fes re­stau­riert und ei­ner da­von wie­der zur Zün­dung ge­bracht wer­den.

Dr. Kath­rin Möl­ler, Mu­se­ums­lei­te­rin des Schiff­fahrts­mu­se­um Ros­tock, da­zu: "Mit der Re­vi­ta­li­sie­rung des Ma­schi­nen­raums auf Deutsch­lands grö­ß­tem Mu­se­ums­schiff wird ein wich­ti­ger Bei­trag zum Er­halt ma­ri­ti­men tech­ni­schen Kul­tur­gu­tes ge­leis­tet. Wir dan­ken al­len Hel­fern, Un­ter­stüt­zern und Spon­so­ren, oh­ne die die­ses Pro­jekt nicht mög­lich ge­we­sen wä­re. Es war uns sehr wich­tig, den his­to­ri­schen Zu­stand op­tisch kor­rekt dar­zu­stel­len und die al­te Tech­nik durch ih­re Wie­der­ing­ang­set­zung zu er­hal­ten. Das Mu­se­ums­schiff MS DRES­DEN ist nun um ei­ne At­trak­ti­on rei­cher."
Im ori­gi­na­len Ma­schi­nen­raum des Tra­di­ti­ons­schif­fes sind al­le vier Haupt­ma­schi­nen so­wie die drei Hilfs­mo­to­ren (Die­sel­mo­to­ren 6 NVD 36 Se­rie 0) im Ori­gi­nal er­hal­ten. Bei die­sen Mo­to­ren han­delt es sich um die ers­ten Schiffs­die­sel­mo­to­ren, die 1950 im VEB Schwer­ma­schi­nen­bau Karl Lieb­knecht ge­baut wur­den und u.a. an Bord von Typ IV-Schif­fen zur Strom­erzeu­gung ein­ge­setzt wur­den.

Nach mehr als 50 Jah­ren Still­stand droh­te der schlei­chen­de Ver­fall der Mo­to­ren, die sich in ei­nem de­so­la­ten Zu­stand be­fan­den und drin­gend re­stau­riert wer­den muss­ten. Es han­delt sich um die letz­ten Mo­to­ren die­ses Typs auf ei­nem Schiff und da­mit um ein ein­zig­ar­ti­ges Zeug­nis der tech­nisch-ma­ri­ti­men Kul­tur der 1950er Jah­re in Ost­deutsch­land.
Im Sep­tem­ber 2019 wur­de der Kur­bel­wel­len­raum des Hilfs­die­sel­mo­tors "HD III" erst­mals wie­der ge­öff­net. Al­le Mo­tor­tei­le wa­ren durch jahr­zehn­te­lan­ges Ein­drin­gen von Re­gen­was­ser stark ver­ros­tet, teil­wei­se schon un­brauch­bar und wich­ti­ge Tei­le fehl­ten be­reits. Vie­le spe­zi­el­le Mo­to­ren­tei­le, Ar­ma­tu­ren, Rohr­lei­tun­gen, Ven­ti­le und Pum­pen muss­ten be­schafft bzw. an­ge­fer­tigt und fach­ge­recht in die Be­triebs­sys­te­me ein­ge­baut wer­den.

Die Be­triebs­sys­te­me sind nun voll­stän­dig in­stal­liert, so dass der his­to­ri­sche Start­ver­such durch­ge­führt wer­den konn­te. Da­zu hat die Har­zer Wer­ke Mo­to­ren­tech­nik GmbH aus Qued­lin­burg neue Zy­lin­der­lauf­buch­sen nach den ori­gi­na­len tech­ni­schen Un­ter­la­gen ge­fer­tigt und an Bord ge­lie­fert. Die Rolls-Roy­ce Grup­pe lie­fer­te al­le Ori­gi­nal­bau­tei­le für die Zy­lin­der­köp­fe. Die Fir­ma Sch­lie Hy­drau­lik-Ser­vice GmbH aus Ros­tock fer­tig­te mit mo­derns­ten Ver­fah­ren neue La­ger­scha­len für die Pleu­el­la­ger. Die Kau­ta­sit Gum­mi­tech­nik GmbH lie­fer­te die er­for­der­li­chen Dich­tungs­ma­te­ria­li­en.

Mit Hil­fe der Fir­ma Klos­ka Tech­nik GmbH wur­den die Zy­lin­der­köp­fe so­wie die Brenn­stoff­ein­spritz­pum­pen über­holt und die Hoch­schu­le Be­reich See­fahrt Wis­mar/ War­ne­mün­de über­hol­te die Ein­spritz­dü­sen auf ei­nem Spe­zi­al­prüf­stand. Vie­le wei­te­re spe­zi­el­le Mo­to­ren­tei­le, Ar­ma­tu­ren, Rohr­lei­tun­gen, Ven­ti­le und Pum­pen wur­den be­schafft oder an­ge­fer­tigt und fach­män­nisch in die Be­triebs­sys­te­me ein­ge­baut. Die Fach­fir­ma Tank­an­la­gen­ser­vice und Me­tall­bau Kan­nen­berg GmbH half mit ei­nem neu­en, si­che­ren Brenn­stoff­tank. Die­sel­kraft­stoff und Mo­to­ren­schmier­öl für die In­be­trieb­nah­me lie­fer­te die KNG Kraft­werks- und Netz­werk­ge­sell­schaft Ros­tock.

Ge­mein­sam mit den eh­ren­amt­li­chen Hel­fern konn­ten ca. 75.000 Eu­ro aus Fund­rai­sing-Pro­jek­ten, der Deut­schen Stif­ter­ge­mein­schaft, pri­va­ten Spen­dern, ma­ri­ti­men Un­ter­neh­men und Ver­bän­den so­wie aus dem Stra­te­gie­fond des Lan­des Meck­len­burg-Vor­pom­mern ein­ge­wor­ben wer­den. Dar­über hin­aus wur­den durch die Eh­ren­amt­ler im Wert von ca. 85.000 Eu­ro vie­le spe­zi­el­le Mo­to­ren­tei­le, Hilfs- und Be­triebs­mit­tel ein­ge­wor­ben und pro­jekt­be­zo­gen ver­wen­det.

Ulf von Rah­den, eh­ren­amt­lich pro­jekt­be­treu­en­der Dipl.-Schiffs­in­ge­nieur, sagt heu­te stell­ver­tre­tend für die eh­ren­amt­li­che Ma­schi­nen-Crew: "Das Ziel, den Dorn­rös­chen­schlaf im Ma­schi­nen­raum durch au­then­ti­sche Ge­räu­sche und Ge­rü­che zu be­en­den, ist er­reicht! Al­le Mo­to­ren­tei­le sind nun durch die Schmieröl­ver­sor­gung wie­der dreh­bar und durch die­se gleich­zei­ti­ge Kon­ser­vie­rung ist der Die­sel­mo­tor als tech­ni­sches Denk­mal ge­ret­tet."

Das Mu­se­ums­schiff MS DRES­DEN
Die le­gen­dä­ren Schif­fe des Typs IV wa­ren als ehe­ma­li­ge Hoch­see­frach­ter mit ei­ner La­de­ka­pa­zi­tät von 10.000 Ton­nen die grö­ß­ten Fracht­schif­fe der DDR. Das Tra­di­ti­ons­schiff, die ehe­ma­li­ge DRES­DEN, ist das ein­zi­ge von ins­ge­samt 15 bau­glei­chen Schif­fen (12 da­von fuh­ren für die DDR), das er­hal­ten ge­blie­ben ist. Das Schiff wur­de in un­mit­tel­ba­rer Nä­he des heu­ti­gen Lie­ge­plat­zes auf der War­now Werft Ros­tock ge­baut und 1958 in Dienst ge­stellt. Die­ser Stahl­gi­gant be­fuhr elf Jah­re lang al­le Welt­mee­re und trans­por­tier­te Zu­cker, Om­ni­bus­se, Er­ze, Ge­trei­de, Schlacht­tie­re und so­gar Ele­fan­ten. Seit 1970 liegt die MS DRES­DEN als Zeit­zeu­ge im IGA Park di­rekt ge­gen­über dem Ros­to­cker Über­see­ha­fen und be­her­bergt ma­ri­ti­me Aus­stel­lungs­ob­jek­te rund um die See­fahrts­ge­schich­te.

Die Die­sel­mo­to­ren 6 NVD 36/0
Der Die­sel­mo­tor 6 NVD 36/0 ist ei­ne Wei­ter­ent­wick­lung des be­währ­ten Grund­typs aus der Die­sel­mo­to­ren­bau­rei­he der Ma­schi­nen­fa­brik Buckau R. Wolf AG (ab 1954 VEB Schwer­ma­schi­nen­bau 'Karl Lieb­knecht'). Der Mo­tor wur­de spe­zi­ell für den Dau­er­be­trieb un­ter här­tes­ten Ein­satz­be­din­gun­gen, wie z.B. im Schiffs­be­trieb, ent­wi­ckelt.
In den 1950er Jah­ren wur­den die­se Mo­to­ren auf klei­ne­ren See­schif­fen als Haupt­an­trieb ein­ge­setzt. Auf grö­ße­ren See­schif­fen dien­ten sie da­ge­gen als Die­sel­ge­ne­ra­to­ren. Dort si­cher­ten sie, meist in Kopp­lung mit Gleich­strom­ge­ne­ra­to­ren, die Strom­ver­sor­gung für den ge­sam­ten elek­tri­schen Bord­be­trieb: von den Na­vi­ga­ti­ons­ein­rich­tun­gen über die La­de- und Lösch­ein­rich­tun­gen und die Kom­bü­se bis hin zur Ru­der­an­la­ge.

Die Strom­ver­sor­gung auf den Schif­fen des Typs IV, zu de­nen auch die MS DRES­DEN ge­hört, er­folg­te durch drei Die­sel­ge­ne­ra­to­ren: die Hilfs­die­sel I, II und III vom Typ 6 NVD 36/0, Bau­jahr 1957, mit je­weils 300 PS Nenn­leis­tung. Die­se drei Die­sel­ge­ne­ra­to­ren be­fin­den sich noch heu­te im Ori­gi­nal­zu­stand an Bord des Mu­se­ums­schif­fes. Sie sind da­mit die letz­ten Mo­to­ren die­ser Bau­art in ei­nem Schiffs­ma­schi­nen­raum.

Das Tra­di­ti­ons­schiff MS DRES­DEN liegt als Schiff­fahrts­mu­se­um Ros­tock am Ufer der War­now ist di­rekt am IGA Park an­ge­dockt. Der mit 10.000 Ton­nen fast voll­stän­dig er­hal­ten­de ori­gi­na­le Hoch­see­frach­ter bie­tet mul­ti­me­dia­le Ein­bli­cke in die re­gio­na­le Schiff­bau- und See­fahrts­ge­schich­te. Ein wei­te­res High­light ist die His­to­ri­sche Boots­werft, wo tra­di­tio­nel­le Hand­werks­tech­ni­ken den Holz­schiff­bau er­leb­bar ma­chen. Der IGA Park ist die grü­ne Er­leb­nis­oa­se im Nord­wes­ten der Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt Ros­tock und bie­tet mit Kon­zert­wie­se, Spiel­plät­zen und Was­ser­sport­an­la­ge at­trak­ti­ve Frei­zeit­an­ge­bo­te für die gan­ze Fa­mi­lie. Na­tur­lieb­ha­ber ent­de­cken ei­ne be­ein­dru­cken­de Pflan­zen- und Tier­welt, die auch Kin­dern und Ju­gend­li­chen im Rah­men der Um­welt­bil­dungs­an­ge­bo­te des Parks nä­her­ge­bracht wird.


Öff­nungs­zei­ten Schiff­fahrts­mu­se­um:
je­weils Diens­tag bis Sonn­tag im März: 10:00 - 16:00 Uhr I April bis Ok­to­ber: 10:00 - 18:00 Uhr

Öff­nungs­zei­ten IGA Park:
täg­lich von No­vem­ber bis März: 8:00-17:00 Uhr I April bis Ok­to­ber: 8:00-22:00 Uhr