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Na­vi­ga­ti­on

Eh­ren­amt­li­ches Rich­ter­amt beim So­zi­al­ge­richt über­neh­men

Die Mit­wir­kung eh­ren­amt­li­cher Rich­ter an der Recht­spre­chung ist ein we­sent­li­ches Ele­ment deut­scher Ge­richts­bar­keit. Ihr kommt als prak­ti­sche Um­set­zung des De­mo­kra­tie­prin­zips gro­ße Be­deu­tung zu. Die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter sol­len die in ih­rem täg­li­chen, be­ruf­li­chen und so­zia­len Um­feld ge­won­ne­nen Er­fah­run­gen, Kennt­nis­se und Wer­tun­gen in die Ver­hand­lun­gen und die ge­mein­sa­me Be­ra­tung ein­brin­gen und da­mit die stär­ker ju­ris­tisch ge­präg­te Sicht­wei­se der Be­rufs­rich­ter sinn­voll er­gän­zen.

Die So­zi­al­ge­richts­bar­keit weist ei­nen drei­stu­fi­gen Rechts­zug auf. Ein­gangs­ge­rich­te sind die So­zi­al­ge­rich­te, von de­nen das Meck­len­burg-Vor­pom­mern ins­ge­samt vier (in Schwe­rin, Ros­tock , Stral­sund und Neu­bran­den­burg) er­rich­tet hat. Als zwei­te In­stanz exis­tiert in je­dem Bun­des­land ein Lan­des­so­zi­al­ge­richt (in Meck­len­burg-Vor­pom­mern mit Sitz in Neu­bran­den­burg), das über Be­ru­fun­gen ge­gen Ur­tei­le und über Be­schwer­den ge­gen an­de­re Ent­schei­dun­gen der So­zi­al­ge­rich­te ent­schei­det. Auf Bun­des­ebe­ne ist das Bun­des­so­zi­al­ge­richt mit Sitz in Kas­sel er­rich­tet wor­den.

Die Zu­stän­dig­keit der So­zi­al­ge­richts­bar­keit er­streckt sich un­ter an­de­rem auf öf­fent­lich-recht­li­che Strei­tig­kei­ten in An­ge­le­gen­hei­ten der So­zi­al­ver­si­che­rung, der Ar­beits­för­de­rung, der Grund­si­che­rung für Ar­beit Su­chen­de, des so­zia­len Ent­schä­di­gungs­rechts, der So­zi­al­hil­fe, des Schwer­be­hin­der­ten­rechts, des Lohn­fort­zah­lungs­ge­set­zes, des Sol­da­ten­ver­sor­gungs­ge­set­zes und des Zi­vil­dienst­ge­set­zes, des Impf­scha­dens­ge­set­zes, des Op­fer­ent­schä­di­gungs­ge­set­zes und des Bun­des­er­zie­hungs­geld­ge­set­zes. In An­ge­le­gen­hei­ten der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung so­wie der so­zia­len und der pri­va­ten Pfle­ge­ver­si­che­rung ent­schei­den die So­zi­al­ge­rich­te dar­über hin­aus auch über pri­vat­recht­li­che Strei­tig­kei­ten.

Je­de Kam­mer des So­zi­al­ge­richts ent­schei­det in der Be­set­zung von ei­nem Be­rufs­rich­ter und zwei eh­ren­amt­li­chen Rich­tern. Bei Be­schlüs­sen au­ßer­halb der münd­li­chen Ver­hand­lung und bei Ge­richts­be­schei­den wir­ken die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter nicht mit. Die Ent­schei­dun­gen des Lan­des­so­zi­al­ge­richts wer­den durch Se­na­te ge­trof­fen, die je­weils mit ei­nem Be­rufs­rich­ter als Vor­sit­zen­den und zwei wei­te­ren Be­rufs­rich­tern so­wie mit zwei eh­ren­amt­li­chen Rich­tern be­setzt sind. In die­ser Wei­se sind auch die Se­na­te beim Bun­des­so­zi­al­ge­richt be­setzt.

Bei der Be­set­zung der Kam­mern und Se­na­te mit eh­ren­amt­li­chen Rich­tern ist Fol­gen­des zu be­ach­ten:

  • In den Spruch­kör­pern für An­ge­le­gen­hei­ten der So­zi­al­ver­si­che­rung und der Ar­beits­för­de­rung ge­hört je ein eh­ren­amt­li­cher Rich­ter dem Kreis der Ver­si­cher­ten und der Ar­beit­ge­ber an.
  • In den Spruch­kör­pern für An­ge­le­gen­hei­ten der Grund­si­che­rung für Ar­beit Su­chen­de wir­ken eh­ren­amt­li­che Rich­ter aus den Vor­schlags­lis­ten der Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber mit.
  • Die Spruch­kör­per für An­ge­le­gen­hei­ten der So­zi­al­hil­fe und des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes sind mit eh­ren­amt­li­chen Rich­tern aus den Vor­schlags­lis­ten der Krei­se und der kreis­frei­en Städ­te zu be­set­zen.
  • In den Spruch­kör­pern für An­ge­le­gen­hei­ten des so­zia­len Ent­schä­di­gungs­rechts und des Schwer­be­hin­der­ten­rechts wir­ken je ein eh­ren­amt­li­cher Rich­ter aus dem Kreis der mit dem so­zia­len Ent­schä­di­gungs­recht oder dem Recht der Teil­ha­be be­hin­der­ter Men­schen ver­trau­ten Per­so­nen und dem Kreis der Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten der be­hin­der­ten Men­schen im Sin­ne des SGB IX und der Ver­si­cher­ten mit.
  • Die Spruch­kör­per für An­ge­le­gen­hei­ten des Ver­trags­arzt­rechts sind mit ei­nem eh­ren­amt­li­chen Rich­ter aus den Krei­sen der Kran­ken­kas­sen und ei­nem wei­te­ren eh­ren­amt­li­chen Rich­ter aus den Krei­sen der Ver­trags­ärz­te, Ver­trags­zahn­ärz­te und Psy­cho­the­ra­peu­ten zu be­set­zen. In An­ge­le­gen­hei­ten der Ver­trags­ärz­te, Ver­trags­zahn­ärz­te und Psy­cho­the­ra­peu­ten wir­ken als eh­ren­amt­li­che Rich­ter nur Ver­trags­ärz­te, Ver­trags­zahn­ärz­te und Psy­cho­the­ra­peu­ten mit.
  • Ar­ti­kel 97 Abs. 1 Grund­ge­setz (GG)
  • § 9 So­zi­al­ge­richts­ge­setz (SGG)
  • §§ 12 ff So­zi­al­ge­richts­ge­setz (SGG)
  • § 30 So­zi­al­ge­richts­ge­setz (SGG)
  • § 33 So­zi­al­ge­richts­ge­setz (SGG)
  • § 35 So­zi­al­ge­richts­ge­setz (SGG)
  • § 38 So­zi­al­ge­richts­ge­setz (SGG)
  • § 40 So­zi­al­ge­richts­ge­setz (SGG)
  • §§ 45 ff So­zi­al­ge­richts­ge­setz (SGG)
  • § 44 ff Deut­sches Rich­ter­ge­setz (DRiG)
  • § 10 Lan­des­rich­ter­ge­setz Meck­len­burg-Vor­pom­mern (LRiG)
  • §§ 5 bis 7 JVEG
  • §§ 15 bis 18 JVEG

Der eh­ren­amt­li­che Rich­ter bei ei­nem So­zi­al­ge­richt muss

  • Deut­scher sein und
  • das 25. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben.

Für die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter beim Lan­des­so­zi­al­ge­richt ist die Voll­endung des 30. Le­bens­jah­res und für die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter beim Bun­des­so­zi­al­ge­richt die Voll­endung des 35. Le­bens­jah­res vor­ge­schrie­ben. An das Lan­des­so­zi­al­ge­richt oder das Bun­des­so­zi­al­ge­richt soll zu­dem nur be­ru­fen wer­den, wer zu­vor min­des­tens fünf Jah­re als eh­ren­amt­li­cher Rich­ter an ei­nem im Rechts­zug nach­ge­ord­ne­ten Ge­richt tä­tig ge­we­sen ist.

HIN­WEIS: Die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter sol­len im Be­zirk des So­zi­al­ge­richts (Lan­des­so­zi­al­ge­richts) woh­nen oder ih­ren Be­triebs­sitz ha­ben oder be­schäf­tigt sein.

Die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter müs­sen je nach Sach­ge­biet, in dem sie tä­tig sein sol­len, be­stimm­ten Per­so­nen­grup­pen an­ge­hö­ren. So­weit da­bei auf die Zu­ge­hö­rig­keit zum Kreis der Ver­si­cher­ten ei­ner­seits und der Ar­beit­ge­ber an­de­rer­seits ab­ge­stellt wird, gilt Fol­gen­des:

Der Be­griff "Ver­si­cher­ter" ist weit aus­zu­le­gen. Er um­fasst nicht nur die­je­ni­gen Per­so­nen, die auf­grund ei­ner Pflicht­ver­si­che­rung oder ei­ner Selbst­ver­si­che­rung ei­nem Zweig der So­zi­al­ver­si­che­rung an­ge­hö­ren, son­dern al­le, die im Hin­blick auf ih­re Stel­lung im Ar­beits- und Wirt­schafts­le­ben po­ten­zi­ell zum Kreis der So­zi­al­ver­si­cher­ten zäh­len. Ver­si­cher­ter ist des­halb auch, wer ar­beits­los ist oder nach dem Aus­schei­den aus dem Ar­beits­le­ben ei­ne Ren­te aus ei­ge­ner Ver­si­che­rung be­zieht.

Eh­ren­amt­li­che Rich­ter aus dem Kreis der Ar­beit­ge­ber kön­nen sein:

  • Per­so­nen, die re­gel­mä­ßig min­des­tens ei­nen ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Ar­beit­neh­mer be­schäf­ti­gen
  • bei Be­trie­ben ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son oder Per­so­nen­ge­mein­schaft: Per­so­nen, die kraft Ge­set­zes, Sat­zung oder Ge­sell­schafts­ver­trag al­lein oder als Mit­glie­der des Ver­tre­tungs­or­gans zur Ver­tre­tung der ju­ris­ti­schen Per­son oder Per­so­nen­ge­mein­schaft be­ru­fen sind
  • Be­am­te und An­ge­stell­te des Bun­des nach nä­he­rer An­ord­nung der zu­stän­di­gen obers­ten Bun­des­be­hör­de
  • Be­am­te und An­ge­stell­te der Län­der, der Ge­mein­den und der Ge­mein­de­ver­bän­de nach nä­he­rer An­ord­nung der zu­stän­di­gen obers­ten Lan­des­be­hör­de
  • Per­so­nen, de­nen Pro­ku­ra oder Ge­ne­ral­voll­macht er­teilt ist so­wie lei­ten­de An­ge­stell­te
  • Mit­glie­der und An­ge­stell­te von Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Vor­stands­mit­glie­der und An­ge­stell­te von Zu­sam­men­schlüs­sen sol­cher Ver­ei­ni­gun­gen, wenn die­se Per­so­nen kraft Sat­zung oder Voll­macht zur Ver­tre­tung be­fugt sind

HIN­WEIS: Wer die Vor­aus­set­zung zur Be­ru­fung als eh­ren­amt­li­cher Rich­ter aus dem Kreis der Ar­beit­ge­ber er­füllt, kann nur eh­ren­amt­li­cher Rich­ter aus die­sem Kreis sein, auch wenn er zu­gleich Ver­si­cher­ter sein soll­te.

Eh­ren­amt­li­cher Rich­ter kann nicht sein, wer

  • in­fol­ge Rich­ter­spruchs die Fä­hig­keit zur Be­klei­dung öf­fent­li­cher Äm­ter nicht be­sitzt oder we­gen ei­ner vor­sätz­li­chen Tat zu ei­ner Frei­heits­stra­fe von mehr als sechs Mo­na­ten ver­ur­teilt wor­den ist,
  • we­gen ei­ner Tat an­ge­klagt ist, die den Ver­lust der Fä­hig­keit zur Be­klei­dung öf­fent­li­cher Äm­ter zur Fol­ge ha­ben kann,
  • das Wahl­recht zum Deut­schen Bun­des­tag nicht be­sitzt.

Die Be­ru­fung er­folgt auf­grund von Vor­schlags­lis­ten, die je nach­dem, für wel­che Spruch­kör­per eh­ren­amt­li­che Rich­ter zu be­ru­fen sind, von un­ter­schied­li­chen Ein­rich­tun­gen er­stellt wer­den (vgl. hier­zu be­reits die Aus­füh­run­gen zur Be­set­zung der Spruch­kör­per).

Die Amts­pe­ri­ode be­trägt fünf Jah­re. Ei­ne wie­der­hol­te Be­ru­fung ist zu­läs­sig und in der Pra­xis die Re­gel.

Eh­ren­amt­li­che Rich­ter sind, wie die Be­rufs­rich­ter, nur dem Ge­setz un­ter­wor­fen. Sie un­ter­lie­gen bei der Rechts­fin­dung kei­nen Auf­trä­gen oder Wei­sun­gen und sind zu ab­so­lu­ter Neu­tra­li­tät ver­pflich­tet. In der münd­li­chen Ver­hand­lung und in der Ur­teils­fin­dung ha­ben sie die glei­chen Rech­te und die glei­che Ver­ant­wor­tung wie die Be­rufs­rich­ter.

Der eh­ren­amt­li­che Rich­ter ist grund­sätz­lich zur Über­nah­me des Am­tes ver­pflich­tet.

Die Über­nah­me des Am­tes als eh­ren­amt­li­cher Rich­ter kann ab­leh­nen, wer

  • das 65. Le­bens­jahr voll­endet hat,
  • in den zehn der Be­ru­fung vor­her­ge­hen­den Jah­ren als eh­ren­amt­li­cher Rich­ter bei ei­nem Ge­richt der So­zi­al­ge­richts­bar­keit tä­tig ge­we­sen ist,
  • durch eh­ren­amt­li­che Tä­tig­keit für die All­ge­mein­heit so in An­spruch ge­nom­men ist, dass ihm die Über­nah­me des Am­tes nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann,
  • durch Krank­heit oder Ge­bre­chen ver­hin­dert ist, das Amt ord­nungs­ge­mäß aus­zu­üben,
  • glaub­haft macht, dass wich­ti­ge Grün­de ihm die Aus­übung des Am­tes in be­son­de­rem Ma­ße er­schwe­ren.

HIN­WEIS: Per­so­nen, die in Ver­mö­gens­ver­fall ge­ra­ten sind, sol­len nicht zu eh­ren­amt­li­chen Rich­tern be­ru­fen wer­den. Zwecks Wah­rung der Neu­tra­li­tät und Un­par­tei­lich­keit des Ge­richts und zur Ver­mei­dung von In­ter­es­sen­kol­li­sio­nen dür­fen auch Vor­stands­mit­glie­der von Trä­gern und Ver­bän­den der So­zi­al­ver­si­che­rung, der Kas­sen­ärzt­li­chen (Kas­sen­zahn­ärzt­li­chen) Ver­ei­ni­gun­gen und der Bun­des­agen­tur für Ar­beit al­len­falls in den Spruch­kör­pern für An­ge­le­gen­hei­ten des Ver­trags­arzt­rechts eh­ren­amt­li­che Rich­ter sein. Die Be­diens­te­ten der So­zi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger, der Kas­sen­ärzt­li­chen (Kas­sen­zahn­ärzt­li­chen) Ver­ei­ni­gun­gen und der Bun­des­agen­tur für Ar­beit kön­nen nicht eh­ren­amt­li­che Rich­ter in Spruch­kör­pern sein, die über Strei­tig­kei­ten aus ih­rem Ar­beits­ge­biet ent­schei­den.

Die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter er­hal­ten für ih­re Tä­tig­keit ei­ne Ent­schä­di­gung nach dem Jus­tiz­ver­gü­tungs- und -ent­schä­di­gungs­ge­setz (JVEG). Die­se um­fasst

  • Fahrt­kos­ten­er­satz,
  • Ent­schä­di­gung für Auf­wand,
  • Er­satz für sons­ti­ge Auf­wen­dun­gen,
  • Ent­schä­di­gung für Zeit­ver­säum­nis,
  • Ent­schä­di­gung für Nach­tei­le bei der Haus­halts­füh­rung so­wie
  • Ent­schä­di­gung für Ver­dienst­aus­fall.

TIPP: Aus­führ­li­che In­for­ma­tio­nen zur Be­ru­fung und zur Rechts­stel­lung als eh­ren­amt­li­cher Rich­ter an So­zi­al­ge­rich­ten kön­nen Sie dem Leit­fa­den für eh­ren­amt­li­che Rich­ter beim So­zi­al­ge­richt des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums Ba­den-Würt­tem­berg ent­neh­men.