Home
Na­vi­ga­ti­on

Mit „Ma­cho-Sport“ zur Macht­fi­gur

Mel­dung vom 18.03.2024 - Kul­tur, Frei­zeit, Sport

Jun­ge Frau statt al­ter Mann: Ka­tha­ri­na Paul spielt in „Die schmut­zi­gen Hän­de“ am Volks­thea­ter den Kom­mu­nis­ten-Füh­rer Ho­e­de­rer. Das er­öff­net ganz neue Per­spek­ti­ven.

„Ja – und?“ Ka­tha­ri­na Paul blickt un­be­rührt. Es geht um Mord. Eis­kalt wirkt die Schau­spie­le­rin bei Pro­ben zum Schau­spiel „Die schmut­zi­gen Hän­de" am Ros­to­cker Volks­thea­ter, wo sie in die Rol­le des Kom­mu­nis­ten­füh­rers Ho­e­de­rer schlüpft. So hat­te es Au­tor Jean-Paul Sart­re vor­ge­se­hen; in Ros­tock ist es je­doch ei­ne Frau Ho­e­de­rer. Viel­leicht erst­mals in der Thea­ter­welt. Re­gie führt Kr­zysz­tof Min­kow­ski.
„Ja – und?“, wür­de Ka­tha­ri­na Paul sa­gen. Jun­ge Frau statt al­ter Mann – da er­öff­ne ganz neue Per­spek­ti­ven für das Stück, das sich um Macht­spie­le im 2. Welt­krieg rankt. Da geht es um Hu­go (Bas­ti­an Ing­lin), der Ho­e­de­rer ver­fal­len ist. Kein „Va­ter-Sohn-Kon­flikt“ wie bei Sart­re vor 75 Jah­ren, son­dern mit neu­en Chan­cen, fin­det Paul. „Beim Men­schen in Macht­po­si­tio­nen den­ken wir so­fort an den al­ten er­fah­re­nen Mann.“ Doch nicht hier und heu­te! „Mann-Kli­schees“ brau­che es nicht. In der Ros­to­cker In­sze­nie­rung ist das Stück auf den Bal­kan ver­legt, uni­ver­sell an­ge­legt. Das Land sei Ne­ben­sa­che, sagt Min­kow­ski. Das

„Ho­tel Eu­ro­pa“ als Hand­lungs­ort, um­ge­ben von Kriegs­er­eig­nis­sen, könn­te über­all lie­gen.

Um Ho­e­de­rer zu spie­len, ha­be sie sich in­ten­siv vor­be­rei­tet, er­klärt Ka­tha­ri­na Paul. Wie wird man Füh­rer? In pri­va­ten Ge­sprä­chen, et­wa im Ca­fé, stel­le sie sich schon mal vor, ihr Ge­gen­über wer­de von ei­nem Scharf­schüt­zen be­droht. Bit­te? „Ein Ge­dan­ken­ex­pe­ri­ment.“ Das prä­ge ihr Ver­hal­ten. Durch ihr be­son­ne­nes und sou­ve­rä­nes Han­deln kön­ne sie die Per­son schüt­zen. Ler­nen, sich wie ein Kom­mu­nis­ten-Füh­rer zu ver­hal­ten. Bot­schaft: Wer un­be­rührt bleibt, hat die Kon­trol­le über die Si­tua­ti­on. „Je we­ni­ger ich tue, des­to sou­ve­rä­ner bin ich. Die Be­we­gung den an­de­ren im Raum zu über­las­sen, ist ei­ne Macht­ges­te.“
„Bö­ser Bu­be“ sein, dar­um ge­he es. „Ma­cho-Sport“ nennt Paul, dass sie sich in Vor­be­rei­tung der Rol­le mit Klapp­mes­ser-Tricks be­fas­se. Mit At­trap­pe na­tür­lich. Vie­les ha­be sie zur Zeit und Sar­tres Stück über das Rin­gen ei­ner Ge­sell­schaft zwi­schen Kom­mu­nis­mus und kon­ser­va­ti­ven Kräf­ten ge­le­sen, in dem es um die Fra­ge geht: Kann man Er­folg ha­ben, oh­ne sich die Hän­de schmut­zig zu ma­chen – oh­ne, dass vie­le Men­schen ums Le­ben kom­men? Am En­de ist Ho­e­de­rer ge­fan­gen zwi­schen die­sen Kräf­ten und Ver­rat.

Die Ak­tua­li­tät des Stoffs sei frap­pie­rend, fin­det Ka­tha­ri­na Paul. Auch in­ner­halb Eu­ro­pas ge­be es heu­te wie­der to­ta­li­tä­re Be­stre­bun­gen. Sie be­ob­ach­te ei­ne zu­neh­men­de Ra­di­ka­li­sie­rung vie­ler Men­schen. Ge­fahr für Frei- und Gleich­heit.

Ka­tha­ri­na Paul (34) ist seit 2020 fes­tes En­sem­ble-Mit­glied am Ros­to­cker Volks­thea­ter. Sie stu­dier­te Schau­spiel an der Kunst­aka­de­mie Graz, war et­wa in Wien, Bern, Ber­lin oder Stutt­gart en­ga­giert. In Ros­tock spielt die schlan­ke, gro­ß­ge­wach­se­ne Frau ak­tu­ell auch den Me­phis­to in „Ur­faust“. Se­hens­wert.
„Die schmut­zi­gen Hän­de“ nach Jean-Paul Sart­re hat am 6. April 2024 im Gro­ßen Haus des Ros­to­cker Volks­thea­ters Pre­mie­re.