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Erfolgreiche Beendigung der Pilotphase und langfristige Sicherung der Babylotsen im Klinikum Südstadt Rostock

Meldung vom 03.12.2024 - Umwelt und Gesellschaft

"Babylotsen" sollen bundesweit gesetzlich verankert werden

Das Klinikum Südstadt Rostock (KSR) feiert einen bedeutenden Meilenstein: Nach einer erfolgreichen Pilotphase wurde das Projekt "Babylotsen" in Kooperation mit dem Verein CHARISMA e. V. nun in die Regelversorgung überführt. Seit Juli 2022 läuft das erste und bislang einzige Babylotsenprojekt nach Hamburger Vorbild in Mecklenburg-Vorpommern am Klinikum Südstadt Rostock. Die Gesundheitsminister der Länder haben auf ihrer Konferenz vom 12. bis 13. Juni 2024 beschlossen, die Lotsendienste künftig als ein Angebot der Frühen Hilfen in den Geburts- und Kinderkliniken gesetzlich zu verankern und zu finanzieren.

"Das Pilotprojekt mit Vorbildcharakter für ganz MV lief äußerst erfolgreich", betonte Steffen Vollrath, Verwaltungsdirektor des Klinikum Südstadt Rostock. "Wir freuen uns, dass das Kompetenznetzwerk für junge Familien mit Kindern nun in eine langfristige Perspektive überführt werden konnte. Die Entscheidung von Stadt, Klinikum und CHARISMA, das Projekt über das Jahr 2024 fortzuführen, zeigt das gemeinsame Bekenntnis zur dauerhaften und gesicherten Unterstützung der Babylotsen. Mit einem eigenen Arbeitsplatz direkt auf den Geburtsstationen des Klinikums werden die Babylotsinnen auch räumlich eng ins Klinikum eingebunden."

Ein Netzwerk für den optimalen Start ins Leben

Im Rahmen des Unterstützungsangebotes für Schwangere, junge Familien und ihren Nachwuchs stehen in der Universitätsfrauenklinik am Klinikum Südstadt Rostock drei speziell geschulte Babylotsinnen als feste Ansprechpartnerinnen sowie eine Koordinatorin am Klinikum für den optimalen Start ins Leben bereit. Jährlich wird das Programm mithilfe der Bundesstiftung "Frühe Hilfen" und des Bundesfamilienministeriums, von der Hanse- und Universitätsstadt Rostock sowie dem Landkreis Rostock mit knapp 200.000 Euro finanziert.

"Manchmal braucht es gerade in der Anfangszeit Hilfe. Mitunter stellt eine Geburt die Gelegenheit für Eltern dar, ihre Lebensgewohnheiten zu ändern. Genau hier setzen die Babylotsinnen an", verdeutlichte Gesundheitsministerin Stefanie Drese. "Sie können Eltern im Krankenhaus unkompliziert erreichen und gemeinsam mit ihnen einen möglichen Hilfebedarf besprechen und sie in Unterstützungsangebote vermitteln. Gleichzeitig wird das pflegerische und ärztliche Stationspersonal entlastet. Ich freue mich deshalb sehr darüber, dass das Projekt am Klinikum Südstadt fortgeführt wird und die Babylotsinnen direkt auf den Geburtsstationen angesiedelt sind", so Drese.

"Die Unterstützung durch die Babylotsinnen zeigt, wie wichtig es ist, Familien präventiv zu fördern und frühzeitig auf Herausforderungen zu reagieren. Das starke Netzwerk, das wir in den letzten Jahren aufbauen konnten, ist für viele Eltern eine wertvolle Hilfe und erleichtert den Start ins Familienleben erheblich", betonte PD Dr. Dirk Olbertz, Chefarzt der Klinik für Neonatologie am Klinikum Südstadt und Initiator des Projektes am Klinikum Südstadt. "Familien werden in belastenden Situationen nicht nur begleitet, sondern aktiv durch ein Netzwerk aus Hilfsangeboten unterstützt."

Wichtige Aufgabe für die Bundesregierung

Die jüngsten Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) bestätigen die dringende Notwendigkeit, die Finanzierung und Umsetzung von Lotsendiensten gesetzlich zu verankern. Die Ministerinnen und Minister für Gesundheit der Länder haben sich dafür ausgesprochen, Lotsendienste als Angebot der "Frühen Hilfen" zu sichern, damit alle Familien - unabhängig von sozialer oder wirtschaftlicher Lage - in Geburtskliniken die nötige Unterstützung erhalten.

Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger richtete diesbezüglich einen Appell an die Bundesregierung: "Es ist höchste Zeit, die bedeutende Arbeit der Babylotsen bundesweit zu sichern. Der jüngste Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz sollte schnellstmöglich umgesetzt werden. Die Kommunen allein können diese wichtige Aufgabe nicht schultern; die Unterstützung muss auf ein stabiles gesetzliches Fundament gestellt werden."

Belastungen für junge Familien steigen

Ein fachkundiges Netzwerk unter Federführung von CHARISMA e.V., einem Verein für Frauen und Familie in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock und im Landkreis Rostock, sowie die gemeinschaftliche finanzielle Förderung machten den Start des Babylotsenprojekts im Sommer 2022 möglich. Bis Ende Oktober 2024 wurden insgesamt 1.427 Familien vor und nach der Geburt begleitet.
Die Begleitung kann im Einzelfall sehr unterschiedlich aussehen: Das Spektrum reicht dabei von der Klärung formaler Fragen wie Geburtsanmeldung oder Beantragung von Elterngeld über Sorgen und Ängste rund um die Geburt und das Leben mit einem Neugeborenen bis hin zu existenziellen Problemen wie ungeklärtem Aufenthaltsstatus, Wohnungslosigkeit und Gewalt in der Partnerschaft. Dabei liegt die Quote der Erlaubnis der Mütter für die Datenweitergabe an die Babylotsinnen bei 40 Prozent, was eine sehr hohe Zustimmung in diesem Bereich darstellt.

Projektleiterin Marie Hagen von CHARISMA e.V. hob die zunehmenden Herausforderungen für junge Eltern hervor. "Die Rückmeldungen zeigen, dass der Bedarf an Unterstützung für junge Mütter und Väter wächst. Der Übergang zur Elternschaft ist für alle eine sensible Lebensphase, die schnell zu Überlastungssituationen führen kann. Ganz besonders, wenn psychosoziale Belastungen hinzukommen, wie zum Beispiel psychische Erkrankungen, fehlende Integration oder Sprachkenntnisse durch einen Migrationshintergrund sowie besondere Probleme durch eine ungewollte Schwangerschaft, Konflikte in der Partnerschaft oder ein fehlendes soziales Netzwerk. Dies bringt Familien vielfach schnell an ihre Grenzen - und dies zu vermeiden haben wir uns zur Aufgabe gemacht. Die Babylotsinnen sind hier eine wichtige erste Anlaufstelle, und durch den frühzeitigen Kontakt können wir den Familien oft sehr effektiv helfen. Von Anfang an Hürden aus der Welt schaffen, bevor sie größer werden - diese Prävention macht die Arbeit von Babylotsen aus. Es gibt kein Thema, dem wir uns nicht annehmen, wenn es für die Eltern wichtig ist."

Individuelle Hilfe in komplexen Fällen

Der Beratungsbedarf nimmt zu, wie ein Vergleich der Bilanzen von 2023 und 2024 zeigt. 2023 wurden bei 2.197 Geburten mit 2.263 Kindern insgesamt 1.325 Familien und ihre persönliche Situation im Klinikum erfasst. Die Babylotsinnen haben im Vorjahr nach der Auswertung 699 Familien konkret unterstützt.

In diesem Jahr wurden bis zum 31. Oktober 2024 nach Sichtung von 858 Informationsbögen bei 1.740 Geburten mit 1.789 Kindern bereits 703 Familien kontaktiert und zum Teil kurz- oder längerfristig begleitet.
"Einem Großteil kann relativ schnell mit gezielter Beratung geholfen werden. Allerdings nehmen die komplexen Fälle, die einen großen Unterstützungsaufwand und die Einbeziehung vieler Hilfsangebote und Partner aus dem Netzwerk der Frühen Hilfen und anderen sozialen Sicherungssystemen erfordern, zu", so die Chefbabylotsin. "Gerade in derartigen Krisensituationen bedarf es individueller und mehrstufiger Organisation sowie die Einbeziehung vieler multiprofessioneller Netzwerkpartner, um den Familien zur Seite zu stehen und eine positive Entwicklung der Eltern-Kind-Bindung zu fördern. Die Mütter und Väter bleiben in diesem Prozess stets die Experten für ihr Leben. Welche Netzwerkpartner oder Unterstützungsangebote ins Boot geholt werden, entscheiden die Eltern selbst. Wir verstehen uns in dieser Zeit als Brückenbauer. Der Kern unserer Arbeit liegt in der Weitervermittlung in geeignete und passgenaue Hilfen. Die Eltern haben so die Möglichkeit, sich selbstwirksam zu erleben."

PD Dr. Dirk Olbertz hob die Zukunftsaussichten des Projekts hervor: "Mit der zu erwartenden gesetzlichen Verankerung wird es möglich, diesen Service nachhaltig zu sichern und an allen Geburtskliniken im Land auszubauen. Ein präventiver Ansatz wie dieser erspart Familien viele Hürden und schützt die Jüngsten in unserer Gesellschaft - davon sollten möglichst schnell alle Familien in Mecklenburg-Vorpommern profitieren können."

Drei Fallbeispiele: Direkte Hilfe, wo sie gebraucht wird

In der täglichen Arbeit der Babylotsen sind die Herausforderungen vielfältig. Drei konkrete Beispiele aus dem Klinikum Südstadt verdeutlichen, wie die Babylotsen Familien in unterschiedlichen Lebenslagen konkret unterstützen:

Fallbeispiel 1:

Eine frisch aus dem Ausland eingewanderte Mutter lebt in einer Notunterkunft ohne soziales Netzwerk in Deutschland. Nach der Geburt ihres Kindes äußerte sie gegenüber der Babylotsin große Ängste, da sie von häuslicher Gewalt bedroht wurde. Die Babylotsin organisierte eine Unterbringung im Frauenhaus, klärte den Transport und vermittelte eine Hebamme zur Unterstützung im Wochenbett. Sie wurde zudem an Beratungsstellen und das Jugendamt angebunden.

Fallbeispiel 2:

Eine Erstgebärende suchte Hilfe, da sie Probleme mit langjährigem Cannabiskonsum und psychischen Belastungen offenbarte. Sie benötigte Unterstützung bei der Beantragung von Geburtsurkunde und Kindergeld und suchte dringend eine Hebamme. Die Babylotsin stellte den Kontakt zur Schwangerenberatung her und vermittelte die junge Mutter an das Jugendamt und eine Psychotherapeutin.

Fallbeispiel 3:

Eine junge Mutter ohne familiäre Unterstützung und mit einer psychischen Erkrankung wendet sich nach der Geburt ihres Kindes an die Babylotsin. Trotz früher Bemühungen um Hebamme und Eltern-Kind-Angebote fühlte sie sich überfordert und weinte täglich. Sie hat Angst, in eine depressive Episode zu geraten. Die Babylotsin stellte den Kontakt zu einer Mütterpflegerin her, informierte sie über Beratungsstellen und vernetzte sie mit einer Familienbildungsstätte. Zudem wurde sie an eine Psychotherapeutin und an Familienpaten vermittelt, die ihr praktische Entlastung und emotionale Stabilität im Alltag bieten.

So läuft die Arbeit der Babylotsinnen

Schon zur Geburtsanmeldung, spätestens jedoch bei der Aufnahme in den Kreißsaal, befragen Ärztinnen und Ärzte, Hebammen oder Pflegefachkräfte die Familien im Rahmen der Anamnese zu ihrer Lebenssituation und gegebenenfalls zu besonderen Herausforderungen, die das Leben mit sich bringen kann.

Die Ergebnisse dieses Gespräches werden für die Babylotsinnen auf einem Fragebogen festgehalten. Das Ausfüllen des Fragebogens ist freiwillig und zustimmungspflichtig.

Werden besondere Herausforderungen sichtbar, bieten die Babylotsinnen den Familien ein Gespräch auf der Entbindungsstation an. Dabei soll abgeklärt werden, auf welche konkrete Unterstützung die Eltern in ihrem Alltag zurückgreifen können. Bei Bedarf werden weitere Unterstützungsangebote des Netzwerkes der Frühen Hilfen organisiert.

Die Rostocker Babylotsinnen sind Sozial- und Diplompädagoginnen, Sozialarbeiterinnen, Erziehungswissenschaftlerinnen, Kinderschutzfachkräfte und Fachpflegekräfte mit weiteren Zusatzqualifikationen wie Eltern- und Trauerbegleitung, Kinderwunschberatung und Coaching.