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Na­vi­ga­ti­on

Ka­te Diehn-Bitt (1900-1978) – Künst­ler­in­SEIN im Zu­sam­men­spiel mit Su­san­ne Rast

Mel­dung vom 28.01.2025 - Kul­tur, Frei­zeit, Sport

Sehn­sucht nach den Fi­gu­ren

Die Kunst­hal­le Ros­tock zeigt in ei­ner gro­ßen Schau Wer­ke von Ka­te Diehn-Bitt und Su­san­ne Rast

Ein ge­ra­de­zu rausch­haf­tes Fest der Sin­ne, der Far­ben und For­men er­war­tet die Be­su­che­rin­nen und Be­su­cher der Kunst­hal­le Ros­tock. Aus­stel­lungs­ar­chi­tek­to­nisch wur­den al­le Re­gis­ter ge­zo­gen – das Ober­ge­schoss des Mu­se­ums ist kaum wie­der­zu­er­ken­nen, Stell­wän­de struk­tu­rie­ren den Raum als rie­si­ge Fä­cher, öff­nen Ni­schen oder la­den in klei­ne Ka­bi­net­te ein. Die Wän­de dun­kel- und hell­grau – und ein ge­wag­tes leuch­ten­des Rot.

Ge­wid­met ist die­se Aus­stel­lung mit dem Ti­tel „Ka­te Diehn-Bitt, Künst­ler­in­SEIN im Zu­sam­men­spiel mit Su­san­ne Rast“ zwei über­aus star­ken Po­si­tio­nen: Ka­te Diehn-Bitt (1900-1978) und Su­san­ne Rast (ge­bo­ren 1962). Es ist kein Zu­fall, dass ge­ra­de die­se bei­den zu­sam­men zu se­hen sind. Nicht nur dass ih­re Wer­ke har­mo­nie­ren und künst­le­risch kor­re­spon­die­ren, die bei­den kann­ten sich auch per­sön­lich.

„Ka­te Diehn-Bitt war ei­ne be­ein­dru­cken­de Frau“, er­in­nert sich Su­san­ne Rast, die die Ros­to­cker Ma­le­rin schon als Kind ken­nen­lern­te, „mit ih­rer Zi­ga­ret­ten­spit­ze, der tie­fen Stim­me. Und ihr gro­ßer Ka­ter Fe­lix war auch im­mer da­bei.“ Mehr noch fas­zi­nier­ten Su­san­ne Rast die Bil­der der Ma­le­rin, vor al­lem ih­re Por­träts: „Die Bil­der sind so in­ten­siv. Ich spü­re die Sehn­sucht, die Fi­gu­ren wirk­lich zu ver­ste­hen, sie nicht nur ab­zu­bil­den“, sagt Su­san­ne Rast. Ka­te Diehn-Bitt woll­te hin­ter die Fas­sa­den, in die See­len bli­cken. Ei­nes von Rasts Lieb­lings­bil­dern ist das Por­trät „Schwie­ger­mut­ter von Thu­ro Bal­zer“ von 1934. Ein tol­les Ge­mäl­de, aber die dar­ge­stell­te Per­son wirkt et­was ver­knif­fen. Für Su­san­ne Rast ein Bei­spiel für das Zu­sam­men­wir­ken von Fi­gür­lich­keit und Abs­trak­ti­on. Der gan­ze Kör­per wirkt kon­stru­iert, wie zu­sam­men­ge­setzt, die Ar­me un­ge­lenk über­ein­an­der­ge­legt – all dies cha­rak­te­ri­siert die dar­ge­stell­te Per­son.
An die­ser Art der Dar­stel­lung hat auch die Künst­le­rin Su­san­ne Rast ihr Au­ge ge­schult. Über die gan­ze Aus­stel­lung ver­teilt fin­den sich Fi­gu­ren der in Knee­se le­ben­den Bild­haue­rin. Zer­brech­li­che, manch­mal un­si­cher wir­ken­de Ge­stal­ten, vor­sich­tig vor­an­ge­hend oder zau­dernd. „Ba­lan­ce“, so lau­tet ein gro­ßes The­ma von Su­san­ne Rast, vie­le ih­rer Fi­gu­ren sind auf der Su­che nach Rich­tung, Hal­tung, Halt. Zwei ak­tu­el­le Ar­bei­ten aus dem Jahr 2024 zei­gen Fi­gu­ren im Über­gang, bei de­nen ei­ne bi­nä­re ge­schlecht­li­che Zu­schrei­bung nicht mög­lich ist.

Ein mehr als ak­tu­el­les The­ma. Auch Ka­te Diehn-Bitt be­schäf­tig­te sich mit den star­ren Ge­schlech­ter­zu­schrei­bun­gen. Ihr „Selbst­bild­nis als Ma­le­rin“ ist ein Bei­spiel, wie sie Gren­zen ver­wischt. Das Bild zeigt die Künst­le­rin mit auf­ge­krem­pel­ten Hemds­är­meln an der Staf­fe­lei, den Blick ernst und streng auf die Be­trach­ten­den ge­rich­tet, das Haar kurz, Ma­le­rin oder Ma­ler, das ist nicht zu sa­gen.

Der­ar­ti­ge Bil­der miss­fie­len den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten. Ka­te Diehn-Bitt war nach ei­ner Aus­stel­lung in der da­mals be­rühm­ten Ga­le­rie Gur­litt in Ber­lin auf dem Ab­sprung zu ei­ner gro­ßen Kar­rie­re, da de­kla­rier­ten die Na­zis ih­re Bil­der als „ent­ar­tet“. Ka­te Diehn-Bitt zog sich zu­rück in ihr Ros­to­cker Ate­lier, wur­de mit ei­nem Mal­ver­bot be­legt, durf­te kein Ma­te­ri­al kau­fen und ar­bei­te­te mit dem, was Freun­de und Ver­wand­te heim­lich mit­brach­ten.

Da­mit ließ sie ein Le­ben hin­ter sich, das auch nach heu­ti­gen Maß­stä­ben mo­dern war: Sie stu­dier­te in der Kunst­me­tro­po­le Dres­den und leb­te dort zu­sam­men mit ih­rem Lieb­ha­ber. Ihr Ehe­mann Pie­ter, der zu Hau­se in Ros­tock als Zahn­arzt leb­te und den ge­mein­sam Sohn Jürn­ja­cob gro­ßzog, war mit der Drei­er­be­zie­hung ein­ver­stan­den. Die Wer­ke, die da­mals ent­stan­den, wer­den heu­te als Pa­ra­de­bei­spie­le der Neu­en Sach­lich­keit ge­fei­ert und eu­ro­pa­weit ge­zeigt.

Auf ein wich­ti­ges Bild muss­te Ku­ra­to­rin Ant­je Schun­ke ver­zich­ten: das „Selbst­bild­nis mit Oran­ge“ ist der­zeit in New York zu se­hen. Es zeigt die Künst­le­rin in ei­nem leuch­tend ro­ten Pull­over. „Rot war ih­re Lieb­lings­far­be“, sagt Schun­ke, und das sei auch die In­spi­ra­ti­on für die ro­ten Wän­de in der Aus­stel­lung ge­we­sen.

Die Bil­der Diehn-Bitts sind heu­te ge­fragt wie nie zu­vor. Ein Er­folg, den die Künst­le­rin sich wohl kaum vor­zu­stel­len ver­moch­te. Denn ihr künst­le­ri­sches Le­ben kenn­zeich­nen Brü­che und Aus­gren­zun­gen. Denn der Ab­leh­nung in der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus folg­te nach 1945 ei­ne in­ten­si­ve Schaf­fens­pha­se, in der Diehn-Bitt auch den da­ma­li­gen Künst­ler­bund mit auf­bau­te. Doch auch in der DDR wur­den ih­re Bil­der ab den 1950er Jah­ren ab­ge­lehnt. Diehn-Bitt zog sich end­gül­tig in ihr Ate­lier zu­rück, mal­te Bil­der mit re­li­giö­sen Mo­ti­ven, vor al­lem klei­ne For­ma­te, Zeich­nun­gen, Col­la­gen.

Ei­ner, der sich dar­um be­müh­te, dass Ka­te Diehn-Bitt nicht in Ver­ges­sen­heit ge­riet, war der Bild­hau­er Jo Jastram (1928-2011). Er be­such­te die zu­rück­ge­zo­ge­ne Künst­le­rin und freun­de­te sich mit ihr an. Die Fa­mi­li­en be­such­ten sich ge­gen­sei­tig, und so be­geg­ne­te auch Jastrams Toch­ter Su­san­ne Rast der cha­ris­ma­ti­schen Ma­le­rin.

Die gro­ße Schau, die ei­ne Fül­le der Wer­ke Ka­te Diehn-Bitts chro­no­lo­gisch und the­ma­tisch an­ord­net, kam auch durch die För­de­rung der Ost­deut­schen Spar­kas­sen­stif­tung zu­stan­de die Schau mit Diehn-Bitt und Rast ist Teil zwei ei­ner drei­tei­li­gen Aus­stel­lungs­rei­he un­ter dem Ti­tel „Künst­le­rin­nen und Wahr­neh­mung“.

„Die Ma­le­rin Ka­te Diehn-Bitt darf als Aus­nah­me­künst­le­rin in der Ros­to­cker Kunst­welt gel­ten. Vie­len sind sie und ihr Werk aber noch im­mer nicht aus­rei­chend be­kannt. Das wol­len wir än­dern“, so Pa­tri­cia Wer­ner von der Ost­deut­schen Spar­kas­sen­stif­tung. „Ihr Werk und ih­re Le­bens­leis­tung sicht­bar zu ma­chen sind der Ost­deut­schen Spar­kas­sen­stif­tung und der OS­PA-Stif­tung ein wich­ti­ges An­lie­gen. Wir freu­en uns mit den Ver­ant­wort­li­chen der Kunst­hal­le Ros­tock krea­ti­ve und vor al­lem ver­läss­li­che Part­ner für die Aus­stel­lungs­rei­he „Künst­le­rin­nen und Wahr­neh­mung“ ge­fun­den zu ha­ben – in­ner­halb de­rer Ka­te Diehn-Bitt nun prä­sen­tiert wird.“

Be­glei­tend zur Aus­stel­lung Ka­te Diehn-Bitt - Künst­ler­in­SEIN im Zu­sam­men­spiel mit Su­san­ne Rast ist ei­ne er­wei­te­re Neu­auf­la­ge des Ka­ta­lo­ges Ka­te Diehn-Bitt, her­aus­ge­ge­ben von der Ros­to­cker Ka­te-Diehn-Bitt-Stif­tung, im Mu­se­ums­shop er­hält­lich.

Im Rah­men der Aus­stel­lung Ka­te Diehn-Bitt – Küns­ter­lin­SEIN im Zu­sam­men­spiel mit Su­san­ne Rast fin­det ein viel­fäl­ti­ges Be­gleit­pro­gramm statt.

Zeit­gleich wur­de in der Kunst­hal­le Ros­tock am 25. Ja­nu­ar 2025 die 35. Lan­des­wei­te Kunst­schau – UN­AN­GE­BRACHT er­öff­net. Die Aus­stel­lung wid­met sich in der Kunst­hal­le Ros­tock und in der Do­ku­men­ta­ti­ons- und Ge­denk­stät­te in der ehe­ma­li­gen Sta­si-Un­ter­su­chungs­haft­an­stalt Ros­tock an­hand von 50 künst­le­ri­schen Po­si­tio­nen dem Span­nungs­feld zwi­schen Kunst und Frei­heit. Da­bei wird das künst­le­ri­sche Le­ben von Ka­te Diehn-Bitt ein­be­zo­gen.

Aus­stel­lungs­lauf­zei­ten


Ka­te Diehn-Bitt (1900-1978) – Künst­ler­in­SEIN im Zu­sam­men­spiel mit Su­san­ne Rast 26. Ja­nu­ar – 21. April 2025

Ter­mi­ne

  • Sonn­tag, 26.01.2025 um 16.00 Uhr Son­der­füh­run­gen mit Ku­ra­to­rin Ant­je Schun­ke, Ma­ri­on Scha­el, Ka­te Diehn-Bitt Stif­tung und Bild­haue­rin Su­san­ne Rast
  • Don­ners­tag, 13.02.2025 um 16.00 Uhr Füh­run­gen mit Ku­ra­to­rin Ant­je Schun­ke
  • Don­ners­tag, 27.02.2025 um 16.00 Uhr Füh­run­gen mit Ku­ra­to­rin Ant­je Schun­ke
  • Don­ners­tag, 13.03.2025 um 16.00 Uhr Füh­run­gen mit Ku­ra­to­rin Ant­je Schun­ke
  • Don­ners­tag, 27.03.2025 um 16.00 Uhr Füh­run­gen mit Ku­ra­to­rin Ant­je Schun­ke
  • Don­ners­tag, 03.04.2025 um 16.00 Uhr Füh­run­gen mit Ku­ra­to­rin Ant­je Schun­ke
  • Don­ners­tag, 10.04.2025 um 16.00 Uhr Füh­run­gen mit Ku­ra­to­rin Ant­je Schun­ke
  • Don­ners­tag, 24.04.2025 um 16.00 Uhr Füh­run­gen mit Ku­ra­to­rin Ant­je Schun­ke

Ge­sprächs­run­den mit dem Ma­ler Diet­rich Be­cker, Ma­ri­on Scha­el, Ka­te Diehn-Bitt Stif­tung, Kunst­samm­ler Ulf Krin­gel und Dr. Kat­rin Ar­rie­ta, Lei­te­rin des Kunst­mu­se­ums Ah­rens­ho­op u.v.m. ent­neh­men Sie bit­te dem­nächst dem Ver­an­stal­tungs­ka­len­der auf www.​kun​stha​ller​osto​ck.​de.

Work­shops für Schul­klas­sen, Kin­der, Ju­gend­li­che und Er­wach­se­ne ent­neh­men Sie bit­te dem­nächst dem Ver­an­stal­tungs­ka­len­der auf www.​kun​stha​ller​osto​ck.​de.

35. Lan­des­wei­te Kunst­schau – UN­AN­GE­BRACHT
Ei­ne Aus­stel­lung des Be­rufs­ver­ban­des Bil­den­der Künst­le­rin­nen und Künst­ler Meck­len­burg-Vor­pom­mern e. V. (BBK M-V e.V.) 2025 26. Ja­nu­ar – 23. März 2025