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Na­vi­ga­ti­on

Wil­des Land, wil­de Bil­der: ers­te gro­ße Grup­pen­schau der Kunst­sze­ne Use­doms in der Kunst­hal­le Ros­tock

Mel­dung vom 26.03.2025 - Kul­tur, Frei­zeit, Sport / Um­welt und Ge­sell­schaft

Die Kunst­hal­le Ros­tock er­kun­det die spek­ta­ku­lä­re Kunst­sze­ne der In­sel Use­dom. Ab der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts sie­del­ten sich die Künst­le­rin­nen und Künst­ler an und sorg­ten für ei­ne flo­rie­ren­de und viel­ge­stal­ti­ge Sze­ne. Zu de­nen, die sich dau­er­haft auf der In­sel an­sie­del­ten, ka­men vie­le Gäs­te. Be­son­ders nach 1945 wa­ren das vor al­lem Pro­mi­nen­te aus der DDR, die sich re­gel­mä­ßig auf der In­sel auf­hiel­ten. Ih­nen al­len ist die­se Schau ge­wid­met - den Use­do­mer Lich­tern - wie auch der Ti­tel der Aus­stel­lung an­kün­digt.

Er­öff­net wird die Aus­stel­lung am 30. März. Vie­le der aus­ge­stell­ten Künst­le­rin­nen und Künst­ler, die noch heu­te auf der In­sel ak­tiv sind, wer­den zur Er­öff­nung an­we­send sein.

Den Grund­stock der Aus­stel­lung bil­det die Samm­lung der Kunst­hal­le Ros­tock. Seit 1969 sind kon­ti­nu­ier­lich Wer­ke auch von Künst­le­rin­nen und Künst­lern von der In­sel Use­dom an­ge­schafft wor­den. Aber: "Ei­ne gro­ße Grup­pen­aus­stel­lung hat es in der Kunst­hal­le Ros­tock nie ge­ge­ben", stellt Me­la­nie Ohst fest, die die Schau zu­sam­men­stell­te. So wird es erst mit die­ser Aus­stel­lung mög­lich, das Ge­mein­sa­me, aber auch die Un­ter­schie­de der Krea­ti­ven der In­sel auf­zu­zei­gen.

Brei­ten Raum neh­men die Wer­ke Ot­to Nie­mey­er-Hol­steins (1896-1984) ein. ONH, wie er von Freun­den und Be­wun­de­rern ge­nannt wur­de, schenk­te zu Leb­zei­ten rund 300 sei­ner Wer­ke der Kunst­hal­le Ros­tock. ONH, der die Sehn­sucht nach sei­ner Hei­mat Hol­stein so­gar mit ei­nem Na­mens­zu­satz zu er­ken­nen gab, ver­ließ die In­sel nicht mehr, nach­dem er sich An­fang der 1930er-Jah­re dort nie­der­ge­las­sen hat­te. So groß war sei­ne Lie­be zu Use­dom, dass er zu­erst in ei­nem aus­ran­gier­ten Ei­sen­bahn­wa­gen leb­te. ONH schuf Por­träts, Still­le­ben und Fi­gu­ren, aber zen­tral in sei­nem Wir­ken ist die Land­schaft. Der Strand, das glit­zern­de Was­ser fas­zi­nier­ten den Künst­ler. ONH leb­te in Ko­se­row, aber für sich nann­te er den zur Hei­mat ge­wor­de­nen Fle­cken an­ders: Lüt­ten­ort.

Fast zeit­gleich mit ONH kam der Ma­ler Ot­to Ma­nigk (1902-1972) auf die In­sel. Die bei­den kann­ten und schätz­ten sich. Es gibt ein Bild von Ma­nigk mit Na­men "Lüt­ten­ort": Wei­ßer Sand, schäu­men­de Wel­len, tie­fe Wol­ken. Es war nicht im­mer schö­nes Wet­ter auf Use­dom. Licht und Land­schaft fas­zi­nier­ten Ma­nigk trotz­dem. Er mal­te Häus­chen mit leuch­ten­den Fas­sa­den, dich­te dunk­le Küs­ten­wäl­der. Ma­nigk kam ab den 1930er-Jah­ren zu­nächst nur im Som­mer auf die In­sel, im­mer mit ei­nem Schwarm Schü­le­rin­nen und Schü­ler im Schlepp­tau. Nach Aus­bruch des Zwei­ten Welt­krie­ges sie­del­te er sich dau­er­haft in Ücke­ritz an.

Kurz da­nach kam Her­bert We­ge­haupt. Ma­nigk und We­ge­haupt kann­ten sich lan­ge, wa­ren erst be­freun­det, dann ver­wandt. We­ge­haupt hei­ra­te­te Ma­nig­ks Schwes­ter. Auch We­ge­haupts Bil­der sind dicht und voll leuch­ten­der Far­ben. Bun­te Fel­der, wei­ße Häu­ser, im­mer wie­der die Uten­si­li­en der all­ge­gen­wär­ti­gen Fi­scher mit ih­ren Boo­ten und Reu­sen. Her­bert We­ge­haupt, ge­bo­ren 1905, starb viel zu früh, 1959. In sei­nem Haus lebt heu­te sein Sohn Mat­thi­as We­ge­haupt (ge­bo­ren 1938), eben­falls Ma­ler. Sei­ne Bil­der sind we­ni­ger ge­gen­ständ­lich, star­ke far­bi­ge Flä­chen knal­len auf der Lein­wand auf­ein­an­der wie schäu­men­de Wel­len auf ein stei­ner­nes Ufer. Sein Schilf ist ei­ne leuch­tend gel­be ho­ri­zon­ta­le Flä­che, das Meer ist ein Wir­bel aus Far­be, Ba­den­de er­schei­nen als nach­ge­zeich­ne­te Scha­blo­nen. Pop-Art trifft Use­do­mer Schu­le. Im star­ken Kon­trast ist es wie­der da - die­ses Leuch­ten.

Die Vä­ter wa­ren der Ty­ran­nei des Fa­schis­mus ent­kom­men, die Söh­ne ka­men mit­ten hin­ein in die En­ge der DDR. Os­kar Ma­nigk (ge­bo­ren 1934), der Sohn Ot­to Ma­nig­ks, blieb auf Use­dom, aber in sei­ner Kunst sorg­te er für grö­ßt­mög­li­che Frei­heit. Os­kar Ma­nigk dreh­te ab­sur­de Su­per-8-Fil­me, ver­schick­te Mail-Art-Post­kar­ten mit Bil­dern und Ver­sen in al­le Welt. Vor al­lem aber füll­te er Un­men­gen von Lein­wän­den. Sei­ne Bil­der sind ex­pres­sio­nis­tisch-grell, über­zeich­net, eben­so fins­ter wie hu­mor­voll. Da be­geg­nen na­iv ge­kra­kel­te Fi­gu­ren auf­ge­kleb­ten Fund­stü­cken, und manch­mal sind auch Pro­mis da­bei: Amy Wi­ne­hou­se oder Her­ta Mül­ler. Die Cou­sins Os­kar Ma­nigk und Mat­thi­as We­ge­haupt sind üb­ri­gens bis heu­te Nach­barn.

Die Use­dom-Samm­lung der Kunst­hal­le Ros­tock ist groß, aber nicht voll­stän­dig, die Zeit­ge­schich­te hat sich in die Kol­lek­ti­on ein­ge­schrie­ben. "Wir kön­nen gut se­hen, wer da­bei ist und wer fehlt", sagt Ku­ra­to­rin Me­la­nie Ohst. Es fehlt zum Bei­spiel Ka­ren Schacht (1900-1987). Ih­re Bil­der von rost­ro­ten Häus­chen, die Wind und Wet­ter trot­zen, ih­re luf­ti­gen Land­schaf­ten ste­hen de­nen von We­ge­haupt und Ma­nigk in nichts nach. War­um ist die nicht da­bei? Po­li­tik. Ka­ren Schacht ging in den Wes­ten. Sie lieb­te Use­dom, aber die En­ge nach dem Krieg hielt sie nicht aus. Sie war zu­sam­men mit Ot­to Ma­nigk auf die In­sel ge­kom­men, zu­sam­men wa­ren sie durch die Land­schaft ge­zo­gen und hat­ten so­gar die­sel­ben Mo­ti­ve ge­malt. 1953 ging sie nach West-Ber­lin. Ih­re Bil­der ließ sie zu­rück, sie wur­den von der Sta­si ein­kas­siert. Me­la­nie Ohst hat Leih­ga­ben be­sorgt. Sonst wä­re die Schau nicht voll­stän­dig.

Nach und nach be­rei­cher­ten im­mer mehr Krea­ti­ve die Kunst­sze­ne der In­sel: Sa­bi­ne Cu­rio (geb. 1950), Su­san­ne Kandt-Horn (1914-1996), Man­fred Kandt (1922-1992), Ve­ra Ko­petz (1910-1998), Vol­ker Köpp (geb. 1953), Ro­sa Kühn (geb. 1928), Rolf Wer­ner (1916-1989). Zu den jüngs­ten An­säs­si­gen ge­hö­ren Bri­git­te Mey­er (geb. 1949) und Rein­hard Mey­er (geb. 1951), ge­mein­sam mit ih­rem Sohn Ro­bert Mey­er (geb. 1982). Mit ih­ren Wer­ken, aber auch ih­rer Ga­le­rie und ge­mein­sam or­ga­ni­sier­ten Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen hal­ten sie die Kunst auf der In­sel am Le­ben.

Ge­nau wie heu­te ka­men auch in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten som­mers wie win­ters Gäs­te auf die In­sel und lie­ßen sich in­spi­rie­ren. Auch sie sind Teil der Samm­lung der Kunst­hal­le Ros­tock - oder dank Leih­ga­ben in der Aus­stel­lung zu se­hen. Zu ih­nen ge­hö­ren Joa­chim John (1933-2018), Horst Lei­fer (1939-2002), Wil­ma Pietz­ke (1912-1977), Wulff Sai­ler (1936-2024), Ernst Schro­eder (1928-1989), Kurt Heinz Sie­ger (1917-2002), Klaus Rö­ß­ler (1939-2018). Ei­ner der be­rühm­tes­ten un­ter ih­nen dürf­te der DDR-Gro­ß­ma­ler Wal­ter Wo­ma­cka (1925-2010) sein. Tat­säch­lich ent­stand sein be­rühm­tes Ge­mäl­de ei­nes Paars "Am Strand" im wei­ßen Sand von Use­dom 1962 - ein Jahr nach dem Mau­er­bau.