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Na­vi­ga­ti­on

23. Ros­to­cker Ak­ti­ons­wo­che ge­gen Sucht­ge­fah­ren vom 30. Mai bis 4. Ju­ni 2016

Pres­se­mit­tei­lung vom 25.05.2016

„Ge­sof­fen wur­de doch schon im­mer!“ „Das ha­ben wir als Ju­gend­li­che doch auch ge­macht!“ „Was kann dar­an denn so schlimm sein?“ Die­se und an­de­re Aus­sa­gen von Er­wach­se­nen be­geg­nen den Sucht­prä­ven­ti­ons- und Sucht­the­ra­pie­fach­kräf­ten in ih­rer täg­li­chen Ar­beit im­mer wie­der. Die Fak­ten des Eu­ro­päi­schen Ge­sund­heits­be­rich­tes vom Sep­tem­ber 2015 zei­gen ein ganz an­de­res Bild: Ta­bak- und Al­ko­hol­kon­sum sind in Eu­ro­pa alar­mie­rend! Zwar le­ben die Eu­ro­pä­er im­mer län­ger, rau­chen und trin­ken aber so viel, dass die Le­bens­er­war­tung künf­ti­ger Ge­ne­ra­tio­nen (auch we­gen stei­gen­der Adi­po­si­tas­ra­ten) wie­der sin­ken könn­te.

Zu­dem wird im ho­hen Ta­bak- und Al­ko­hol­kon­sum ei­ne Ur­sa­che für die star­ke Ver­brei­tung nicht-über­trag­ba­rer Er­kran­kun­gen wie Krebs und Herz-Kreis­lauf­er­kran­kun­gen ge­se­hen. Bei der Zu­rück­drän­gung die­ser Ri­si­ko­fak­to­ren sei­en ei­ni­ge Fort­schrit­te zu ver­zeich­nen. Da­zu trü­gen po­li­ti­sche In­ter­ven­tio­nen in der Be­kämp­fung des Al­ko­hol­kon­sums, et­wa durch Ein­fluss­nah­me auf Ver­füg­bar­keit und Preis, bei. Der Rück­gang des Ta­bak­kon­sums rei­che in den meis­ten Län­dern al­ler­dings nicht aus, um die Ziel­vor­ga­be ei­ner Ver­rin­ge­rung um 30 Pro­zent bis zum Jahr 2025 zu er­rei­chen.

Für Deutsch­land hei­ßt das: Die vor­han­de­nen An­sät­ze der Ver­hält­nis­prä­ven­ti­on sind wirk­sam zu stär­ken und deut­lich aus­bau­en. Beim The­ma Al­ko­hol ist noch viel Raum für Ver­bes­se­run­gen. Wer­bung und Spon­so­ring sind wei­test­ge­hend er­laubt, die Al­ko­hol­steu­ern lie­gen bei Bier und Wein an der un­ters­ten Gren­ze in Eu­ro­pa und die Ver­füg­bar­keit ist rund um die Uhr ge­währ­leis­tet.

Die Deut­schen ha­ben in den Som­mer­mo­na­ten 2015 mehr ge­raucht. Ins­ge­samt wur­den von Ju­li bis En­de Sep­tem­ber 2015 Ta­bak­wa­ren im Klein­ver­kaufs­wert von 7,1 Mil­li­ar­den Eu­ro ver­steu­ert. Da­bei flos­sen aus der Ta­bak­steu­er 4 Mil­li­ar­den Eu­ro in die Staats­kas­sen. Das wa­ren 2,4 Pro­zent mehr als im Vor­jahr. Zu­dem kommt das Shi­sha-Rau­chen of­fen­bar stär­ker in Mo­de: So stieg die Men­ge des im Han­del ver­kauf­ten Pfei­fen- und Was­ser­pfei­fen-Ta­baks um mehr als 50 Pro­zent.

Um die­sen Ent­wick­lun­gen ent­ge­gen zu steu­ern, zie­len vie­le Prä­ven­ti­ons- und The­ra­pie­pro­gram­me seit Jah­ren dar­auf ab, ei­ne Ver­bes­se­rung her­bei­zu­füh­ren. Mit Er­folg, wie die Sta­tis­ti­ken be­le­gen. So sinkt der Al­ko­hol­ver­brauch je Ein­woh­ner in Li­tern rei­nen Al­ko­hols in der Bun­des­re­pu­blik kon­ti­nu­ier­lich. 1995 wa­ren es gan­ze 11,1 Li­ter, wäh­ren­des 2012 nur noch 9,5 Li­ter wa­ren. Im Rah­men der Stu­die zur Ge­sund­heit von Kin­dern und Ju­gend­li­chen in Deutsch­land (KiGGS) konn­te 2014 nach­ge­wie­sen wer­den, dass der An­teil der Ju­gend­li­chen, die je­mals Al­ko­hol ge­trun­ken ha­ben, von 62 % auf 54 % deut­lich zu­rück­ge­gan­gen ist.

Eben­so zeig­te die jüngs­te Um­fra­ge der Bun­des­zen­tra­le für ge­sund­heit­li­che Auf­klä­rung, dass Rau­chen bei Ju­gend­li­chen „out“ ist. Noch vor zehn Jah­ren lag die Rau­cher­quo­te un­ter den 14- bis17-Jäh­ri­gen bei 27,5 Pro­zent, im ver­gan­ge­nen Jahr ist sie auf 11,7 Pro­zent ge­schrumpft. Das könn­te dar­auf hin­deu­ten, dass sich das Sucht­ver­hal­ten von Ju­gend­li­chen lang­fris­tig auch dem Zeit­geist an­passt.

Al­ler­dings ist ein neu­es Sucht­ver­hal­ten von Min­der­jäh­ri­gen und jun­gen Er­wach­se­nen in den öf­fent­li­chen Fo­kus ge­ra­ten: die Me­di­en­sucht. Für Kin­der und Ju­gend­li­che ist die Be­schäf­ti­gung mit Com­pu­ter, Smart­pho­ne und dem In­ter­net zum fes­ten Be­stand­teil ih­rer Le­bens­welt ge­wor­den. Sie sur­fen, li­ken, twit­tern, spie­len, mai­len, pos­ten und whats­ap­pen. Wenn die Zeit vor dem Com­pu­ter zum ein­zi­gen Le­bens­in­halt wird, dann sind El­tern und An­ge­hö­ri­ge meist rat­los. So führt in­ten­si­ve Com­pu­ter­nut­zung in vie­len deut­schen Fa­mi­li­en zu Pro­ble­men. Je­des fünf­te Kind re­agiert ru­he­los und ge­reizt auf On­line-Ein­schrän­kun­gen. Elf Pro­zent der 12- bis 17-Jäh­ri­gen ha­ben mehr­fach er­folg­los ver­sucht, ih­re In­ter­net­nut­zung in den Griff zu be­kom­men. Oft ge­ben El­tern ih­ren Kin­dern kei­ne Re­geln zum Um­gang mit Lap­top oder Smart­pho­ne. Das zeigt auch die ak­tu­el­le Stu­die der DAK-Ge­sund­heit und des Deut­schen Zen­trums für Sucht­fra­gen zur „In­ter­net­sucht im Kin­der­zim­mer“.

Vor dem Hin­ter­grund der ge­nann­ten Da­ten er­gibt sich auch für die Han­se­stadt Ros­tock wei­ter­hin Hand­lungs­be­darf. Die Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter der AG Sucht ar­bei­ten im Be­reich der Sucht­kran­ken­hil­fe an ei­ner ste­ten Ver­bes­se­rung. Sie wer­den täg­lich nicht nur mit den mög­li­chen Fol­gen ei­nes Al­ko­hol­miss­brau­ches bzw. der Al­ko­hol­sucht kon­fron­tiert, son­dern mit ei­ner Viel­falt von Ab­hän­gig­kei­ten, hin­ter de­nen in­di­vi­du­el­le Le­bens­läu­fe mit ganz per­sön­li­chen Schick­sa­len ei­nes Men­schen aus un­se­rer Mit­te ste­cken.

An­ge­passt an die Ver­än­de­run­gen im Sucht­ver­hal­ten der Men­schen ha­ben sich die drei Sucht­be­ra­tungs­stel­len seit et­wa ei­nem Jahr­zehnt ge­zielt auf Me­di­en- und Spiel­süch­ti­ge, de­ren Le­ben au­ßer Kon­trol­le ge­ra­ten ist, ein­ge­stellt. Da­her ge­stal­ten die Ein­rich­tun­gen der Ros­to­cker Sucht­kran­ken­hil­fe ge­mein­sam vom 30. Mai bis 4. Ju­ni die 23. Ak­ti­ons­wo­che ge­gen Sucht­ge­fah­ren. Sie soll ei­nen Bei­trag leis­ten, um zum ei­nen den Um­gang mit Al­ko­hol und des­sen Fol­gen wie­der mehr in un­ser al­ler Be­wusst­sein zu rü­cken und zum an­de­ren auch zum Um­gang mit an­de­ren Sucht­mit­teln sen­si­bi­li­sie­ren. Al­ko­hol ist ein Zell­gift und die häu­figs­te kon­su­mier­te Dro­ge. Wir soll­ten uns al­le in der Ver­ant­wor­tung se­hen, un­se­re Kin­der und Ju­gend­li­chen so zu stär­ken, dass sie im Er­wach­se­nen­al­ter mög­lichst we­nig und ri­si­ko­arm Al­ko­hol kon­su­mie­ren. Zu­dem gilt es, die Ju­gend­li­chen und Er­wach­se­nen vor der Ent­wick­lung ei­ner Ab­hän­gig­keits­er­kran­kung zu be­wah­ren oder bei be­reits be­stehen­der Ab­hän­gig­keit, die Schrit­te zu ei­ner nach­hal­ti­gen und zu­frie­de­nen Ab­sti­nenz auf­zu­zei­gen und zu un­ter­stüt­zen.

Das glei­che gilt für die Me­di­en­sucht. Das frü­he Hin­se­hen von El­tern, Päd­ago­gen, päd­ago­gi­schen Fach­kräf­ten so­wie Men­schen, die mit Kin­dern und Ju­gend­li­chen zu tun ha­ben, und fest­ge­leg­te Re­geln bil­den den Rah­men für ei­nen al­ters­ge­rech­ten Um­gang mit Me­di­en und In­ter­net. Wie die­se aus­se­hen kann, dar­über soll u. a. der Fach­tag zum The­ma „Me­di­en­_­lei­den_­schaf(f)t“ – Me­di­en­sucht und Prä­ven­ti­on am 30. Mai 2016 im Ros­to­cker Rat­haus in­for­mie­ren. Auf die­sem Fach­tag wer­den re­nom­mier­te Re­fe­ren­ten über die neu­es­te Er­kennt­nis­se aus den Be­rei­chen der sucht-the­ra­peu­ti­schen Ar­beit im Zu­sam­men­hang mit den neu­en Me­di­en und der Me­di­en­päd­ago­gik be­rich­ten so­wie An­rei­ze zur Um­set­zung er­folg­rei­cher Me­tho­den auf­zei­gen. Die­se Ta­gung wird durch das Ge­sund­heits­amt der Han­se­stadt Ros­tock in Ko­ope­ra­ti­on mit dem Me­di­en­päd­ago­gi­schen Zen­trum des In­sti­tuts für Qua­li­täts­ent­wick­lung Meck­len­burg Vor­pom­mern or­ga­ni­siert und ist durch das Mi­nis­te­ri­um für Ar­beit, Gleich­stel­lung und So­zia­les ge­för­dert.

Ei­ne wei­te­re Ver­an­stal­tung or­ga­ni­siert die Kli­nik und Po­li­kli­nik für Psych­ia­trie und Psy­cho­the­ra­pie der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Ros­tock mit dem Sucht­sym­po­si­um. Mit sei­nen un­ter­schied­li­chen The­men kann es als Fort­bil­dung von Fach­leu­ten aus ver­schie­de­nen Be­rei­chen ge­nutzt wer­den. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen da­zu un­ter http://​www.​psy​chia​trie.​med.​uni-ros­tock.de .

Im Rah­men der Ak­ti­ons­wo­che be­kommt die Sucht­prä­ven­ti­on ge­rich­tet an Ju­gend­li­che und jun­ge Er­wach­se­nen ei­nen gro­ßen Raum. Da­zu bie­tet das Ge­sund­heits­amt Ros­tock in Ko­ope­ra­ti­on mit den Re­gio­na­len Sucht­prä­ven­ti­ons­fach­kräf­ten der drei Ros­to­cker Be­ra­tungs- und Be­hand­lungs­stel­len, dem Tro­cken­dock e.V. so­wie dem Lan­des­amt für Straf­fäl­li­gen­ar­beit in der FRIE­DA 23 am 1. Ju­ni 2016 ei­ne Prä­ven­ti­ons­ver­an­stal­tung zum Film „Ber­lin cal­ling“ mit ei­nem Mit­mach­par­cours zu den The­men Al­ko­hol und il­le­ga­le Dro­gen an.

Die Sucht- und Be­hand­lungs­stel­le der Volks­so­li­da­ri­tät lädt Schü­le­rin­nen und Schü­ler ab Klas­se 8 zu ei­ner Prä­ven­ti­ons­ver­an­stal­tung „Schätz mal“ zum The­ma Glücks­spiel ein. Bei der Evan­ge­li­schen Sucht­be­ra­tung Ros­tock kön­nen Ju­gend­li­che an ei­nem in­ter­ak­ti­ven Wis­sens­quiz zu „In­for­ma­tio­nen, Ri­si­ken und Sucht­ge­fah­ren der Cy­ber-Welt“ teil­neh­men. Den Ab­schluss der Ak­ti­ons­wo­che bil­det ei­ne Ver­an­stal­tung für An­ge­hö­ri­ge und Fa­mi­li­en mit an­schlie­ßen­der Po­di­ums­dis­kus­si­on zum Film ZO­EY, ein Spiel­film über die Le­bens­welt von Kin­dern aus ei­ner sucht­be­las­te­ten Fa­mi­lie (sie­he auch http://​www.​med​ienp​roje​kt-​wup​pert​al.​de/​v_​204).

Von ei­ni­gen Ein­rich­tun­gen wer­den „Ta­ge der of­fe­nen Tür“ an­ge­bo­ten. Hier gibt es für Be­trof­fe­ne, In­ter­es­sier­te und Ehe­ma­li­ge die Mög­lich­keit, sich aus­zu­tau­schen und auch ei­ne Be­ra­tung in An­spruch zu neh­men.