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Auch mit Handicap mobil sein

Pressemitteilung vom 10.04.2001

10. April 2001

Auch mit Handicap mobil sein
Projekte schaffen Barrierefreiheit in der Hansestadt / Broschüre informiert über den Alltag von Behinderten

Eine junge Frau mit angeborener Hörbehinderung suchte kürzlich über das Büro des Behindertenbeauftragten in der Hansestadt nach gleichaltrigen Hörgeschädigten. Sie wollte Kontakte knüpfen, Gedanken austauschen, vielleicht gemeinsame Freizeitaktivitäten starten. „Es klingt unglaublich, aber wir konnten keine gleichaltrige Betroffene ausfindig machen“, bedauert Wolfgang Kempf, Behindertenbeauftragter der Hansestadt.

Für manche, vor allem junge Behinderte ist es anfangs oft sehr schwierig, ihr Handicap zu akzeptieren und offensiv damit umzugehen. Rund 20.000 Menschen mit den unterschiedlichsten Einschränkungen von der Sehstörung bis zur Querschnittslähmung leben in Rostock, junge und ältere. „Sie gehören heute mehr zum Alltag als noch vor Jahren, denn viele sind selbstbewusster geworden und können dank zahlreicher barrierefreier Projekte selbstbestimmter leben“, unterstreicht der langjährige Behindertenbeauftragte. So wurden beispielsweise an vielen Ampeln der Stadt akustische Signalgeber installiert, die es Menschen mit Sehstörungen erleichtern, die Straße zu überqueren. Straßenbahn- und Bushaltestellen wurden Rollifahrerfreundlich umgebaut. Auch Behörden, Einkaufszentren und Freizeittreffs wurden für Menschen mit Mobilitätsproblemen leichter zugänglich. Das neue Ostseestadion wird 70 barrierefreie Zuschauerplätze anbieten. „Den Anstoß zu solchen Ideen geben oft Menschen mit Handicap selbst, denn ihre Perspektive auf den Alltag ist von Erfahrungen geprägt, die sich ein uneingeschränkt mobiler Mensch kaum vorstellen kann“, erläutert Wolfgang Kempf, der in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Behindertenvereinen und Selbsthilfegruppen zusammenarbeitet und deren Vorschläge sowie Korrekturen im Rahmen von Bauordnungsgenehmigungen einarbeitet.

Denn selbst scheinbare Kleinigkeiten können zum unüberwindbaren Hindernis wachsen. So werden die Sensortasten eines Fahrscheinautomaten zum unerreichbaren Ziel, wenn sie nur wenige Zentimeter zu hoch angebracht sind. Rampen machen Rolli-Lenkern das Leben schwer, wenn ihr starker Neigungswinkel dem Fahrer keine Chance gibt, gefahrlos abzurollen. Und selbst geringfügige Höhenunterschiede auf Gehwegen ohne farbliche Hervorhebung sind schwierig - denn was für gesunde Füße kein Problem ist, schaffen Menschen mit Gehbehinderungen, Gleichgewichtsstörungen oder eingeschränktem Sehvermögen nicht ohne weiteres. „Ich bin froh, dass sich in Rostock in den letzten Jahren viel getan hat. Auch auf dem Arbeitsmarkt gibt es gute Ansätze, wenn auch noch zu wenig nachhaltige Entwicklung“, resümiert Wolfgang Kempf. So hat die Firma Transcom eine Reihe von Rostocker Schwerbehinderten eingestellt und mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut - mit guten Erfahrungen. Andere Unternehmen zahlen Abgaben, da sie den gesetzlich vorgeschriebenen Anteil behinderter Beschäftigter nicht erreichen.„Überzeugungsarbeit ist da noch zu leisten. Nicht nur bei Firmenchefs müssen Problemlösungen erdacht werden. So ist es nach wie vor für Behinderte ein großes Problem, speziell für sie ausgewiesene Parkplätze oder Bordkantenabsenkungen auch zu nutzen. Vielfach sind diese Plätze rechtswidrig zugeparkt, berichtetder Behindertenbeauftragte, Sonderregelungen des Landes zur Parkerleichterung greifen nicht in dem erhofften Umfang.

„Gelungene Kommunikation stellt eine der wesentlichen und immer wiederkehrenden Schwierigkeiten dar“, so Wolfgang Kempf. Um bei Bauherren und Planern Denkanstöße hinsichtlich der Barrierefreiheit zu initiieren, konnte gemeinsam mit dem Ministerium für Arbeit und Bau sowie weiteren Fachleuten die Broschüre mit dem Titel „Barrierefreies Leben - Bilder eines Tages“ herausgegeben werden. In Bearbeitung befindet sich gegenwärtig die Neuauflage eines Beratungswegweisers für Menschen mit Handicap in der Hansestadt Rostock. Erstgenannte Bro-schüre und weitere Informationen sind im Büro des Behindertenbeauftragten, An der Hege 9 (Bürocontainer), bzw. telefonisch unter Tel. (03 81) 3 81-11 25 zu beziehen.