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Ausstellung: Fläche – Raum – Zeichen

Pressemitteilung vom 15.03.1999


Seit vielen Jahrhunderten, von Ikarus bis Jules Verne, träumten die Künstler von einer Skulptur, einer Kunst, die sich selbst verwirklicht. Diese Träume haben dazu geführt, daß der Neue Kontinent von Kolumbus erobert werden konnte, dank der wissenschaftlichen Perspektive eines Piero della Francesca, daß ein Charles Lindberg fliegen konnte, dank der Utopien eines Leonardo da Vinci, daß wir uns unter Wasser bewegen können. So kann der Traum eines Künstlers von der prima idea, der ersten Idee, bis zu deren Ausführung neue Wirklichkeiten der Kunst entstehen lassen und von äußerster Bedeutung für unser Zusammenleben sein. Der Paradigmenwechsel des Künstlers ist ebenso ideeller wie auch lokaler, sozialer und politischer Natur. Kunst geht damit der sozialen Wirklichkeit voraus, sie argumentiert in der Avantgarde, vollzieht sich in der Zukunft, in der Zone des Wissens.Wenn Peter Weidl ein Projekt wie Spiegelfluss entwickelt, so sind schon im Titel Kontradiktionen formuliert. Der Spiegel reflektiert das Abbild, die scheinbare Statik des Hineinschauens, zugleich aber auch das Janusköpfige, das Fließende, die Veränderung. Der Spiegel ist nicht das Foto, das im Abbild auf Papier vorzutragen ist, es ist die permanente, simultane Veränderung eines Gesehenen, die im Spiegel aufgefangen und im Fließen des Flusses untersucht wird. Für Peter Weidl ist der Fluß Urquell und Erkenntnis. Er spürt Geheimnisse, die dem Vorgegebenen entlockt werden müssen, wenn man den Blick darauf richtet. Die Ermittlung des Standortes, bedingt durch etliche Reisen entlang der gesamten Grenze Neisse-Oder, flußab, in den Jahren 1991/1992, eruierten eine Schnittstelle der Geschichte, der gesellschaftlichen Systeme, der Politik. Es mußte diese Schnittstelle zwischen Ost und West sein, die den Künstler faszinierte. Das deutsch-polnische Verhältnis wird seit 1991 gefordert, sich mit dem Projekt Spiegelfluss zu beschäftigen. Wie heikel diese Schnittstelle noch heute ist, wie sehr sie nach Heilung durch Kultur schreit, wie sie sich aufbäumt, um durch Kunst für die Zukunft vorbereitet zu sein, zeigen die unterschiedlichen Gespräche auf, die seit 1992 geführt worden sind. Aber das wiederum ist es, was, wie Weidl es sich mit dem Beginn des neuen Jahrtausends wünscht, allein die Verwirklichung der Idee ermöglicht. Der Künstler verbindet etwas, das Grenze ist, nicht nur Übergang, sondern zugleich auch Ausgrenzung. Er verbindet Geteiltes zweiteilig und greift damit zurück auf seine früheren Projekte und Arbeiten, die das Element der Verbindung von Unverbundenem, z.B. gekreuzter Stein, gesprungener Block, Ikarus (semantisch, allegorisch als Thema schlechthin), Kettenfügungen u.s.w., die deutlich machen, daß die Bruchstellen als die Schnittstellen des Bildhauerischen sehr wohl miteinander in Verbindung treten können, nicht weil sie nebeneinander stehen, sondern weil der Mensch ihre Verbindbarkeit konstruiert. Es entstehen Zusammenhänge, die vorher so nicht denkbar waren. Was Weidl mit Spiegelfluss vorschlägt, will Veränderungen hervorrufen, die im Geiste stattzufinden haben, aber durch den Künstler visualisiert werden. Seine Aufstellungen, wie die der Statik, der Zeitabläufe, der ökonomischen Kalkulationen sind sinnvoll, einsehbar, diesseitig. Der Traum ist nicht jenseitig der realen Ufer, sondern inmitten von zwei Ufern, die durch die Gemeinsamkeit des Flusses konstituiert werden. Spiegelfluss setzt ein Ikon, macht deutlich, daß die Gegenwart Zukunft in sich trägt. Ohne Drängen des Künstlers bleibt das friedliche Miteinander ein rein kommerzielles, der Frieden eine Täuschung. Das Spiegelbild aber wird zur Realität von morgen. Spiegelfluss ist eines der großen europäischen Kunstprojekte, die unbedingt realisiert werden sollten. Prof. Dr. Dieter Ronte, Direktor Kunstmuseum Bonn