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Dankesrede von Oberbürgermeister Arno Pöker anlässlich der Verleihung des Ordens „Ritter der

Pressemitteilung vom 08.09.2004








Exzellenz,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
liebe Freunde und Wegbegleiter aus Deutschland und aus Frankreich,

ich freue mich über diese große Ehre, die mir mit der Auszeichnung zuteil
wurde und möchte dafür der Republik Frankreich und ihrem Präsidenten
herzlich dafür danken. Und ich danke Ihnen, Exzellenz, sehr herzlich für
Ihre freundlichen Worte, mit denen sie die Auszeichnung begründet
haben. Ich nehme die Ehrerweisung dankbar an.

Meine Damen und Herren,

ich tue dies vor allem stellvertretend für die Rostockerinnen und
Rostocker, deren Oberbürgermeister ich seit 1995 sein darf.

Bis zu meinem Amtsantritt war in meiner Familie in erster Linie mein
Bruder für die deutsch-französischen Beziehungen „zuständig“. Schon
früh hat er sich für die französische Sprache und französische Literatur
interessiert. Er hat dann seine Leidenschaft zum Beruf gemacht,
Romanistik studiert und lebt und lehrt heute als Universitätsprofessor in
den USA.

Meine ganz persönlichen Beziehungen zu Frankreich waren bis dato nicht
so intensiv. Und dies wäre ohne die Chance, als Oberbürgermeister auch
im Bereich der internationalen Beziehungen für die Entwicklung der
Hansestadt Rostock zu arbeiten, vielleicht auch so geblieben.

Ich bin deshalb froh und dankbar, dass ich durch meine Funktion die
Möglichkeit erhalten habe, im Austausch und in der Zusammenarbeit mit
unseren französischen Freunden und Partnern bestehende Kontakte der
Stadt nach Frankreich auszubauen und ein Stück dazu beizutragen, die
deutsch-französische Freundschaft mit Leben zu erfüllen.

Meine Damen und Herren,

die französische Nation und die Hansestadt Rostock verbindet ein nicht
unwesentliches Element ihrer Identität: beide führen die Farben Blau-
Weiß-Rot in ihrer Flagge bzw. in dem Stadtwappen. Erstaunlicherweise
hat dies in der Vergangenheit sogar zu Verwechslungen geführt.

Erlauben Sie mir dazu eine kleine Geschichte:

Erste Nachricht über die Rostocker Flagge gibt ein Dokument aus dem
Jahre 1418.

Seinerzeit hatte ein Schiffer blaue, weiße und rote Leinwand gekauft, um
daraus eine Flagge für seine Snike (ein hansisches Handelsschiff, ähnlich
einer Kogge) herstellen zu lassen. Schließlich führten alle Schiffe, die
ihren Heimathafen in Rostock hatten, diese Flagge.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde es international zur
Gepflogenheit, dass Schiffe eine Erkennungsflagge ihres Landes führten,
deren Aussehen (übrigens bis heute) nicht immer mit dem der
Nationalflagge übereinstimmen musste. Deshalb wurde sie im
Unterschied zur Nationalflagge auch See- oder Handelsflagge genannt.

In jener Zeit hatte das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin weder eine
Nationalflagge noch eine See- oder Handelsflagge. Eine Nationalflagge
war nicht wichtig, denn niemand wusste so recht, wozu sie gebraucht
werden sollte. Aber Schiffe aus Rostock und Wismar (den beiden
einzigen Häfen des Landes) befuhren die Meere.

Sie gehörten ja zur „Nation“ Mecklenburg-Schwerin und wenn Holländer,
Spanier oder Engländer eine See- oder Handelsflagge hatten, musste
Mecklenburg-Schwerin auch eine solche vorweisen können. Da es keine
Nationalflagge gab, hatte man auch kein Vorbild für eine See- oder
Handelsflagge und so entschloss sich der Herzog, die Blau-Weiß-Rot-
Flagge Rostocker Schiffe einfach zur See- oder Handelsflagge
Mecklenburg-Schwerins zu erklären. Das hatte einen großen Vorteil,
mindestens die Hälfte der mecklenburgischen Schiffe brauchte die neue
Flagge nicht kaufen, sie führte sie ja schon.

Im Zuge der Koalitionskriege, die das revolutionäre Frankreich um die
Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zu führen hatte, zeigte es sich
mecklenburgischen Schiffen immer häufiger, dass ihnen Gegner
Frankreichs, zum Beispiel die Briten, feindselig begegneten. Bald fanden
die Kapitäne der Schiffe heraus, dass man die blau weiß rot
quergestreifte See- oder Handelsflagge Mecklenburg-Schwerins mit der
längs gestreiften blau weiß roten Flagge Frankreichs verwechselt hatte
(die Farbenfolge war ja gleich, nur die Quer- oder Längsaufhängung am
Fahnenmast entschied über Freund oder Feind).

Deshalb entschlossen sich die Rostocker Ratsherren, denen die
Sicherheit der Rostocker Schiffe natürlich besonders am Herzen lag, im
Jahre 1803 fortan eine gelbe Flagge mit einem schwarzen Greifen als
See- oder Handelsflagge zu verwenden.

Erst in den Jahren 1813 und 1814 kam die blau-weiß-rote See- oder
Handelsflagge an mecklenburg-schwerinschen Schiffen nach und nach
wieder zum Einsatz – übrigens bis 1867,als sie durch die schwarz-weiß-
rote Flagge des Norddeutschen Bundes, ab 1871 auch die des
Deutschen Reiches, abgelöst wurde.

Meine Damen und Herren,

wie Sie sehen, liegen die Beziehungen Frankreichs mit der Hansestadt
Rostock weiter zurück, als mancher vermuten würde. Missverständnisse
der eben beschriebenen Art gehören zum Glück der Vergangenheit an.
Das Verhältnis unserer beiden Länder und Völker war früher häufiger vom
Gegeneinander bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung bestimmt
als von friedlichem Austausch. Seit vielen Jahren aber ist die deutsch-
französische Freundschaft Teil unseres nationalen und unseres
europäischen Selbstverständnisses geworden.

Nach zwei Weltkriegen, in denen sich beide Länder feindlich
gegenüberstanden, haben Frankreich und Deutschland Trennendes
überwunden und sind zu Freunden geworden.
1963 haben Charles de Gaulle und Konrad Adenauer mit dem Elysée-
Vertrag die Aussöhnung zwischen beiden Ländern besiegelt und nach
Jahrhunderten der Rivalität das Verhältnis Deutschlands und Frankreichs
auf eine neue Grundlage gestellt.
Der Elysée-Vertrag steht am Anfang einer besonderen politischen
Partnerschaft und engster wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher
Verflechtungen. Im Laufe der Jahre wurden beide Nationen, wie der
ehemalige Bundespräsident Rau es ausdrückte, zum „Nervenstrang der
europäischen Einigung“.

Verbindungen schaffen, Trennendes überwinden, Brücken bauen – dass
ist meines Erachtens nach das Wesen der europäischen Einigung. Ihrer
hansischen Tradition gemäß haben die Rostockerinnen und Rostocker
stets die Verbindungen zu anderen Völkern gesucht.

Die Farben weiß und rot im Rostocker Stadtwappen erinnern an ihrer
Zugehörigkeit zur Hanse. Über die Meere haben die Rostocker gestern
und heute Grenzen überwunden, vorwiegend, um dem Handel Freiraum
zum gegenseitigen Nutzen und zum Wohlstand ihrer Völker zu gewähren.

Was in den Hansejahren entstand, prägte - und hinterließ Spuren,
schaffte Werte. Die hansische Geschichte ermöglichte Verbindungen, die
noch über Jahrhunderte hinweg halten.

Exzellenz, sehr geehrte Anwesende,

Verbindungen schaffen, Trennendes überwinden, Brücken bauen – dazu
bedarf oft kreativer Lösungen und es braucht die Bereitschaft, auch etwas
zu riskieren. Diese Bereitschaft dürfte nach meiner Meinung in
Deutschland gern ein wenig ausgeprägter sein. Allzu oft werden aber
zunächst Bedenken getragen, alle Risiken abgewogen und ein Vorhaben
dann mit dem Ausdruck größten Bedauerns in die Schublade gelegt.

Ich bin froh, dass wir in unseren französischen Freunden Partner
gefunden haben, die weniger bedauernd „Nein“ sagen als viel mehr
fragen „Warum nicht?“ Es sind Partner, die Chancen erkennen und sie
ergreifen.
Deshalb sind bei gemeinsamen Projekten Hindernisse noch nicht
überwunden, Schwierigkeiten noch nicht aus der Welt. Das gilt für die
Zusammenarbeit unseren Nationen und in der Partnerschaft von Städten
oder Unternehmen. Aber wer die Welt so sieht, findet Herausforderungen
statt Probleme.

Zwei große Projekte durften wir in Rostock im Rahmen einer Private-
Public-Partnership mit französischen Partnern auf den Weg bringen. Da
ging es zum einen die Verbesserung der Rostocker Wasserversorgung
und der Trinkwasserqualität. Unsere Wasserversorgung war - wie fast
überall in Ostdeutschland - im qualitativ sehr schlechten Zustand.
Zudem sind die Umweltstandards in der Bundesrepublik immer weiter
verschärft worden. Enorme Investitionen waren also nötig. Das hätte die
finanzschwache Kommune niemals aus eigener Kraft geschafft und auch
nicht in so kurzen Zeiträumen.

Das damals Aufsehen erregende Modell der Private-Public-Partnership
mit einem französischen Partner der Wasserwirtschaft war damals nicht
nur für ostdeutsche Kommune etwas Besonderes. Wir waren nämlich die
erste deutsche Stadt, die ihre Wasserver- und -entsorgung in private
Hände gelegt hat. Die Zusammenarbeit hat sich bestens bewährt. Dafür
möchte ich unseren französischen Partnern herzlich danken.

Aufsehen hat auch ein weiteres Projekt erregt, das mit einem
französischen Partner realisiert werden konnte. In diesem Fall wurden
nicht nur im übertragenen, sondern im ganz konkreten Fall Verbindungen
geschaffen und Trennendes überwunden. Und weil man dabei kreativ
sein muss, haben wir gemeinsam nicht eine Brücke gebaut, sondern
einen Tunnel gegraben - den Tunnel unter der Warnow, der
Rostockerinnen und Rostocker zügig und bequem von der West- auf die
Ostseite Rostocks bringt und umgekehrt.

Auch mit dem Tunnel haben wir Neuland betreten und das bringt
naturgemäß einige Kinderkrankheiten mit sich, die wir gemeinsam
meistern werden. Ich bin trotz aller Herausforderungen, die noch vor uns
liegen, froh, dass dieses Projekt Realität geworden ist. Mit öffentlichen
Mitteln hätte dieses stets von der Wirtschaft gewünschte und geforderte
Projekt nicht realisiert werden können. Es war die gemeinsame
Bereitschaft, etwas Neues zu wagen, die dieses erste privat- und
mautfinanzierte Straßenbauprojekt in der Bundesrepublik Deutschland
Wirklichkeit werden ließ. Auch dafür danke ich den französischen
Partnern.

Meine Damen und Herren,

mit der Städtegemeinschaft Dunkerque verbindet Rostock bereist seit
1960 eine enge Partnerschaft. Heute ist die Kooperation mit der
Städtegemeinschaft Dunkerque eine der lebendigsten Partnerschaften
der Hansestadt Rostock. Die vielen Fäden der langjährigen Kooperation
im kulturellen Bereich, beim Austausch von Schülergruppen,
gegenseitigen Besuchen und gemeinsamen Konsultationen zu den
unterschiedlichsten Fragen haben sich im Laufe der Jahre zu einem
dichten und tragfähigen Netz verknüpft.
Hier sind Begegnungen und Beziehungen zwischen Menschen
entstanden, die schon lange nicht mehr der administrativen Unterstützung
und Initiative bedürfen, sondern die ganz selbstverständlich geworden
sind.

Exzellenz,
meine Damen und Herren,

Lebendige Städtepartnerschaften sind auch ein Beleg für die
Weltoffenheit und Zukunftsfähigkeit unserer Stadt in einer globalisierten
Welt und einem zusammenwachsenden Europa.

Wir wollen und werden den Weg der internationalen Kooperation mit
Städten innerhalb und außerhalb Europas auch weiterhin konsequent
gehen. Dabei spielt die deutsch-französische Freundschaft und die
Begegnung von Deutschen und Franzosen als Motor der Europäischen
Einigung auch für Rostock eine ganz wesentliche Rolle.

Exzellenz,

ich danke nochmals von Herzen für die erwiesene Ehre. Für Rostock ist
diese Auszeichnung Auftrag und Verpflichtung, sich weiter in den Dienst
der deutsch-französischen Freundschaft und des europäischen
Einigungsprozesses zu stellen.