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Na­vi­ga­ti­on

Ei­gen­tums­über­tra­gung am Kunst­be­stand aus dem Nach­lass Bern­hard A. Böh­mers durch das Bun­des­amt für zen­tra­le Diens­te und of­fe­ne Ver­mö­gens­fra­gen

Pres­se­mit­tei­lung vom 27.02.2009

Im Zu­ge der durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten 1937 durch­ge­führ­ten Ak­ti­on "ent­ar­te­te Kunst" wur­den aus öf­fent­li­chen Mu­se­en im da­ma­li­gen deut­schen Reichs­ge­biet mehr als 21 000 Kunst­wer­ke be­schlag­nahmt und aus­ge­son­dert. Es han­del­te sich hier­bei um so ge­nann­tes Reichs­ei­gen­tum.

Ein Teil­be­stand aus der Ak­ti­on "ent­ar­te­te Kunst" der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­fand sich bei Kriegs­en­de im Be­sitz des Kunst­händ­lers Bern­hard A. Böh­mer in Güs­trow. Da Böh­mer und sei­ne Frau sich an­ge­sichts der an­rü­cken­den so­wje­ti­schen Trup­pen 1945 das Le­ben ge­nom­men hat­ten, ver­wahr­te Wil­ma Zelck, die Schwes­ter der ver­stor­be­nen Frau Böh­mer, für den noch un­mün­di­gen Sohn des Ehe­paa­res Böh­mer den Nach­lass.

Um noch vor­han­de­ne Wer­ke aus der Ak­ti­on "ent­ar­te­te Kunst" si­cher­zu­stel­len, er­ließ die So­wje­ti­sche Mi­li­tär­ad­mi­nis­tra­ti­on Deutsch­lands (SMAD) den Be­fehl Nr. 124 vom 30.10.1945. Der Be­fehl ord­ne­te der Zen­tral­stel­le für Volks­bil­dung die Be­schlag­nah­me und pro­vi­so­ri­sche Über­nah­me ei­ni­ger Ei­gen­tums­ka­te­go­ri­en in Deutsch­land an:"¿Die deut­sche Ver­wal­tung für Volks­bil­dung in der so­wje­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne (¿) wird er­mäch­tigt, al­le not­wen­di­gen Maß­nah­men zur Er­mitt­lung und Rück­füh­rung von Kunst­be­sitz vor­zu­neh­men, der aus ehe­mals öf­fent­li­cher Hand oder aus Pri­vat­be­sitz durch Fa­schis­ten vom 01. Ja­nu­ar 1938 bis zur Ka­pi­tu­la­ti­on ent­frem­det wor­den ist. Die deut­sche Ver­wal­tung für Volks­bil­dung ist be­fugt, er­mit­tel­tes Kunst­gut die­ser Art, vor al­lem sol­ches aus der so ge­nann­ten Ak­ti­on 'Ent­ar­te­te Kunst' zu be­schlag­nah­men und al­le Ver­fü­gun­gen zu tref­fen, die für die Rück­ga­be des Kunst­gu­tes an sei­ne ehe­ma­li­gen Be­sit­zer wich­tig sind. Die ört­li­chen Dienst­stel­len der so­wje­ti­schen Mi­li­tär­ad­mi­nis­tra­ti­on und al­ler deut­schen Ver­wal­tun­gen wer­den an­ge­wie­sen, die deut­sche Ver­wal­tung für Volks­bil­dung in je­der Wei­se zu un­ter­stüt­zen." (Ge­zeich­net: Ma­jor Pol­tawteff, Kul­tur­ab­tei­lung der SMA).

Im Ju­li 1947 kon­fis­zier­te der da­ma­li­ge Ab­tei­lungs­lei­ter der Zen­tral­stel­le für Volks­bil­dung, Kurt Reut­ti, bei Wil­ma Zelck in Er­fül­lung des Be­fehls Nr. 124 der SMAD 34 Öl­ge­mäl­de, neun Plas­ti­ken und rund 1000 Gra­fi­ken, die aus der Ak­ti­on "Ent­ar­te­te Kunst" stamm­ten.

Die si­cher­ge­stell­ten Wer­ke wur­den dem Mu­se­um der Stadt Ros­tock zur Ver­wah­rung über­ge­ben. Aus die­sem Kon­vo­lut wur­den die aus dem Be­sitz der Na­tio­nal­ga­le­rie Ber­lin be­schlag­nahm­ten Wer­ke und ei­ni­ge Kunst­wer­ke aus Stet­tin, Bres­lau und Kö­nigs­berg 1949 an die Ber­li­ner Na­tio­nal­ga­le­rie und das dor­ti­ge Kup­fer­stich­ka­bi­nett über­ge­ben. Wei­te­re Rück­ga­ben an Mu­se­en in der ehe­ma­li­gen DDR er­folg­ten ab An­fang der 1950er Jah­re. Der rest­li­che Be­stand ver­blieb im Ros­to­cker Mu­se­um.

Das Mu­se­um wur­de von der Ver­wal­tung für Volks­bil­dung mit der wei­te­ren Be­treu­ung des Be­stan­des be­traut. Da­mit wur­de das Kon­vo­lut von Kunst­wer­ken Ver­wal­tungs­ver­mö­gen der Stadt Ros­tock.

Der Nach­lass Böh­mers aus der Ak­ti­on "ent­ar­te­te Kunst" wird seit 1947 im Ros­to­cker Mu­se­um ver­wahrt, wis­sen­schaft­lich be­ar­bei­tet, re­stau­riert, aus­ge­stellt und aus­ge­lie­hen. Be­reits 1947 fand ei­ne ers­te um­fang­rei­che Prä­sen­ta­ti­on des Be­stan­des statt. Tei­le des Böh­mer-Nach­las­ses wur­den in der stän­di­gen Aus­stel­lung des Mu­se­ums ge­zeigt. In Wech­sel­aus­stel­lun­gen wur­den kon­ti­nu­ier­lich so­wohl im Kul­tur­his­to­ri­schen Mu­se­um als auch ab 1969 in der Kunst­hal­le Gra­fi­ken, Plas­ti­ken und Ge­mäl­de aus dem Böh­mer-Nach­lass ge­zeigt.

Seit An­fang der 1960er Jah­re wa­ren Wer­ke aus dem Böh­mer-Be­stand an die Na­tio­nal­ga­le­rie und die Staat­li­chen Kunst­samm­lun­gen Dres­den als Dau­er­leih­ga­ben aus­ge­lie­hen. Wei­te­re wur­den für zahl­rei­che Son­der­aus­stel­lun­gen auf dem Ge­biet der ehe­ma­li­gen DDR zur Ver­fü­gung ge­stellt. Seit En­de der 1980er Jah­re wur­den ein­zel­ne Wer­ke und Werk­grup­pen auch an west­deut­sche Mu­se­en und ins Aus­land ver­lie­hen. Der­zeit lie­gen für die nächs­ten Jah­re be­reits wei­te­re Leih­ge­su­che deut­scher und aus­län­di­scher Mu­se­en vor, die po­si­tiv be­schie­den wur­den. Ab­bil­dun­gen von Wer­ken wur­den für Werk­ver­zeich­nis­se, Buch­pro­duk­tio­nen und Ka­ta­lo­ge zur Ver­fü­gung ge­stellt.

Da­mit er­le­dig­te das Kul­tur­his­to­ri­sche Mu­se­um Ros­tock al­le Auf­ga­ben, die für die Si­che­rung und Be­wah­rung die­ses ein­ma­li­gen Kon­vo­luts, es han­delt sich um 613 Kunst­wer­ke (20 Zeich­nun­gen, 23 Aqua­rel­le, 537 Gra­fi­ken, 27 Ge­mäl­den und sechs Plas­ti­ken, an­fal­len.

Dar­über hin­aus trägt Ros­tock seit 1947 al­le Kos­ten für die Be­wah­rung, Si­che­rung, Be­ar­bei­tung und Aus­stel­lung des Be­stan­des aus dem Nach­lass Bern­hard A. Böh­mers.

Um die Pro­ve­ni­enz der ein­zel­nen Stü­cke zu über­prü­fen und die Ein­zel­wer­ke ein­deu­tig zu iden­ti­fi­zie­ren, wur­de ein wis­sen­schaft­li­ches For­schungs­pro­jekt durch­ge­führt. In en­ger Ko­ope­ra­ti­on zwi­schen der For­schungs­stel­le "Ent­ar­te­te Kunst" am Kunst­his­to­ri­schen In­sti­tut der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin und dem Kul­tur­his­to­ri­schen Mu­se­um Ros­tock wur­den die in Ros­tock ver­blie­be­nen Be­stän­de ab­ge­gli­chen, ge­sich­tet und in ei­ner Da­ten­bank er­fasst.

An­sprü­che von Pri­vat­per­so­nen konn­ten nicht fest­ge­stellt wer­den. Die Vor­be­sit­zer der Wer­ke wa­ren in je­dem Fall Mu­se­en aus ehe­ma­li­gem deut­schem Reichs­ge­biet.

Seit Über­ga­be des Be­stan­des konn­te kei­ne Rechts­si­cher­heit über das Ei­gen­tum er­reicht wer­den. Um die­se für den Trä­ger des Mu­se­ums zu er­lan­gen und da­mit auch die wei­te­re Pfle­ge und Be­ar­bei­tung des Be­stan­des zu ga­ran­tie­ren, wur­de durch die Han­se­stadt Ros­tock am 29. Au­gust 2008 ein An­trag auf Ver­mö­gens­zu­ord­nung des Nach­las­ses Bern­hard A. Böh­mers, der sich im Be­sitz des Kul­tur­his­to­ri­schen Mu­se­ums be­fin­det, zu­guns­ten des Mu­se­ums ge­stellt.

Durch Ei­gen­tums­über­tra­gung an die Han­se­stadt Ros­tock ist ab­schlie­ßend zu ge­währ­leis­ten, dass die­ser ein­zi­ge in Deutsch­land er­hal­te­ne zu­sam­men­hän­gen­de Be­stand aus der Ak­ti­on "ent­ar­te­te Kunst" als ge­schlos­se­nes Kon­vo­lut er­hal­ten bleibt.

Der Be­stand und sei­ne Ge­schich­te sind ein­ma­li­ge Zeug­nis­se deut­scher Ver­gan­gen­heit. Es ist der Han­se­stadt Ros­tock Ver­pflich­tung, die­ses ein­zig­ar­ti­ge Zeug­nis für die "Säu­be­rungs­ak­ti­on" der Mu­se­en von mo­der­ner Kunst 1937 durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten als na­tio­na­len Kul­tur­er­bes zu er­hal­ten und zu ver­mit­teln.

Die Han­se­stadt Ros­tock hat mit der Ver­öf­fent­li­chung des Be­stan­des in der Aus­stel­lung "Meis­ter­wer­ke der Mo­der­ne. Aus den Be­stän­den der 1937 von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­schlag­nahm­ten Kunst" und in Zu­sam­men­ar­beit mit der For­schungs­stel­le "Ent­ar­te­te Kunst" durch die Pu­bli­ka­ti­on ei­nen wich­ti­gen Bei­trag zur Er­for­schung und Pfle­ge die­ser ein­zig­ar­ti­gen Kul­tur­gü­ter ge­leis­tet und ver­pflich­tet sich, auch künf­tig für das na­tio­na­le Er­be Sor­ge zu tra­gen.