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Einzigartiger Schatz im Kulturhistorischen Museum

Pressemitteilung vom 08.09.2004

In der Numismatischen Sammlung des Kulturhistorischen Museums Rostock befindet sich ein auf den ersten Blick unscheinbares kleines, dunkles Holzkästchen. Es besitzt vier Schubladen mit Elfenbeingriffen und dient zur Aufnahme von insgesamt 46 Medaillen aus Feinzinn, die alle erhalten sind. Drei der Laden haben Vertiefungen für jeweils zwölf, die vierte jedoch nur für zehn Medaillen, da hier auch noch eine feuervergoldete Messingnadel zum Herausnehmen der Stücke ihren Platz findet.

Das Kästchen ist ein Medaillenkabinett, das eine sogenannte Medaillensuite enthält: auf den ersten Blick eine kleine kunsthandwerkliche Arbeit, die zufällig in die Sammlungen des Museums geraten ist, auf den zweiten jedoch ein außergewöhnlich interessantes, seltenes und bedeutendes Zeugnis der norddeutschen Medaillengeschichte und ein kostbares einmaliges Zeugnis der Rostocker Münzgeschichte.

Johann Memmies war von 1679 bis 1711 Münzmeister der Stadt Rostock und gehörte zu den wichtigsten Vertretern, die dieses Amt inne hatten und in der Münze am Ziegenmarkt arbeiteten. Er war 1670 mit seinem Vater, dem Lübecker Goldschmied Hans Memmies, der zuvor als Münzmeister in schwedischen Diensten gestanden hatte, an die herzogliche Münzstätte nach Güstrow gegangen. Nach dem Tod des Vaters 1673 übernahm er die Güstrower Münze. Am 1. Januar 1679 schloss Memmies den Münzmeistervertrag mit der Stadt Rostock. 1682 gab er seine Stelle als Güstrower Münzmeister auf, prägte aber bis 1695 in Rostock für Herzog Gustav Adolf von Mecklenburg-Güstrow. Seit 1684 war Memmies auch für die Stadt Wismar tätig. Mit dem Rückgang der Aufträge in Rostock ging er 1705 als Münzmeister nach Stettin, sicherte sich aber die Tätigkeit für die Rostocker Münze. Anfang 1709 kehrte er nach Rostock zurück, blieb aber nominell bis 1710 Münzmeister in Stettin. Ende August 1711 ging Johann Memmies nach Hamburg. Dort starb er hochverschuldet im Sommer 1719.

Wie kam aber nun die Suite in das Museum? Am 7. März 1701 bat der Memmies den Rostocker Rat um die Genehmigung, kupferne Dreipfennigstücke prägen zu dürfen. Schon lange wären keine Münzen mehr bei ihm bestellt worden und so seine Einkünfte stark zurückgegangen. Für den Fall der Genehmigung bot er dem Rat ein Geschenk an. Diese sei "eine Svite über die gantze Historie von 46 Medaillen". Er wolle dieses "zierlich Cabinet oder Kaßgen, mit solchen Pfennigen, neben die Historische explication, von englischen Zinen, zu EE. Rahts Archiv zum stehts wehrenden Dencken ein(...)senden", wie aus seinem Brief im Stadtarchiv hervorgeht. Obwohl der Rat nur Kupferpfennige im Wert von 200 Talern bei ihm bestellte, viel weniger als er gehofft hatte, überreichte er das versprochene Geschenk.

Die 46 Medaillen aus der vollständig erhaltenen Suite haben den Freiheitskampf der niederländischen Provinzen gegen die spanischen Habsburger zum Thema: Memmies kopierte dazu eindrucksvolle niederländische Silbermedaillen. Offensichtlich scheint ihm das Thema besonders am Herzen gelegen zu haben. Zugleich war er sich bewusst, dass Sammler, die es auch bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab, derartige kleine Kabinettstücke gerne ankaufen würden. So wollte Memmies, der als Rostocker Münzmeister wahrscheinlich wenig verdiente, seine Einkünfte aufbessern. Leider ging seine Rechnung nicht auf: Nur wenige Stücke wurden jemals verkauft.

Heute sind 42 der Zinnmedaillen im Königlichen Münzkabinett der Niederlande erhalten. Nur in Rostock ist ein vollständiger Satz inklusive des Kastens und der goldenen Nadel erhalten. Das macht das Medaillenkabinett im Kulturhistorischen Museum zu einem besonderen und einmaligen Stück von großer Bedeutung auch für die niederländische Geschichte. Es ist weltweit das einzige vollständig erhaltene. Heute ist es in der Dauerausstellung der Numismatischen Sammlung neben anderen Schätzen der Rostocker und hansischen Münzgeschichte zu sehen.

Dr. Steffen Stuth