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„Gedenkstücke” werden anlässlich des 25. Jahrestages der rassistischen Ausschreitungen von Lichtenhagen aufgeführt

Pressemitteilung vom 18.08.2017

Unter dem Titel „Gedenkstücke“ ist eine performative künstlerische Intervention der Künstlerinnen und Künstler Stefan Krüskemper, Oscar Ardila und Michaela Nasoetion anlässlich des 25. Jahrestages der rassistischen Ausschreitungen 1992 in Rostock-Lichtenhagen entstanden. Diese Intervention soll als lebendiges Gedenken im öffentlichen Raum vom 22. bis 26. August 2017 an Erinnerungsorten des Pogroms live aufgeführt werden.

Gemeinsam mit Rostocker Einwohnerinnen und Einwohnern haben die Künstlerinnen und Künstler dokumentarische Gesangsstücke in einem offenen partizipativen Prozess entwickelt. Die Auswahl authentischer Archivmaterialien wurde innerhalb des vom Amt für Kultur, Denkmalpflege und Museen geförderten Projekts „Lichtenhagen im Gedächtnis“ begleitet.

„Hier werden die Ereignisse von 1992 in einer sehr beeindruckenden Weise aufgearbeitet, die viele Menschen emotional ansprechen wird. Denn Einwohnerinnen und Einwohner unserer Stadt haben Mut bewiesen, sich öffentlich zu äußern und an dem Projekt engagiert mitgewirkt“, unterstreicht Dr. Michaela Selling, Leiterin des Amtes für Kultur, Denkmalpflege und Museen. „Null-Toleranz gegenüber Hass und Fremdenfeindlichkeit, das ist die Botschaft, die hier mit hervorragenden künstlerischen Mitteln aus unserer Hansestadt ausgesandt wird.“

Die Gesangsstücke, die von Menschen, die gern singen, improvisierend eingeübt wurden, setzen sich zum einen aus dem Archivmaterial von Recherchen, Dokumentarfilmen und Publikationen zusammen, zum anderen aus Quellen, die im Archiv „Lichtenhagen im Gedächtnis“ zu finden sind. Die Auswahl und Zusammenstellung der Songtexte entspricht einer freien, künstlerischen Interpretation, die im Laufe eines gemeinsamen Prozesses mit allen Beteiligten entstanden ist.

Die Rolle der Kunst ist, mit ihren Mitteln eine weitergehende Aufarbeitung des komplexen Themas zu initiieren, wider das Vergessen und Vereinfachen. Aus künstlerischer Sicht ist der besondere Moment von Interesse, in dem sich die Stimme zu Gesang erhebt, um Menschen auf einer anderen Ebene zu erreichen.Die Beteiligung von Rostocker Einwohnerinnen und Einwohnern ist ein Zeichen bürgerschaftlichen Engagements der demokratischen Gesellschaft mit ihren vielen Perspektiven auf das dunkle Kapitel.

Mit ihrer Stimme wirken mit Kristin Beckmann-Natzius, Robert Beckmann, Tomas Berger, Steffi Böttcher, Ruth Cosyns, Dr. Hikmat Al-Sabty, Luise Eberlein, Youssef Farhat, Florian, Hartmut, Gabriele Hesse, Christof Koert, Ulrike Kretschmer, Stephi Möller, Franziska Schell, Monika Schmidt, Sandra Uma Schmitz, Dr. Michaela Selling, Holger Stark, Tanja Zimmermann. Das Projekt konnte als zweitplatzierter Entwurf des Kunstwettbewerbs „Rostock-Lichtenhagen“ aufgrund seiner künstlerischen Qualität auf Empfehlung des Preisgerichts im Kern realisiert werden.

Die „Gedenkstücke“ werden aufgeführt am 22. August um 17 Uhr bei der Marienkirche; am 23. August um 17.30 Uhr an der Ostsee - Zeitung, Richard-Wagner-Straße 1, am 24. August um 17 Uhr am Rosengarten, Hermannstraße/Ecke August-Bebel-Straße; am 25. August um 17 Uhr an der Polizeiinspektion Rostock, Ulmenstraße 54, und am 26. August um 14 Uhr am Sonnenblumenhaus südlich der Mecklenburger Allee 18.

Darüber hinaus finden anlässlich des 25. Jahrestages der rassistischen Ausschreitungen in Lichtenhagen zahlreiche Veranstaltungen statt. Unter dem Motto „Erinnern und Mahnen – Veranstaltungen - Vielfalt.Miteinander.Leben – 25 Jahre Rostock-Lichtenhagen“ sind alle Einwohnerinnen und Einwohner sowie Gäste eingeladen, Ausstellungen, Foren und Diskussionsrunden sowie einen Tag der Vielfalt unter anderem am Sonnenblumenhaus zu besuchen.

Programmauswahl

seit 16. August bis 20. Oktober 2017, WaldemarHof, Waldemarstr. 33
Ausstellung „Vietnamesische Rostocker. Ehemalige Vertragsarbeiter erzählen“
Die Ausstellung entstand in den Jahren 2012 bis 2014 als Reaktion auf die vielen Anfragen, die den Verein Diên Hông damals im Hinblick auf die Erinnerung an die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen erreichten. Vietnamesinnen und Vietnamesen sowie Einheimische tauschten sich in Gesprächsrunden aus und brachten ihre Erinnerungen in Form von Texten und Fotografien schließlich in die Ausstellung ein.
In den 70er und 80er Jahren kamen zahlreiche Vietnamesinnen und Vietnamesen als Vertragsarbeitnehmer in die DDR. Ende der 80er Jahre waren es etwa 60.000 Frauen und Männer aus Vietnam, die hier arbeiteten und lernten. Welche Vorstellungen hatten sie von der DDR und den Deutschen? Wie erlebten sie die Wendezeit, als plötzlich alles ungewiss war? Warum entschieden sie sich, hier zu bleiben, und wie sehen sie ihre Perspektive heute? Mit Erinnerungen aus etwa 30 Jahren widmet sich die Ausstellung diesen Fragen.
Die Zitate und Bilder zeugen nicht nur von Höhepunkten des Lebens in einem (nicht mehr) fremden Land, sondern auch von den Tiefpunkten.
Diên Hông zeigt die Ausstellung 25 Jahre nach den Anschlägen von Lichtenhagen zum zweiten Mal, nicht nur, um zu erinnern, sondern auch als Ausgangspunkt für die Fragen, was sich in den letzten 25 Jahren geändert hat und wie die Stadt Rostock und ihre Einwohnerinnen und Einwohner heute mit dem Thema Zuwanderung umgehen.

Freitag, 18. August, 19 Uhr, Möckelsaal, Peter-Weiss-Haus
Podiumsdiskussion „25 Jahre Rostock-Lichtenhagen – Das Pogrom aus antifaschistischer Perspektive“
In der moderierten Podiumsdiskussion findet neben den Ereignissen von 1992 auch die aktuell-politische Situation Beachtung. In wie weit können die rassistischen Mobilisierungen von heute mit den Situationen Anfang der 90er verglichen werden? Welche Kontinuitäten bestehen zwischen Heidenau, Bautzen und Rostock-Groß Klein auf der einen Seite und Solingen, Mölln und Lichtenhagen auf der anderen Seite? Wo sehen die Zeitzeugeninnen und Zeitzeugen aber auch Unterschiede?

Montag, 21. August, 19 Uhr, Li.Wu. in der FRIEDA 23
Film & Publikumsgespräch „Wir sind jung. Wir sind stark.“
mit Regisseur Burhan Qurbani, Drehbuchautor Martin Behnke, Darsteller Axel Pape, Dr. Wolfgang Richter
Der Spielfilm „Wir sind jung. Wir sind stark.“ erzählt vom Gipfel der rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen 1992. Es ist die Geschichte eines Tages, dem 24. August 1992, aus dem Blickwinkel unterschiedlicher Menschen. Sie alle eint die Sehnsucht nach einer Heimat, Liebe und Anerkennung. Doch am Ende dieses Tages werden einige von ihnen um ihr Leben fürchten, während andere Molotow-Cocktails werfen und Interviews geben. „Wir sind jung. Wir sind stark.“ zeigt, wie eine Gesellschaft vor den Augen der Welt-presse, in einer der schlimmsten Ausschreitungen der deutschen Nachkriegsgeschichte, moralisch gegen die Wand fährt.
Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung MV, Bunt statt braun e.V.

Freitag, 25. August, 18 Uhr , Waldemarhof, Waldemarstr. 33
„Nichts gelernt? - Wie Behörden mit Betroffenen von Rassismus umgehen“
1992: Hunderte Rassistinnen und Rassisten greifen im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen tagelang die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAst) und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter an. Am Abend des 28. August setzen sie die Unterkunft der Vietnamesinnen und Vietnamesen, in der sich mehr als 100 Menschen befinden, in Brand. Die Polizei, die schon in den Tagen zuvor die Angriffe nicht wirkungsvoll verhinderte, hat sich zu diesem Zeitpunkt komplett zurückgezogen.

2000-2007: Der rassistischen Mordserie des Terrornetzwerkes Nationalsozialistischer Untergrunds (NSU) fallen neun Menschen zum Opfer. Bei Bombenanschlägen in Köln und Nürnberg werden zahlreiche Menschen verletzt, vielen von ihnen schwer. Die Polizei schließt Rassismus als Tatmotiv über Jahre aus. Vielmehr verdächtigt sie die Betroffenen und ihr soziales Umfeld.

2015-2016: Bundesweit mobilisieren Neonazis und andere Rassisten gegen Geflüchtete. In der Folge kommt es zu einer Welle von Angriffen auf Geflüchtete und deren Unterkünfte. Im Juni 2016 veröffentlicht Amnesty International den Bericht Leben in Unsicherheit – Wie Deutschland die Opfer rassistischer Gewalt im Stich lässt. Darin fordert die Organisation eine konsequentere Verhinderung und Aufklärung rassistisch motivierter Straftaten und thematisiert institutionellen Rassismus als ein mögliches Hindernis.
Wie hat sich der Umgang staatlicher Behörden mit betroffenen von Rassismus in den vergangenen 25 Jahren verändert? Welche Auswirkungen hat deren Agieren auf Betroffene? Welche Forderungen stellen diese? Was kann die aktive Zivilgesellschaft in Zusammenarbeit mit ihnen leisten, um Rassismus in all seinen Formen wirkungsvoller zu bekämpfen?
Diese Fragen wird 25 Jahre nach den rassistischen Pogromen in Rostock-Lichtenhagen und am Tag der Einweihung der Gedenkstele Staatsgewalt an der Polizeiinspektion Rostock diskutiert mit:
Dr. Dorothee Haßkamp - Themengruppe Antirassismus von Amnesty International
Mai Phuong Kollath - Interkulturelle Beraterin und Zeitzeugin
Maxime Sanvi Sodji-Antirassistischer Aktivist und Sozialarbeiter beim Ökohaus Rostock
Franz Zobel - Mitarbeiter des Thüringer Beratungsprojektes ezra
Veranstalter: Migrantenrat Rostock, Bunt statt Braun e.V., Waldemarhof e.V.

Freitag, 25. August, 20.30 Uhr, Wiese nördlich des „Sonnenblumenhauses“
Open Air Kino „Wir sind jung. Wir sind stark“
Auftaktgespräch mit Regisseur Burhan Qurbani sowie den Zeitzeugen Nguyen Do Thinh und Dr. Wolfgang Richter
Veranstalter: Bunt statt braun e.V., Kolping-Begegnungszentrum Lichtenhagen

„Tag der Vielfalt“ in Rostock, 26. August, 10 bis 22 Uhr
Fahrrad-Demo
Treff: 9.45 Uhr Neuer Markt
Die Demonstration führt entlang der Standorte der Kunstwerke:
10 Uhr Kunstwerk Politik, Neuer Markt 1a
10.30 Uhr Kunstwerk Medien, Ostsee-Zeitung, Richard-Wagner Str. 1
11 Uhr Kunstwerk Gesellschaft, Hermannstr. 1
11.45 Uhr Kunstwerk Staatgewalt, Polizeiinspektion, Ulmenstraße 54
14 Uhr Kunstwerk Selbstjustiz, Mecklenburger Allee 18

Ab 15 Uhr Wiese nördlich des „Sonnenblumenhauses“
Stände und Aktionen von Vereinen und Initiativen zum Informieren und Mitmachen
Dien Hong e.V., Spiel und Spaß mit den Stadtteil- und Begegnungszentren Rostocks, CSD e.V., Rostock hilft, Sportangebote des Stadtsportbundes, Migrantenrat Rostock, Ökohaus e.V., Groß Klein für Alle

Arbeiterwohlfahrt Rostock: Gesicht zeigen gegen Rassismus in Rostock!
Verschiedene Rostocker Vereine, Bündnisse, Kirchgemeinden, Verbände und engagierte Einzelpersonen haben dazu aufgerufen, ein deutliches Zeichen gegen Rassismus hier in Rostock zu setzen und sich gemeinsam mit den Betroffenen zu solidarisieren!
Alle Interessierten konnten auf einer „Wandernden Wand gegen Rassismus“ ihr persönliches Zeichen gegen Rassismus setzen. Die Aktion hatte am 17. März 2017 mit einer Kundgebung auf dem Universitätsplatz begonnen. Die Wand wurde in verschiedene Feste, Veranstaltungen und Projekttage eingebunden und so Plane um Plane beschrieben. Die gesammelten Werke (mehr als 25 gestaltete Planen) werden präsentiert. Und es gibt letztmalig die Gelegenheit eine eigene Aussage gegen Rassismus und für Vielfalt auf einer Plane zu gestalten.

Info-Zelt „Lichtenhagen im Gedächtnis - Vielfalt erleben“ im Rahmen der Partnerschaft für Demokratie, Der Verein „Soziale Bildung e.V.” präsentiert gesammelte Bestände des Archives „Lichtenhagen im Gedächtnis” und steht für Fragen zum Archiv zur Verfügung.

Gesprächs- und Diskussionsrunden mit dem Künstlerkollektiv Schaum und anderen Beteiligten der Einweihung des Kunstwerkes Selbstjustiz, unter anderem Ibrahim Aslan und Kenan Emeni

Bühnenprogramm:
15 Uhr
Begrüßung durch Elke Watzema, Vereinsvorsitzende Bunt statt braun e.V. und Ralf Mucha, Ortsbeiratsvorsitzender Lichtenhagen

Lichtenhagen - Worte der Religionsgemeinschaften Rostocks
Juri Rosov, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Rostock
Tilman Jeremias, Pastor für Mission und Ökumene im Ev.-Luth. Kirchenkreis Mecklenburg
Dr. Maher Fakhouri, Sprecher des Islamischen Bunds Rostock

Vokalquartett „Dreydl” der Jüdischen Gemeinde und viele andere Musikerinnen und Musiker
Perfomative künstlerische Intervention „Gedenkstücke“
Musikprogramm ab 16.30 Uhr mit Alex Diehl, Isolation Berlin, Fightball, Sookee, Odeville