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Grußwort von Oberbürgermeister Arno Pöker zur DRK-Festveranstaltung am 22. Juli um 11 Uhr im Hotel Neptun

Pressemitteilung vom 24.07.2000

24. Juli 2000

Es gilt das gesprochene Wort

Grußwort von Oberbürgermeister Arno Pöker zur DRK-Festveranstaltung am 22. Juli um 11 Uhr im Hotel Neptun

Als man 1870 im September eine Hilfssendung an die Front schickte, waren darin u. a. Wurst, Schinken, Seife, Talglichter, Rum und natürlich alles was man in einem Lazarett dringend benötigte. Zwar war die 300 Zentner schwere Spende der Rostocker Bevölkerung schon mit einem roten Kreuz auf weißem Grund gekennzeichnet, aber den Verein Deutsches Rotes Kreuz, den gab es noch nicht, der wurde offiziell erst 1880 gegründet. Unter dem Einfluss der von dem Schweizer Bürger Henry Dunant ins Leben gerufenen Bewegung, die heute weltweit als Rot-Kreuz- und Halbmond-Bewegung bekannt ist, bildet sich bereits 1864 in Schwerin ein Central-Verein zur Pflege verwundeter und erkrankter Krieger. Im Krieg 1866 gegen Österreich bildeten 13 adlige Damen, unter ihnen die Baronin von Maltzahn, Gräfin Blücher, Gräfin von Schlieffen, einen Mecklenburgischen Hilfsverein und riefen zu Spenden für die verwundeten und erkrankten Krieger auf. Erwünscht waren Geld, Bettzeug, Strohsäcke, Bekleidung, Heftpflaster, Leinwand alt und neu, Obst, Säfte und Tabakwaren. In Rostock riefen mehrere Einzelpersönlichkeiten wie Oberpostamtsdirektor Flügge, Senator Passow, Professor Roeper, Dr. Brunnengräber und Schuldirektor Dr. Krause die Bevölkerung zu Spenden auf. Rostock zählte damals 26 000 Einwohner. Stets wurde darauf hingewiesen, dass entsprechend den Grundsätzen des Roten Kreuzes die verwundeten Österreicher genauso versorgt werden müssen wie die eigenen Krieger.

Am 11. November 1866, einem Dank- und Friedensfest, an dem auch Henry Dunant teilnahm, gründete die preußische Königin Augusta den Vaterländischen Frauenverein. Er sollte die spontan entstandenen Frauengruppen zu einem großen Verband zusammenfügen und als fester und dauernder Verein bestehen bleiben. Bereits in der Satzung des Vereins wurden u. a. neben den Aufgaben in Kriegszeiten auch umfangreiche Tätigkeitsbereiche in Friedenszeiten festgelegt.

So sollte der Verein bei der Linderung außerordentlicher Notstände, die durch ansteckende Krankheiten, Teuerungen, Überschwemmungen, Feuerbrünste oder anderes entstanden, behilflich sein. Die Ausbildung von Pflegerinnen und die Verbesserung der Krankenhaussituation wurden gleichfalls in das Aufgabenspektrum mit einbezogen.

In Mecklenburg fand, aus welchen Gründen auch immer, der Vaterländische Frauenverein zunächst keinen Einzug. Erst 1880 wurde dann auch in Mecklenburg, übrigens als letzter in Deutschland, durch die Großherzogin Marie der "Mecklenburgische Marien-Frauen-Verein" gegründet, der später den Zusatz "Vom Roten Kreuz" erhielt. Im Gründungsjahr wuchs der Verein auf 227 Mitglieder an. Ob der Vortag des Geburtstages des Begründers des Roten Kreuzes, Henry Dunant, als Gründungstag gewählt wurde, ist nicht bekannt. Dunants Forderung, schon in Friedenszeiten Vorsorge zu treffen für Kriegszeiten, traf in Rostock auf wenig Gegenliebe. Vorwiegend widmete man sich im Rostocker Zweigverein der Fürsorge für kranke und schwache Kinder. Die Gemeindeschwestern reichten eine Liste der Bedürftigen ein, man prüfte vorherpersönlich die häuslichen Verhältnisse und sorgte für die nötige Ausstattung der Kinder bevor sie nach Müritz oder Bad Sülze zur Erholung auf Kosten des Vereins geschickt wurden. Auch ein Armen- und Krankenverein in der Stadt wurde in der Winterzeit finanziell unterstützt. Die nötigen Geldmittel wurden durch die Beiträge der Mitglieder und durch Gartenkonzerte der Militärkapelle und später auch Basare gedeckt. Neben der Erweiterung von Friedensaufgaben widmete man sich auch dem Grundanliegen des Roten Kreuzes mit der Ausbildung von Helferinnen und Hilfsschwestern, später kam dann noch eine Sanitätskolonne dazu. Die Erste-Hilfe-Ausbildung, heute eine Grundaufgabe des Roten Kreuzes, war um 1900 noch unbekannt, so dass es vor allem namhafte Ärzte wie Virchow, von Esmarch und Billroth waren, die auf die Verbesserung der Gesundheitsfürsorge hinwiesen. Die entstehenden Samaritervereine sollten in Kriegszeiten allerdings dem Roten Kreuz unterstellt werden.

Soweit ein Ausflug zu den Anfängen des Roten Kreuzes in Rostock. Lassen Sie mich nun die letzten 10 Jahre Revue passieren, denn heute feiern wir auch das 10jährige Bestehen des DRK-Kreisverbandes Rostock. Als eingetragener, gemeinnütziger Verein erfüllt er nicht nur seine Grundaufgaben, meine Vorredner haben dazu ausführlich gesprochen, sondern ist mit seinen 900 hauptamtlichen Beschäftigten auch einer der größten Arbeitgeber in der Stadt. Als bundesweit in dieser Beziehung wohl größter Kreisverband reicht sein Aufgabenspektrum von der Altenbetreuung, sowohl stationär als auch ambulant über die Betreuung von 340 behinderten Menschen bis hin zur Betreuung von 1700 Kindern in entsprechenden Tagesstätten. Mit über 70 Millionen Jahresumsatz ist das DRK in Rostock als größter Wohlfahrtsverband ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Es ist noch keine zwei Jahre her, da durfte ich selbst gemeinsam mit Professor Seidenschnur als Vorsitzenden des Kreisverbandes, die Schatulle versenken, wo heute das erst kürzlich eröffnete DRK-Pflegeheim in der Südstadt seiner Bestimmung übergeben wurde. Ein Jahr davor wurde eine der modernsten Werkstätten im Lande für Behinderte in Schmarl übergeben. Zur Zeit entsteht dort ein Anbau für weitere 80 Arbeitsplätze.

Im Bereich Kinder-, Jugend- und Familienhilfe ist es dennoch gelungen, seit der Wende keine Kündigung auszusprechen, in dem man durch intensive Personalarbeit bei den Kolleginnen untereinander um Verständnis warb, dass jede ein paar Wochenstunden abgab und so am Ende alle, bis auf die, die altersbedingt sowieso den Verband verlassen, in Arbeit gehalten werden konnten. Diese Form von Solidargemeinschaft steht einem Verband, der sich die Menschlichkeit auf die Fahnen geschrieben hat, sehr gut zu Gesicht. Dennoch bringen neuerliche Beschlüsse auch das DRK in Schwierigkeiten. Durch die Senkung der Anzahl der Zivildienstleistenden und ihrer Dienstzeit kommt der DRK-Fahrdienst in arge Bedrängnis, denn die wöchentlich mehr als 3000 Fahrten von behinderten Menschen müssen auch in Zukunft abgesichert werden.

Das Rote Kreuz in Rostock hat 8000 Mitglieder, von denen 500 aktiv ehrenamtlich tätig sind. In diesen Tagen, wo die Ostsee und der Strand zu unserer Stadt gehören wie das Salz in die Suppe, haben z. B. die 35 Rettungsschwimmer an den Stränden von Warnemünde und Markgrafenheide alle Hände voll zu tun. Ihnen ist es zu verdanken, dass im letzten Jahr 12 Badegäste vor dem Ertrinken gerettet wurden. Mit über 30 000 ehrenamtlich geleisteten Einsatzstunden sind sie auch für uns als Stadt ein wichtiger Partner. Eine Stadt, die sich dem Tourismus verschrieben hat, muss ihren Gästen bei aller Naturvor allem eins bieten: Sicherheit. Die Vorführungen heute Nachmittag am Strand - so habe ich mir sagen lassen - werden diesen Part besonders bedienen. Bei dieser Gelegenheit lassen Sie mich auch Dank sagen an die Kameradinnen und Kameraden der Bereitschaften, die ich bei Großveranstaltungen immer wieder treffe und die verlässlich die Erste-Hilfe absichern. Dabei fällt mir auf, dass zunehmend auch das Jugendrotkreuz in Erscheinung tritt. Das freut mich besonders.

Wenn ich eingangs davon sprach, dass die Erste-Hilfe-Ausbildung erst relativ spät vom Roten Kreuz als satzungsgemäße Aufgabe übernommen wurde, ist dies heute geradezu ein Synonym für DRK. Im letzten Jahr wurden z.B. in unserer Stadt 4352 Teilnehmer in lebensrettenden Sofortmaßnahmen geschult.

Hohe Anerkennung gebührt ebenfalls den Mitgliedern der Rot-Kreuz-Gemeinschaft, Wohlfahrt und Sozialarbeit, insbesondere die Blutspendebetreuung, den ehrenamtlichen Helfern in der Kleiderkammer und im Krankenhausbesuchsdienst, den Schwesternhelferinnen sowie der Altkameradschaft. Lassen sie mich an dieser Stelle noch einmal allen Blutspendern danken, die hier anwesende Presse wird sicher dafür sorgen, denn Mecklenburg-Vorpommern mit seiner überdurchschnittlich hohen Anzahl von Verkehrsunfällen braucht diese Form der Solidarität der Mitbürger in besonderem Maße. Ich habe draußen den großen Blutspendebus gesehen und hoffe, dass heute möglichst viele davon Gebrauch machen.

Auf den Straßen von Rostock ist das DRK mit seinen zahlreichen Autos ja gar nicht zu übersehen. Einerseits ist es der DRK-Fahrdienst aber natürlich sind es auch die gut ausgerüsteten Rettungstransporte, die auffallen und das Stadtbild geradezu mitbestimmen. Die drei Rettungswachen des Kreisverbandes, die rund um die Uhr besetzt sein müssen, sind zentraler Bestandteil des Rettungsdienstes der Stadt. Von den Rettungssanitätern und Rettungsassistenten verlangt man, dass sie bei Gefahr sofort von Null auf Hundert sind. Eine Arbeit, die uns Achtung abverlangt.

Eine intensive und umsichtige Arbeit wird auch im Aussiedlerwohnheim in Schmarl geleistet. So wurden im Übergangswohnheim allein im letzten Jahr 133 Spätaussiedler und deren Familien aufgenommen. Dabei kommen mehr und mehr Menschen mit über 80 Jahren, die es besonders schwer haben, sich einzugewöhnen und deshalb verweilen sie länger als üblich im Heim und bedürfen größerer Hilfestellung.

Uns als Stadt ist durchaus bewusst, dass Aufgaben wie z. B. der Bahnhofsdienst, die Kleiderkammer, die Sozialbetreuung und viele kleine Dienstleistungen die Zeit und Geld kosten, für die die Stadt keine Mittel zur Verfügung stellen kann, vom DRK in Rostock dennoch gemacht werden. Dafür danken wir ihnen.

Gemeinsam mit der Caritas betreiben Sie seit Jahren eine Schuldnerberatung. Damals war es ein Versuch, geboren aus den finanziellen Zwängen, aber die Praxis zeigt, dass auch ein aus der Not geborenes Zusammenrücken von ursprünglich Mitbewerbern durchaus möglich ist. Eine ähnliche Tendenz stelle ich auch im DRK Kinder- und Jugendhaus in Toitenwinkel fest, wo das DRK lediglich als Träger fungierte und neben seinen eigenen Projekten die unterschiedlichsten Freizeitangebote anderer Träger aber unter seinem Dach anbietet. Hier merkt man, dass es Ihnen um die Sache geht. Dafür noch ein anderes Beispiel. Kürzlich las ich in der Presse von einem Landesmodellprojekt, das seit drei Jahren beim DRK-Kreisverband angesiedelt ist. Da ging es darum, dass Erzieherinnen und Leiterinnen von Kindereinrichtungen der unterschiedlichsten Träger nach den neuesten pädagogischen Erkenntnissen geschult wurden. Wirklich einmalig ist für mich, dass diese Weiterbildung jeder Träger in und um Rostock nutzen konnte und dass so 935 Erzieherinnen und Leiterinnen, die eben nicht beim DRK arbeiten, aber vom Roten Kreuz fachlich geschult wurden. Das war keineswegs unentgeltlich, wohl aber freiwillig. Die Verleihung des Titel "Staatlich Anerkannte Einrichtung der Weiterbildung" ist eine schöne Belohnung für das Beschreiten neuer Wege.

Das Rote Kreuz in Rostock ist ein traditionsreicher Verein, der die Zeichen der Zeit gleich nach der Wende verstanden hatte, der so zu einem der größten DRK-Kreisverbände avancierte, ohne zu wissen, ob dies wirklich der Zug der Zeit war. Aber Mut gepaart mit klarem wirtschaftlichem Denken und dabei nicht vergessend, dass auf ihrer Fahne ein rotes Kreuz weht, hat diesen Verband dorthin gebracht, wo die haupt- und die ehrenamtlichen Mitarbeiter an so einem Tag wie heute auch einfach mal stolz sein können. Gemeinsam haben Sie sich Ihren Erfolg organisiert. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns als Stadt, dass wir auch weiterhin so partnerschaftlich zusammenarbeiten.