Keine Alternative zum Sparen
Pressemitteilung vom
Zur finanziellen Situation der Hansestadt Rostock
Die finanzielle Lage unserer Hansestadt ist verhängnisvoller denn je. Das heißt aber nicht, dass wir kein Geld haben. Im Jahr 2003 rechnet der Finanzsenator mit Einnahmen in Höhe von etwa 360,9 Mio. Euro. Dies reicht nicht, um alle laufend notwendigen Ausgaben für zu bezahlen. Es fehlen 53,9 Mio. Euro in der Kasse. Auch im Jahr 2001 und im Jahr 2002 hatte Rostock wesentlich mehr finanzielle Verpflichtungen als Einnahmen. Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft seither immer schneller auseinander. Unsere Schulden steigen ständig. Wie wird die finanzielle Lücke in diesem Jahr geschlossen? Die Stadt muss hohe Kassenkredite aufnehmen, für die natürlich Zinsen zu zahlen sind. So steigen die Ausgaben zusätzlich. Im Jahr 2003 ist schon jeder achte Euro kreditfinanziert, 2006 wird es fast jeder dritte sein.
Verwaltungshaushalt der Hansestadt Rostock in Mio. Euro Jahr 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Einnahmen 364,5 346,0 360,9 358,7 359,7 361,0 Ausgaben 376,3 393,6 414,8 454,7 465,8 512,0 Auszugleichender Fehlbetrag insgesamt - 11,8 - 47.6 - 53,9 - 96,0 - 106,1 - 151,0
Die Mittel,die unsere Stadt für Investitionen zur Verfügung hat, sinken von Jahr zu Jahr. Rostock ist - wie auch die meisten anderen ostdeutschen Städte - von Geldern aus Land und Bund abhängig. Die allgemeine Finanzkrise ist bekannt. Welche Gelder uns für neue Investitionen nach 2004 zur Verfügung stehen werden, ist noch sehr unsicher.
Investitionshaushalt der Hansestadt Rostock in Mio. Euro Jahr 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Einnahmen bzw. Ausgaben 141,4 154,7 146,6 99,2 58,37 55,7
Beim Investitionshaushalt ist gestztlich vorgeschrieben, dass die Ausgaben nur so hoch wie die Einnahmen sein dürfen.
Was bedeutet Haushaltsicherung?
Wichtig zum Verständnis der Rostocker Lage sind auch gesetzliche Grundlagen, die zu beachten sind. Das kommunale Haushaltsrecht verpflichtet Rostock zu einer stetigen Aufgabenerfüllung. Diese umfasst Pflichtaufgaben wie Einwohnermeldewesen, Unterhaltung der Feuerwehr, Sozialleistungen und den Betrieb von Schulen, Abfallentsorgung und Straßenreinigung. Aber auch Angebote im sogenannten „freiwilligen Bereich“ der Kultur und des Sportes sind zu finanzieren. Es besteht die Verpflichtung, in jedem Haushaltsjahr „den Haushalt auszugleichen“, das heißt: Die Einnahmen müssen den Ausgaben entsprechen. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung entscheidet die Bürgerschaft als das maßgebliche Gremium der Hansestadt nach öffentlichen Diskussionen jährlich über die Verteilung der Mittel. Dabei gilt der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, gesetzliche Vorgaben sind bindend. Für Kreditaufnahmen im Investitionshaushalt bedarf es allerdings einer Genehmigung des Innenministeriums des Landes als Rechtsaufsicht. Zinsen und Tilgungen sollen für die nächsten Jahre nicht zu viele finanzielle Mittel binden. Denn auch in Zukunft soll die Daseinsfürsorge für die Rostockerinnen und Rostocker funktionieren.
Wenn eine Stadt ihren Haushalt nicht ausgleichen konnte, ist sie gesetzlich verpflichtet, der Rechtsaufsicht ein Haushaltssicherungskonzept vorzulegen. Darin müssen alle Maßnahmen genau beschrieben werden, die zu einem ausgeglichenen Haushalt führen, also Einnahmeerhöhungen oder/und Ausgabenreduzierungen, aber auch der Zeitpunkt, zu dem die Stadt wieder in der Lage sein wird, einen ausgeglichenen Haushalt vorzuweisen.
Wann ist Rostock wieder handlungsfähig?
Derzeit kann niemand in der Stadt sagen, in welchem Jahr und wie Rostock das Ziel Haushaltsausgleich erreichen kann und wird. Die Konsequenzen sind weitreichend. Rostock kann seine finanzielle Leistungsfähigkeit für die Zukunft nicht mehr nachweisen. Ein Teil unserer „Freiheit“, der kommunalen Selbstverwaltung, haben wir an die Rechtsaufsichtsbehörde verloren. Die Stadt durfte 2002 nur noch kleinere Kredite für neu beginnende Investitionsmaßnahmen aufnehmen. In den neunziger Jahren betrug die jährliche Nettokreditaufnahme 19 Mio. Euro. Es ist zu befürchten, dass Rostock künftig außer für die bereits begonnenen Investitionen keine Kredite mehr aufnehmen darf. Die Folge: Nur noch das Notwendigste wird aus den Eigenmitteln investiert werden können. Das Projekt Schulsanierung wird sich in den nächsten Jahren verzögern. Es wird ein stetig wachsender Sanierungsstau bei städtischen Immobilien, Straßen, Brücken, Geh- und Radwegen zu verzeichnen sein. Fördermittel können nicht mehr in Anspruch genommen werden, weil die städtische Mitfinanzierung nicht aufzubringen ist. Das Jahr 2003 bringt eine weitere Einschränkung unserer Entscheidungsfreiheit. Nachdem im Jahr 2002 schon harte Auflagen für Personalwirtschaft und die Kreditaufnahme durch das Innenministerium erteilt wurden, übersteig en jetzt die notwendigen Kassenkredite im Verwaltungshaushalt die gesetzliche Obergrenze von zehn Prozent der Einnahmen bei weitem. Damit unterliegt auch die Kassenkreditaufnahme für den Verwaltungshaushalt der Genehm igung durch das Land. Auflagen für Einschränkungen der Ausgaben in allen Senatsbereichen sind zu erwarten.
Wie konnte es soweit kommen?
Die Einnahmen bleiben gleich bzw. sinken langsam, aber stetig. Die Ausgaben dagegen steigen stetig.
Einnahmen:
Rostock erwartet 2003 gegenüber 1999 sinkende Gewerbesteuereinnahmen von 8,1 Mio. Euro. Nur 12,6 Prozent aller Unternehmen in Rostock zahlen Gewerbesteuer. Einnahmen aus der Einkommenssteuer und Umsatzsteuer stagnieren. Die Schätzungen des Steueraufkommens werden laufend nach unten korrigiert. Die lahmende Konjunktur macht weitere erhebliche Einbrüche wahrscheinlich. Wie überall in Deutschland verliert auch Rostock überwiegend durch die demographische Entwicklung pro Jahr bis zu 3.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Für die Jahre 1998 bis 2001 sank die Einwohnerzahl mit Hauptwohnsitz um 13.751 auf unter 200.000 Menschen (Stand am 31.12.2001: 198.964). Damit verlor die Stadt auch ca. 12 Mio. Euro Landeszuweisungen. Dieser langfristige Trend ist durch städtische Maßnahmen allein nicht aufzuhalten. Die Aufgaben jedoch bleiben. Eine Anpassung an geringere Bevö lkerungszahlen gelingt nur über längere Jahre.
Ausgaben:
Der Gesetzgeber verpflichtet die Kommunen zu immer umfangreicheren Aufgaben. Was auf Bundesebene beschlossen wird, muss auf kommunaler Ebene bezahlt werden. Das Land hat sich in der Vergangenheit ähnlich verhalten.
Was führt zur Kostensteigerung?
Umfangreiche Aufwendungen für neu übertragene Aufgaben, Tarif- und Mietsteigerungen, steigende Sozial- und Jugendhilfekosten, Zinsen für aufzunehmende Kassenkredite, Verlustausgleich für kommunale Unternehmen, höhere Ausgaben für Betriebs- und Sachkosten.
Warum spart die Stadt 2003 nicht das fehlende Geld ein?
Wir haben schon in der Vergangenheit Ausgaben gestrichen und auf allen Gebieten gespart. Die Einsparungen haben aber nicht ausgereicht. Kein Zoo, kein Theater, keine Musikschulen, keine Bibliothek, keine Volkshochschule , keine Schwimmhalle, kein Mau, keine Stubnitz, keine Compagnie de Comédie, keinerlei Zuschüsse an Kultur und Sportvereine, kein Frauenhaus, drastische Reduzierung von Beratungsangeboten, keine Unterstützung von Selbsthilfegruppen, keine Stadt- und Messehallen mehr - dies alles würde uns 30,4 Mio. Euro an Zuschüssen sparen lassen. Damit fehlen immer noch 23,5 Mio. Euro in der Kasse. Der Hauptwirkung dieser hypothetischen radikalen Maßnahmen wäre allerdings eine große Stadt ohne städtisches Leben. Das will niemand. Und im Pflichtbereich derartige Summen in einem Jahr aufzubringen ist undenkbar.
Kann Rostock allein aus der Misere finden?
Nein. Für uns und viele andere Kommunen der Bundesrepublik gilt gleichermaßen nach wie vor, dass wir aus dem aktuellen Finanzloch nicht aus eigener Kraft herauskommen können. Unsere Erwartungen und Forderungen sind deshalb nach Berlin und auf die angekündigte umfassende Reform der Gemeindefinanzen gerichtet. Auch das Land steht in der Pflicht. Es ist fünf nach zwölf.
Können wir die Reformen abwarten?
Nein. Gesetzesänderungen sind noch nicht in Sicht. Und es dauert in der Regel Jahre, bis eine Reform greift. Die Bundesrepublik ist in einer allgemeinen Finanz- und Wirtschaftskrise. Der europäische Stabilitätspakt ist zu erfüllen. Die jährliche Neuverschuldung der Kommunen darf ein Prozent nicht übersteigen. Unsere städtischen Schulden wachsen durch die Aufgabenlast täglich. Diese müssen in jedem Fall bezahlt werden, auch wenn die Einnahmen die laufenden Kosten decken würden. Zum großen Teil muss die Stadt sich daher selber aus dem Sumpf ziehen.
Was bedeutet Haushaltsicherung in Rostock für die Einwohnerinnen und Einwohner?
Die übliche Leidensliste von kommunalen Haushaltsicherungsmaßnahmen ist lang, ein Blick in andere Kommunen ist da aufschlussreich, z. B. nach Freiburg, Bielefeld und Schwerin: Schließungen von Einrichtungen, Reduzierung von Öffnungszeiten, längere Behördenwartezeiten, weniger Service der Stadt, Erhöhung von Fahrpreisen und Reduzierung des öffentlichen Nahverkehrs, Reduzierung von Sozialleistungen, größerer Personalabbau, Verkauf von städtischem Eigentum, höhere Eintrittspreise, Gebührenerhöhungen, weniger Zuschüsse für Vereine, weniger Theater, Steuererhöhungen, weniger Licht auf den Straßen ... Es soll hiermit offen ausgesprochen sein: Jede und jeder in unserer Stadt wird in irgend einer Weise von Sparmaßnahmen betroffen sein. Und die Einschnitte werden weh tun.
Wie kann es weiter gehen?
Unsere Stadt hat allgemein gute Ausgangsbedingungen: landschaftlich schön gelegen an Warnow, Ostsee und Heide, sanierte Wohngebiete, einen vorzüglichen Nahverkehr, eine attraktive Innenstadt, um diese uns viele beneiden, Universitätsstandort, kontinuierlich entwickelndes Gewerbe, Wirtschaftstandort, Schifffahrt- und Fährstandort, ein vielfältiges Kultur-, Sozial- und Sportangebot. Noch ist Rostock eine junge Stadt. Die Menschen sind gut ausgebildet.
Bürgerschaftliches Engagement wird in Zukunft noch unverzichtbarer. Für welche Leistungen sind die Rostockerinnen und Rostocker bereit, auch selbst aktiv zu werden? Verwaltung, Politik, Bevölkerung müssen gemeinsam Wege finden einen offenen Diskussions- und Veränderungsprozess einzuschlagen. Wir müssen alle gemeinsam lernen, auf Wünschenswertes zu verzichten, um das Notwendige zu erhalten. Über das Notwendige lässt sich natürlich streiten. Aber auch das ist eine Aufgabe in Rostock, Auseinandersetzungen sachlich, nach außen transparent und offen auszutragen. In besonderer Verantwortung dafür stehen Verwaltung, Bürgerschaft und Personalrat. Entscheidungen müssen länger halten als eine Wahlperiode. Gewerkschaften, Kammern, Verbände, Vereine, aber auch die Medien sind bei der Mitwirkung gefragt. Alles wird davon abhängen, ob die Atmosphäre sich so verändern lässt, dass ein Ruck der Veränderung durch unsere Hansestadt geht. (mm)
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