Home
Navigation

Kommunaler Präventionsrat untersucht Jugendkriminalität

Pressemitteilung vom 12.04.2000


Positionspapier forscht nach Ursachen

Jugendkriminalität ist heute Thema einer Expertenberatung in der Hansestadt Rostock unter Schirmherrschaft des Rostocker Präventionsrates. Zum Bundespräventionsprogramm „Weiterentwicklung der Prävention delinquenten Verhaltens von Kindern und Jugendlichen in Rostock“ findet ein 2. Fachtag statt. Dazu werden Mitarbeiter der Polizei, der Staatsanwaltschaft, der Sozialen Dienste, der Justiz, der Jugendgerichtshilfe, der Pädagogischen Dienste, freier Träger, der Jugendhilfe, Beratungslehrer, Berufsschullehrer, Schulleiter, Jugendrichter u. a. eingeladen. Im Mittelpunkt der Fachtagung stehen Probleme der ämterübergreifenden Zusammenarbeit beim Umgang mit Kinder- und Jugendkrimnalität.

Der Kommunale Präventionsrat der Hansestadt Rostock befasste sich in seinen letzten Sitzungen mit der Problematik „Jugendkriminalitätsprävention“. Auf der Basis detaillierter Aussagen und Erkenntnisse von Polizei, Staatsanwaltschaft, Stadtverwaltung, Staatlichem Schulamt, Arbeitsamt Rostock und Bundesgrenzschutz wurde das nachfolgende Positionspapier zusammengestellt.

Positionspapier des Kommunalen Präventionsrates der Hansestadt Rostock zur „Jugendkriminalitätsprävention“

(1) Gesellschaftliche Ursachen

Zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen weisen auf Ursachen und begünstigende Bedingungen der Jugendkriminalität hin. Im Besonderen spielen folgende Zusammenhänge eine Rolle:
-     soziales Umfeld und gesellschaftliche Bedingungen,
-     Arbeitslosigkeit, Lehrstellensituation, wirtschaftliche Probleme,
-     Erziehungsdefizite,
-     Wertewandel,
-     Konsumangebot und Einfluss der Medien.

(2) Jugendkriminalität als Durchlaufphase des Soziali-ationsprozesses

Jugendkriminalität ist überwiegend eine Episode des Sozialisationsprozesses, etwas Vorübergehendes. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen geben häufig Neugier, Übermut, Erlebnisdrang, Suche nach Abwechslung und Aufregung, Prestige, Statusgewinn usw. als Anlass den Einstieg. Nach Statistiken steigt die Gewaltkriminalität weltweit. Verlässliche Trendaussagen lassen sich im Vergleich zu vorherigen Jahrzehnten nur schwer treffen, da eine Änderung der Erfassungsmodalitäten dies vielfach nicht erlaubt. Mecklenburg-Vorpommern lag der Anteil der unter 21-Jährigen an den ermittelten Tatverdächtigen im Jahr 1998 bei 40,5 Prozent.

(3) Charakteristik der Jugendkriminalität in der Hansestadt Rostock

Die Kriminalität von Erwachsenen und Jugendlichen unterscheidet sich auch im Erscheinungsbild. Kriminelle Jugendliche treten sehr oft in Gruppen auf und sind eher planlos in der Öffentlichkeit unterwegs. Bei diesen handelt es sich überwiegend um männliche Jugendliche. Drogen- und Alkoholkonsum spielt oft eine Rolle. Die Mehrzahl der Straftaten sind Bagatelldelikte. Etwa 80 Prozent der Einzelverfahren der Altersgruppe unter21 Jahre in der Hansestadt Rostock gehören zu den Diebstahlsdelikten. Etwa fünf Prozent aller mit dem Gesetz in Konflikt geratenen Jugendlichen sind Mehrfachtäter. Kriminelle Jugendliche prägen oft eine „Parallelkultur“ aus, verhalten sich im Gerichtsaal eher angepasst und anders als auf der Straße. Übereinstimmend konstatierten Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe für die vergangenen Monate keinen Anstieg der Jugendkriminalität in der Hansestadt. Bei den 14- bis 21-Jährigen geht die Kriminalität zurück. Rund 85 Prozent aller Jugendlichen kommen nicht in Gesetzeskonflikt.

(4) Arbeitsgruppe Jugendkriminalitätsprävention

Die Arbeitsgruppe „Jugendkriminalitätsprävention“ des Präventionsrates untersucht im Rahmen eines bundesweiten Modellprojektes die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen und Behörden und zeigt Defizite auf. Die Arbeit ist fortzusetzen. Ergebnisse werden jetzt zum Fachtag öffentlich vorgestellt.

(5) Zusammenarbeit von verschiedenen Einrichtungen/Defizite

In der Diskussion wurden Defizite bei der Zusammenarbeit von Einrichtungen festgestellt.
-     So ist bei jugendlichen Mehrfachtätern ein Frühwarnsystem mit schnellem Informationsaustausch erforderlich.
-     Das Vormundschaftsgericht ist als Schnittstelle, an der die Informationen zusammenlaufen, stärker einzubeziehen. Dies sollte die Arbeitsgruppe „Jugendkriminalitätsprävention“ berücksichtigen.
-     Noch aktiver als bisher sollten das Jugendamt und der sozialpädagogische Dienst der Gerichte werden. Reserven gibt es auch bei Aktivitäten an den Schulen.
-     Der Betreuung von kriminellen Kindern und Jugendlichen durch die Jugendgerichtshilfe beginnt mit deren 14. Lebensjahr.
-     Empfehlenswert ist, dass die Jugendgerichtshilfe des Jugendamtes Regionalteams in den Stadtteilen weiter ausbaut und bei der Kontaktaufnahme zu kriminellen Heranwachsenden von der „Komm“- Struktur zur „Geh“- Struktur übergeht.

(6) Kinderkriminalität

Alarmierend ist die Zunahme der Kinderkriminalität im Alter bis zwölf Jahre. Diese entwickelte sich im 1. Halbjahr 1999 auf 27,4 Prozent bei den unter 21-Jährigen. Für die Statistik 1999 wird insgesamt mit einem steigendem Anteil der Kriminalität der bis 12-Jährigen gerechnet.

Nichtstrafmündige, die durch intensive und schwerwiegende Delikte auffallen, gibt es im Jahr ca. 2 - 5 im gesamten Landgerichtsbezirk. In der Hansestadt Rostock sind zur Zeit zwei aktuelle Problemfälle bekannt. Der Entwicklung ist ständig Aufmerksamkeit zu schenken.

(7) Drogen

Der Beginn der Kriminalitätskarriere ist oftmals mit Drogenkonsum verbunden.

Problematisch ist dabei, dass Drogenberatungsstellen mit ihren Angeboten vorrangig in der Innenstadt zu finden sind. In den Plattenbaugebieten, in denen die Betreffenden wohnen, fehlen ausreichende Angebote. Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz haben ein hohe Dunkelziffer. Umfassende empirische Daten für die Hansestadt Rostock liegen zur Zeit nicht vor. Die Arbeitsgruppe „Illegale Drogen“ des Präventionsrates erarbeitet einen Situationsbericht einschließlich Defizitanalyse zu dieser Problematik.

(8) Schulschwänzer

Kinder- und Jugendkriminalität geht in der Regel mit kontinuierlichem Schulschwänzen einher. Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus gestaltet sich oftmals schwierig. Briefe des Staatlichen Schulamtes informieren die Elternhäuser über das Schulversagen ihrer Kinder und beauflagen gleichzeitig.

Eine Regelung zur Informations-weitergabe und Zusammenarbeit verschiedener Einrichtungen zum Schulversagen wäre nützlich. Es sollte geprüft werden, in welcher Form Schulversager über die bereits bestehende Praxis hinaus, von freien Trägern und Projekten - zur Zeit sind drei Vereine aktiv - noch besser erreicht werden können.

Der Kommunale Präventions-rat der Hansestadt Rostock

Hinweise und Anregungen nimmt die Koordinatorin des Kommunalen Präventionsrates, Dr. Martina Schüler, unter Telefon 3 81 50 04 entgegen.