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Na­vi­ga­ti­on

Lau­da­tio auf Kul­tur­preis­trä­ger Ralph Kirs­ten von Tho­mas Wer­ner, stell­ver­tre­ten­der Lei­ter des Am­tes für Kul­tur, Denk­mal­pfle­ge und Mu­se­en

Pres­se­mit­tei­lung vom 26.11.2021 - Kul­tur, Frei­zeit, Sport / Um­welt und Ge­sell­schaft

Sehr ge­ehr­te Da­men und Her­ren Ab­ge­ord­ne­te des Bun­des, des Land­ta­ges und der Bür­ger­schaft,
sehr ge­ehr­ter Herr Se­na­tor,
mei­ne sehr ver­ehr­ten Da­men und Her­ren,
sehr ge­ehr­ter Herr Kirs­ten, lie­ber Ralph,

du wirst heu­te ge­ehrt, weil du Dir in den ver­gan­ge­nen De­ka­den als In­itia­tor, Netz­wer­ker und Mo­ti­va­tor gro­ße Ver­diens­te er­wor­ben und ei­nen Ruf als um­trie­bi­ger Ma­cher und Kul­tur­ma­na­ger er­ar­bei­tet hast.

Be­vor ich wei­ter da­zu aus­füh­re, las­sen Sie mich et­was aus­ho­len:

Ralph Kirs­ten wuchs in Dres­den auf und kam 1976 zum Stu­di­um nach Ros­tock. Die Schiffs­tech­nik soll­te es sein. Al­ler­dings fliegt er we­gen po­li­ti­scher Re­ni­tenz schon im 2. Se­mes­ter von der Uni­ver­si­tät. Nach ei­ni­gem Va­ga­bun­die­ren durch Leip­zig und Ber­lin führt es ihn wie­der nach Ros­tock, zur War­now-Werft, wo er Di­plom­in­ge­nieur wird. Ein Un­fall im Die­sel­mo­to­ren­werk be­en­det die­sen Le­bens­ab­schnitt und Ralph Kirs­ten schreibt sich an der Hum­boldt Uni­ver­si­tät zu Ber­lin ein, um in Phi­lo­so­phie zu pro­mo­vie­ren. Mit Be­ginn der fried­li­chen Re­vo­lu­ti­on 1989 sind dann ganz neue, ganz an­de­re Her­aus­for­de­run­gen zu be­wäl­ti­gen.

Die Pro­mo­ti­on kommt nicht zu­stan­de, statt­des­sen tut sich Ralph Kirs­ten mit wei­te­ren Leu­ten zu­sam­men, die sich mit po­li­tisch und kul­tu­rell en­ga­gie­ren wol­len, um die neu ge­won­ne­ne Frei­heit in ih­rem Sin­ne zu ge­stal­ten. Als Mit­glied der Ver­ei­nig­ten Lin­ken wird sich an der Welt­re­vo­lu­ti­on ver­sucht. So kommt Ralph Kirs­ten im Früh­jahr 1990 für ei­ni­ge Wo­chen zum ei­nem Funk­tio­närs­pos­ten. Er wird Stadt­rat oh­ne Ge­schäfts­be­reich. Be­son­ders in­ter­es­siert ver­folgt er das Ge­sche­hen in der Kul­tur­ab­tei­lung.

Un­ge­fähr in die­se Zeit fal­len mei­ne ers­ten Be­geg­nun­gen mit Ralph. Da ich meist an den Wo­chen­en­den ar­bei­te­te, hat­te ich mon­tags und diens­tags frei. Und war mon­tag­abends oft im Stu­den­ten­kel­ler. Ir­gend­wann am Abend kam dann meist auch ein Mann, den wir den Phi­lo­so­phen nann­ten. Schon da­mals hat­te Ralph im­mer ei­ne Ta­sche über der Schul­ter und meist schau­te Lek­tü­re her­aus, oft war es die Zeit­schrift „Thea­ter der Zeit“. Ich ar­bei­te­te da­mals im Ju­gend­klub DT64, der zur Kul­tur­ab­tei­lung des Ra­tes der Stadt ge­hör­te. Ralph Kirs­ten war al­so in die­sen stür­mi­schen Zei­ten für ei­ni­ge Wo­chen mein Chef. Nun bin ich nicht da­für be­kannt, Lob­lie­der auf mei­ne Vor­ge­setz­ten zu sin­gen, heu­te ma­che ich sehr gern ei­ne Aus­nah­me.

Nach dem In­ter­mez­zo beim Rat der Stadt mach­te sich Ralph Kirs­ten auf den Weg, um mit Gleich­ge­sinn­ten die freie Kul­tur in Ros­tock auf­zu­bau­en.

1990 wur­de der Ver­ein Netz­werk ge­grün­det, die ers­te Ge­ne­ra­ti­on von frei­en Kul­tur- und Ju­gend­ein­rich­tun­gen wur­de auf­ge­baut. Aus dem „Netz­werk - Selbst­hil­fe­ver­ein zur För­de­rung al­ter­na­ti­ver Ar­beits- und Le­bens­for­men in Meck­len­burg-Vor­pom­mern e.V., wird spä­ter das Kul­tur­netz­werk e.V., das heu­te Ra­dio LOHRO be­treibt.

Ralph Kirs­ten war der Ge­burts­hel­fer der ers­ten Ge­ne­ra­ti­on von frei­en Kul­tur- und Ju­gend­ein­rich­tun­gen, im­mer um­trie­big, nie sei­nen Dresd­ner Ak­zent ver­ber­gend, kann er of­fen­bar mit der meck­len­bur­gi­schen Men­ta­li­tät gut um­ge­hen.

Er kom­mu­ni­ziert, or­ga­ni­siert, be­schafft Geld und Räu­me, sorgt für Ide­en und bringt Leu­te zu­sam­men. Er ist Grün­dungs­mit­glied und min­des­tens An­re­ger, Be­ra­ter und Un­ter­stüt­zer von un­zäh­li­gen Ver­ei­nen und Pro­jek­ten in die­ser Stadt. Oh­ne An­spruch auf kor­rek­te Chro­no­lo­gie oder Voll­stän­dig­keit möch­te ich ei­ni­ge Un­ter­neh­mun­gen auf­zäh­len, in de­nen Ralph Kirs­ten sei­ne Fin­ger, der ge­nau­er, sei­nen Kopf drin hat­te:

in­sti­tut für neue me­di­en - me­di­en­werk­statt ros­tock,

Vi­deo­ko­ope­ra­ti­ve JA­KO e.V.

mo­bi­le kunst­schu­le (heu­te kunst schu­le ros­tock),

Ro­ci­ne e.V. (Licht­spiel­thea­ter Wun­der­voll),

Neu­grün­dung des M.A.U.-Clubs im Stadt­ha­fen, Za­brik e.V.,

AG Freie Kul­tur­trä­ger Ros­tock,

Bunt­stif­tung MV (heu­te Hein­rich-Böll-Stif­tung),

Fahr­rad- und Kfz-Selbst­hil­fe­ver­ein,

Wohl­tat tech­ni­sche Hil­fe e.V.,

Film­pro­duk­ti­on Die Füch­se,

Selbst­hil­fe­kon­takt­stel­le Ros­tock e.V.,

LAG Rock und Pop (PopKW) und

baf e.V., und nicht zu­letzt

beim Li­te­ra­tur­haus Ros­tock, wo er sich bis heu­te im Vor­stand en­ga­giert.

Er steht dem Li­te­ra­tur­rat Meck­len­burg-Vor­pom­mern vor und ist Mit­glied der Lan­des­ar­beits­ge­mein­schaft So­zio­kul­tur.

Bei Ra­dio LOHRO z. B. war Böck, wie ihn vie­le Ra­dio- und Kul­tur­ar­bei­ter nen­nen, so ziem­lich al­les, was so ein gro­ßes Pro­jekt er­for­dert:

Als Kul­tur­ma­na­ger galt es zu­nächst wei­te­re En­thu­si­as­ten zu fin­den, die aus ei­ner schö­nen Idee ein trag­fä­hi­ges Pro­jekt ma­chen.

Dann war Ralph: Ide­en­ge­ber und Or­ga­ni­sa­tor, Geld­be­schaf­fer und Buch­hal­ter, Per­so­nal­ver­wal­ter und Pro­gramm­ver­ant­wort­li­cher, Ge­schäfts­füh­rer und Haus­meis­ter,

Kon­flikt- und Kri­sen­ma­na­ger, Ver­eins­vor­sit­zen­der und Frei­wil­li­ger Schlie­ß­dienst, Nach­rich­ten­spre­cher und Li­te­ra­tur-Re­dak­teur, Pro­to­koll- und An­trag­schrei­ber, BuF­Di, Chef vom Dienst – al­so al­les.

Dies al­les tat er über­wie­gend im Eh­ren­amt, zeit­wei­lig an­ge­stellt, aber fast im­mer in Selbst­aus­beu­tung.

Ralph Kirs­ten war im­mer ein Mitt­ler zwi­schen Kul­tur­ak­teu­ren, -po­li­tik und -ver­wal­tung. So sind zum Bei­spiel die Wahl­are­nen, die er im Vor­feld von OB- und Land­tags­wah­len ganz we­sent­lich mit­or­ga­ni­sier­te, grund­sätz­lich und in ih­rer Quan­ti­tät und Qua­li­tät ein­ma­lig in die­sem Bun­des­land. Und auch sei­ne Tä­tig­keit im Lan­des­kul­tur­rat und die da­mit ver­bun­de­ne Mit­wir­kung an den Kul­tur­po­li­ti­schen Leit­li­ni­en des Lan­des M-V sind in die­sen Kon­text ein­zu­ord­nen.

Ge­ra­de vor dem Hin­ter­grund, dass Ralph Kirs­ten ein Kämp­fer für die freie Sze­ne war und ist, möch­te ich an die­ser Stel­le her­vor­he­ben, dass er die ge­sam­te Kul­tur­land­schaft in Meck­len­burg-Vor­pom­mern und in der Bun­des­re­pu­blik be­ob­ach­tet und ana­ly­siert. Und im­mer wie­der hob er mah­nend den Zei­ge­fin­ger, um dar­auf hin­zu­wei­sen, dass auch die so ge­nann­te Hoch­kul­tur in Ros­tock und in Meck­len­burg-Vor­pom­mern De­fi­zi­te ha­be. Und nie führ­te er ei­nen Kampf für sei­ne Sa­che auf Kos­ten der kom­mu­nal ge­tra­ge­nen Kul­tur­ein­rich­tun­gen.

Ei­ni­ge der Mit­strei­ter der frü­hen Ta­ge und vie­le von heu­te sind an­we­send und

mei­ne Da­men und Her­ren,
lie­be Kul­tur­ar­bei­ter*in­nen,

die freie Kul­tur­sze­ne und da­mit un­se­rer Stadt ver­dankt Ralph Kirs­ten ei­ne Men­ge und ich möch­te ab­schlie­ßend aus ei­nem Ar­ti­kel des Stadt­ma­ga­zins 0381 zi­tie­ren, in dem Du da­mals sag­test:

„das ist ja auch so ein biss­chen das Ziel, sich selbst über­flüs­sig zu ma­chen.“

Was das an­be­langt, darf ich trotz­dem die Hoff­nung äu­ßern, dass Du der Ros­to­cker Kul­tur­sze­ne noch vie­le Jah­re er­hal­ten bleibst. Der heu­ti­ge Preis mö­ge Dir in die­sem Sin­ne nicht nur ver­dien­te An­er­ken­nung, son­dern auch Er­mu­ti­gung sein!

Wie es die Sat­zung ver­langt, hat der Kul­tur­preis­trä­ger, den wir heu­te eh­ren und aus­zeich­nen wol­len, Herr Ralph Kirs­ten, ganz au­ßer­or­dent­li­che

„Leis­tun­gen (er­bracht), die das Geis­tes- und Kul­tur­le­ben der Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt we­sent­lich be­rei­chern“!

Das ver­dient un­ser al­ler Re­spekt, An­er­ken­nung und Dank!

Für sei­ne Be­mü­hun­gen, sein ste­ti­ges En­ga­ge­ment für die freie Kul­tur­sze­ne, ehrt die Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt Ros­tock heu­te den Kul­tur­ar­bei­ter Ralph Kirs­ten.

Lie­ber Ralph,

ich darf Dich jetzt bit­ten, den Kul­tur­preis

IN WÜR­DI­GUNG DEI­NER VER­DIENS­TE UM DIE ENT­WICK­LUNG DER FREI­EN KUL­TUR­SZE­NE IN DER HAN­SE- UND UNI­VER­SI­TÄTS­STADT ROS­TOCK

als die ver­dien­te Aus­zeich­nung ent­ge­gen­zu­neh­men.