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Laudatio von Prof. Dr. Ingo Richter anlässlich der Eintragung von Peter Schulz in das Ehrenbuch der Hansestadt Rostock

Pressemitteilung vom 20.10.2000

19. Oktober 2000

Laudatio von Prof. Dr. Ingo Richter anlässlich der Eintragung von Peter Schulz in das Ehrenbuch der Hansestadt Rostock

- Es gilt das gesprochene Wort -

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren!

Wir ehren heute in Peter Schulz einen Mann, dessen Wirken für Freiheit und Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Toleranz auch für seine Vaterstadt Rostock von großer Bedeutung war und ist. Diesen Lebensweg umfassend dazustellen, würde mehr Zeit in Anspruch nehmen, als es in einer kurzen Laudatio möglich ist. Daher möchte ich nur wesentliche und prägende Lebensabschnitte herausgreifen.

Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, die die Deutschen fast 30 Jahre getrennt hatte, hielt es ihn nicht länger in seiner Wahlheimat Hamburg. Er kam nach Rostock, um beim Aufbau demokratischer Strukturen mitzuwirken und der gerade wieder gegründeten Sozialdemokratischen Partei zu helfen.

Peter Schulz wurde am 25. April 1930 in Rostock geboren. Es sind jetzt also 70 Jahre her und damit erfüllt sich auch in diesem Fall die symbolische sieben der Hansestadt Rostock. Sieben Jahrzehnte überspannen dieses Menschenalter und es sind vier Generationen der Familie Schulz.

Das erste Jahrzehnt von 1930 bis 1940 war auf der einen Seite erfüllt von den Irrungen und Wirrungen der Weimarer Republik, von der aufgehenden Saat des Nationalsozialismus und dem Beginn des zweiten Weltkrieges. Auf der anderen Seite von der Geborgenheit in der Familie und der starken Persönlichkeit des Vaters, Albert Schulz, der bis 1933 als Redakteur der Mecklenburgischen Volkszeitung tätig war und sogar Landtags- und Reichstagsabgeordneter wurde.

Im zweiten Lebensjahrzehnt von 1940 bis 1950 war die zutiefst sozialdemokratisch geprägte Familie Schulz in besonderem Maße den Wechselfällen der deutschen Geschichte ausgeliefert: Herrschaft des Faschismus in Deutschland, zweiter Weltkrieg mit allen Gräueltaten, die die Welt und insbesondere das alte Europa zutiefst erschütterten, Verfolgung und Vernichtung von Juden und Andersdenkenden, auch von Sozialdemokraten, Zusammenbruch des Dritten Reiches im Gefolge des zweiten Weltkrieges.

Mit großer Tatkraft und mit Idealismus wurde nach 1945 ein Neubeginn gewagt. Der Vater, Albert Schulz, gehörte zu den Neugründern der SPD in Rostock, wurde 1946 Oberbürgermeister der Hansestadt und musste erneut erleben, wie die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zu Verfolgung und Terror führten. Sein Widerstand gegen diese Zwangsvereinigung führte zur Verhaftung durch die sowjetische Besatzungsmacht unter Mitwirkung Rostocker KPD-Funktionäre. Nebender Persönlichkeit des Vaters haben Peter Schulz in dieser Zeit auch so hervorragende, unerschrockene und aufrechte Sozialdemokraten wie Willi Jesse und Heini Beese geprägt. Schließlich war 1949 die Flucht der Familie in den Westen, nach Hamburg, der einzige Ausweg. Peter Schulz, der 1949 noch sein Abitur in Rostock abgelegt hatte, folgte seiner Familie nach Hamburg, da ihm ohnehin die Zulassung zum Studium als Anhänger des westdeutschen SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher, als sogenannter „Schumacherling“, verwehrt wurde.

Im dritten Jahrzehnt von 1950 bis 1960 liegt die Zeit seines Studiums der Rechtswissenschaften in Hamburg. 1959 ließ er sich dort als Rechtsanwalt nieder. Einen ersten größeren Bekanntheitsgrad über die Grenzen der Hansestadt Hamburg hinaus erlangte er durch die damals außerordentlich populäre Fernsehserie „Das Fernsehgericht tagt“. Von großer Bedeutung für seinen Lebensweg war die Begegnung und später enge Freundschaft mit Helmut Schmidt, in dessen Freitagsgesellschaft er häufig zu Gast, auch als Vortragender, war.

Im vierten Lebensjahrzehnt, 1960 bis 1970, zieht er mit 31 Jahren in die Hamburger Bürgerschaft ein. Gleichzeitig wird die Mauer gebaut, die beide Teile Deutschlands bis 1989 trennt und der viele Menschen zum Opfer fallen. 1966 wird Peter Schulz Vorsitzender eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses um den Tod eines Untersuchungshäftlings, und wird Senator der Justizbehörde. In dieser Zeit leitet er eine Reform des Strafvollzugs ein, die bundesweites Beispiel wurde. Immer wieder sind Demokratie und Rechtstaatlichkeit Triebkraft seines Wirkens. Die tiefe Überzeugung, dass die Wurzeln unserer europäischen Demokratien in der französischen Revolution und der amerikanischen Verfassung liegen, ließen ihn ein vielbeachtetes Buch schreiben: „Die Ursprünge unserer Freiheit“, zu dem Helmut Schmidt ein ausführliches Vorwort geschrieben hat. Ohne die westlichen Demokratien und ohne die Vereinigten Staaten von Amerika gäbe es möglicherweise Deutschland heute nicht mehr.

Das fünfte Lebensjahrzehnt von 1970 bis 1980 ist erfüllt von Höhen und Tiefen eines politischen Lebens. 1970 wird er Schulsenator und stellt als solcher wesentliche Weichen in der Hamburger Schulpolitik. 1971 wird er Senatspräsident und mit 41 Jahren jüngster Bürgermeister in der Hamburger Geschichte. Mit großer Sensibilität erkennt er die Gefahren für die Demokratie, die von der DKP ausgeht, als einer Partei, die finanziell und ideologisch von der DDR abhängt und von dort gesteuert wurde. Die Sympathisanten bei den Bediensteten im öffentlichen Dienst und in der Lehrerschaft waren nicht mehr zu übersehen. Der daraufhin erarbeitete, sogenannte „Radikalenerlass“ sowie das schlechte Wahlergebnis für die SPD führten 1974 zu seinem Rücktritt. Besonders die vornehme Art dieses Rücktritts war es, die ihm die hohe Achtung auch seiner Gegner einbrachte. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands haben sich dann allerdings die damals vermuteten Zusammenhänge der Einflussnahme aus der DDR, deren Gegenmaßnahmen in der Öffentlichkeit scharf kritisiert wurden, voll bestätigt und – wie wir alle wissen – in erschreckender Weise bewahrheitet. Nach seinem Rücktritt kehrte er in seine Anwaltspraxis zurück und beschäftigte sich intensiv mit dem Presse- und Tarifrecht. Nach dem erneuten Wahlsieg der SPD wird Peter Schulz 1978 Präsident der Hamburger Bürgerschaft.

Im sechsten Lebensjahrzehnt von 1980 bis 1990 zieht sich Peter Schulz 1987 zunächst aus der aktiven Politik zurück mit dem Satz: „Wer früh anfängt, soll früh aufhören“. Doch diese scheinbare Ruhe währt nicht lange. Die politischen Ereignisse ab Herbst 1989 in der DDR und in Osteuropa leiten eines der faszinierendsten Kapitel der deutschen Geschichte ein und ziehen auch Peter Schulz voll in seinen Bann.

Das 7. Lebensjahrzehnt zieht ihn mit Macht in seine Vaterstadt Rostock zurück. Zwar hatte er nie die engen Kontakte zu Freunden und Verwandten in Rostock – ich nenne nur Traute und Dieter Dahl - und anderswo in der DDR aufgegeben, jetzt aber konnte er wirklich aktiv werden. Unermüdlich ist er in seiner Vaterstadt tätig. Er hilft der noch jungen und unerfahrenen SPD, berät sie bei ihrer Arbeit am runden Tisch, berät und unterstützt Christoph Kleemann in seinem Amt als erster, gewissermaßen kommissarischer Oberbürgermeister der Hansestadt sowie nach der Kommunalwahl den ersten gewählten Oberbürgermeister Klaus Kilimann. Im Frühjahr 1990 schließt er mit der Stadt einen Beratervertrag für nur 1,-- DDR-Mark pro Jahr. Trotz seiner engagierten Hilfe ist die erste wirklich demokratische Zeitung in Rostock in und nach der Wende, die „Mecklenburgische Volkszeitung“, in der sein Vater viele Jahre gearbeitet hatte, nur für ein halbes Jahr aufrecht zu erhalten.

Beim Aufbau der Justiz in Mecklenburg-Vorpommern berät er das Justizministerium, wirkt mit an der Erarbeitung einer Verfassung für Mecklenburg-Vorpommern, ist Präsident des Anwaltsgerichtshofes Mecklenburg-Vorpommern in Rostock und übernimmt Studenten zur Ausbildung in seine Anwaltskanzlei, die er inzwischen in Rostock am Alten Markt, am Fuße der Petrikirche, gegründet hat. Hier hängt über einige Jahre auch die Flagge des Königreiches Norwegen, da er als norwegischer Honorarkonsul die Hansestadt Rostock vertritt. Darüber hinaus ist er Mitbegründer, Berater und Mitglied in einer Reihe von Rostocker Vereinen, wie dem Förderverein der Universität Rostock, des Volkstheaters, des Konservatoriums, des Botanischen Gartens und der Hochschule für Musik und Theater.

Wesentliche Weichen stellt er für die Rückübertragung und den Erwerb des Hauses in der Doberaner Straße 6, frühere Heimstadt der Mecklenburgischen Volkszeitung, dann zur DDR-Zeit besetzt von einer führenden SED-Organisation, der sogenannten „Nationalen Front“ des demokratischen Deutschland. Dieses Haus trägt jetzt den Namen seines Vaters, Albert-Schulz-Haus. Trotz seiner tiefen Wurzeln in der Sozialdemokratie ist sein Blick nie parteipolitisch getrübt. So erinnert er 1997 bei der Einweihung dieses Hauses in gleicher Weise wie an Sozialdemokraten auch an verdienstvolle Politiker aus der CDU und LDP in der Nachkriegszeit, die nicht selten ebenfalls Opfer der kommunistisch-stalinistischen Politik geworden sind. Krönung seines Wirkens für die Hansestadt Rostock ist die zur Ehre seines Vaters gegründete Albert-Schulz-Stiftung, die wissenschaftliche politische Arbeiten im wiedervereinigten Deutschland unterstützt.

Meine Ausführungen wären allerdings unvollständig, wenn ich nicht den wichtigsten Menschen im Leben von Peter Schulz erwähnen würde, seine liebe Frau Sonni, Frau Dr. med. Schulz, die ihm zwei Kinder geboren und großgezogen hat und die wiederum zur Freude der Großeltern bereits mit drei Enkeln die Familie Schulz vergrößert haben.

Liebe Sonni, lieber Peter, in diesem Sinne mögen Euch noch viele glückliche Jahre beschieden sein.