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Na­vi­ga­ti­on

Le­ga­le Graf­fi­ti-Sze­ne eta­bliert sich in Ros­tock

Pres­se­mit­tei­lung vom 29.09.2000

29. Sep­tem­ber 2000

Le­ga­le Graf­fi­ti-Sze­ne eta­bliert sich in Ros­tock
Kul­tur­amt be­glei­tet Pi­lot­pro­jekt zu öf­fent­li­chen Flä­chen für Spray­er

Blei­ben­de Kunst will sie nicht sein. Und trotz­dem wird ih­re Qua­li­tät in Ta­gen ge­mes­sen. "Je län­ger ein Graf­fi­ti über­lebt, um so bes­ser ist es", er­läu­tert Chris­ti­an Höl­zer vom Ver­ein Graf­fi­ti Freun­de Meck­len­burg-Vor­pom­mern e.V.. Denn erst dann, wenn ein Spray­er ein an­spruchs­vol­le­res Mo­tiv ge­stal­ten kann, darf er "ge­stan­de­ne" Bil­der über­sprü­hen. "Man­che Graf­fi­tis über­le­ben so fast ein Jahr", er­zählt Chris­ti­an Höl­zer. Da­nach bleibt den Spray­ern nur ein Fo­to vom Schau­platz. Das wa­ren in der Ver­gan­gen­heit oft il­le­gal be­sprüh­te Wän­de, zum Leid­we­sen vie­ler Haus­ei­gen­tü­mer und Denk­mal­freun­de.

Um der krea­ti­ven Farb­do­sen- Avant­gar­de end­lich den lang­ersehn­ten Raum zu bie­ten, ging man in Ros­tock vor we­ni­gen Mo­na­ten in die Of­fen­si­ve. Erst­mals gab die Kom­mu­ne öf­fent­li­che Flä­chen für Graf­fi­ti frei. An drei Schul­sport­hal­len in Dier­kower Al­lee, Ecke Wal­ter But­zek-Stra­ße, in der Al­ten War­ne­mün­der Chaus­see in Groß Klein und an der Eli­sa­be­th­wie­se in der In­nen­stadt kön­nen die jun­gen Graf­fi­ti­künst­ler jetzt völ­lig le­gal ih­re Farb­ak­zen­te set­zen. "Die Idee kommt gut an. Die Hal­len wer­den gern be­sucht", er­läu­tert Tho­mas Wer­ner vom Ros­to­cker Kul­tur­amt, das die­ses Pro­jekt ge­mein­sam mit drei Graf­fi­ti-Ver­ei­nen be­treut. Aus­schlie­ß­lich gro­ße Kunst sei hier aber vor­erst nicht zu er­war­ten, meint Chris­ti­an Höl­zer, schlie­ß­lich ge­hö­re Ros­tock nicht zu den bun­des­wei­ten Hoch­bur­gen der Sze­ne wie Ber­lin, Ham­burg und Mün­chen. Ge­fragt sei hier vor al­lem das Ex­pe­ri­ment, der Spaß an der Sa­che und das ge­mein­sa­me Frei­zeit­er­leb­nis. Selbst über Städ­te­gren­zen hin­weg fin­det man sich hier zu­sam­men. So ka­men jun­ge Spray­er aus Stral­sund und Mag­de­burg nach Ros­tock, um hier für ei­nen Tag mit Sprüh­far­ben zu ge­stal­ten und da­mit ih­re un­ver­wech­sel­ba­re Vi­si­ten­kar­te zu hin­ter­las­sen. Auch Wiro, Stadt­wer­ke, die Ros­to­cker Stra­ßen­bahn AG und die Braue­rei der Han­se­stadt ha­ben be­reits Flä­chen für Graf­fi­ti-Auf­trags­wer­ke frei­ge­ge­ben.

"Ein Ken­ner sieht sehr ge­nau, wer sich an ei­nem Mo­tiv ver­sucht hat. Denn die Bil­der ent­hal­ten für den Lai­en kaum sicht­ba­re Sym­bo­le, die den Künst­ler of­fen­ba­ren", er­läu­tert Chris­ti­an Höl­zer. Zehn bis zwölf Farb­do­sen - und da­mit rund ein­hun­dert Mark - ver­schlingt so ein Mo­tiv in der Re­gel. An ei­nem sehr auf­wen­di­gen Bild ar­bei­ten Spray­er bis zu drei Ta­ge. Für Fu­ro­re, nicht nur in der Graf­fi­ti-Sze­ne, sorg­te erst vor we­ni­gen Wo­chen ein groß­flä­chi­ges Mo­tiv "Na­zis raus", das Spray­er ver­schie­de­ner Graf­fi­ti-Grup­pen ge­mein­sam an der Sport­hal­le des Ernst-Bar­lach-Gym­na­si­ums in Dier­kow ge­stal­tet hat­ten. Es soll­te ein deut­li­ches Si­gnal sein und es wur­de ver­stan­den, meint Chris­ti­an Höl­zer. Trotz der Frei­ga­be öf­fent­li­cher Flä­chen ist die il­le­ga­le Spray­er-Sze­ne nach wie vor ein Pro­blem in der Han­se­stadt. "Wir di­stan­zie­ren uns en­er­gisch von Schmie­re­rei­en an his­to­ri­schen Ge­bäu­den und pri­va­tem Ei­gen­tum", be­tont Chris­ti­an Höl­zer. Haus­be­sit­zer soll­ten sol­che Ob­jek­te so­fort, mög­lichst noch vor Ta­ges­an­bruch, ent­fer­nen. Denn die il­le­ga­len Spray­er su­chen nicht nur den Kick der nächt­li­che Ak­ti­on selbst son­dern auch das Fo­to vom ge­mal­ten Ob­jekt, das in der Re­gel erst bei Ta­ges­licht auf­ge­nom­men kann. Ver­schwin­den­die Mo­ti­ve so­fort, sinkt auch das In­ter­es­se der Spray­er am Ge­bäu­de.

Der­zeit läuft oh­ne­hin die Graf­fi­ti-Sai­son für die­ses Jahr lang­sam aus, denn ab Tem­pe­ra­tu­ren un­ter zehn Grad Cel­si­us las­sen sich die Far­ben nicht mehr mi­schen. "Mög­lich­kei­ten für wei­te­re le­ga­le Graf­fi­ti-Flä­chen wer­den wir für das kom­men­de Jahr prü­fen", meint Tho­mas Wer­ner. Auch das Pro­blem mit dem Farb­do­sen-Ab­fall soll künf­tig mit spe­zi­el­len Müll­be­häl­tern vor Ort bes­ser ge­löst wer­den. Da­mit nur das bleibt, was auch vor­zeig­bar ist. Kers­tin Ka­naa