Home
Navigation

Rede von Oberbürgermeister Arno Pöker auf der Sitzung der Bürgerschaft am 7. Mai 2003

Pressemitteilung vom 08.05.2003

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Mitglieder der Bürgerschaft, meine Damen und Herren,

"Die Träume von gestern sind die Hoffnungen von heute und die Realität von morgen"

heißt es in einem Sprichwort. Rostock hat geträumt - von olympischen Segelwettbewerben 2012 im wunderschönen Seebad Warnemünde. Und wir haben geträumt von einer grünen Weltausstellung am Meer, wo sich die Welt in Rostock trifft und die Stadt eine ihre schönsten Seiten, nämlich ihre grüne und blühende Seite, zeigt.

Meine Damen und Herren,

in diesen Tagen sind wir der Erfüllung unserer Träume sehr nahe gekommen. Am 12. April 2003 um 16.33 Uhr hat der Bundeskanzler Gerhard Schröder die Entscheidung für die Hansestadt Rostock als Bewerberstandort der olympischen Segelwettbewerbe bekannt gegeben.

Der Jubel in der ganzen Stadt, ob draußen in Warnemünde oder in den Wohnzimmern vor den Fernsehgeräten, war grenzenlos. Als das Ergebnis bekannt wurde, mussten sich einige in den Arm kneifen, um sicher zu gehen, dass sie nicht immer noch träumen. Aber es ist wahr - Rostock bewirbt sich mit der Stadt Leipzig um Olympische Spiele im Jahre 2012. Für eine Stadt, die in den letzten Jahren eine traumhafte Entwicklung genommen hat, ist dieses Ergebnis eine unglaubliche Chance.

Ein anderer wahr gewordener Traum ist in Rostock-Schmarl zu bestaunen. Vor noch nicht einmal zwei Wochen haben sich die Pforten zur Internationalen Gartenbauausstellung geöffnet. Mit einer gelungenen Eröffnungsveranstaltung hat Rostock seinen schönsten Garten präsentiert. Ich nehme an, Sie haben schon mehr als einmal die Gelegenheit genutzt, um die vielen Attraktionen und das wunderschöne Gelände in Augenschein zu nehmen. Nirgendwo zeigt sich der Frühling bunter und vielfältiger als auf der IGA mit seinen schwimmenden Gärten, den gärtnerischen Beiträgen von 23 Nationen, dem Weidendom, den Hallenschauen und, und, und...

Der Start hat alle Erwartungen übertroffen. Die ausländischen Aussteller mit ihren Delegationen haben sich sehr beeindruckt gezeigt, und das sowohl von dem Ausstellungsgelände als auch von der Gastfreundschaft der Rostockerinnen und Rostocker. Von Anfang an ist die IGA ein Besuchermagnet für Rostockerinnen und Rostocker, aber auch für die vielen Gästen unserer Stadt. Über 20.000 verkaufte Dauerkarten zeigen die hohe Akzeptanz der Garten-EXPO und sind ein weiterer Beleg dafür, dass die IGA mehr als einmal einen Besuch wert ist.

Ich möchte an dieser Stelle dem Geschäftsführer Jörn Rüsch für seinen Einsatz zum Gelingen dieses großen Projektes danken. Herr Rüsch hat mich und den Vorsitzenden des Zentralverbandes Gartenbau, Herrn Zwermann, gebeten, ihn aus seinem Amt abzuberufen. Gesundheitliche Probleme zwingen ihn zu diesem Schritt. Auch wenn ein Beschluss der Gesellschafterversammlung noch aussteht, habe ich gemeinsam mit Herrn Zwermann Jörn Rüsch versichert, dass seinem Wunsch entsprochen wird. Alleiniger Geschäftsführer der IGA 2003 Rostock GmbH wird Herr Wilhelm Fax sein.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

die IGA ist noch mehr als eine wunderschöne grüne Weltausstellung am Meer. Durch die Vorbereitungen auf die IGA sind zahlreiche Infrastrukturprojekte auf den Weg gebracht worden, die ohne die grüne EXPO entweder sehr viel länger gedauert oder gar nicht hätten realisiert werden können. Zum Beispiel die Wohnumfeldverbesserung für die Schmarler, die auch nach der IGA ein wunderschönes Stück Natur direkt vor der Haustür haben. Oder denken Sie nur einmal an den Bahnhof. Haben Sie am 12. April 2003 die einmalige Gelegenheit genutzt und einen kleinen Spazier-gang durch den Tunnel gemacht? Rostock hat jetzt nämlich auch eine U-Bahn, wenn auch nur ein kurzes Stück. Der Bahnhof verleiht Rostock - so haben es mir viele Rostocker bestätigt - richtiges Großstadtflair.

Ohne IGA wäre der Bahnhof und die Strassenbahnerweiterung in der Kürze der Zeit nicht denkbar gewesen. Ohne IGA wäre die Westtangente noch lange nicht fertig. Ohne IGA würde der Bahnhof Lütten Klein nicht in neuem Glanz erstrahlen, sondern immer noch ein tristes Dasein fristen. Diese Liste ist noch beliebig erweiterbar - sie alle kennen die Beispiele so gut wie ich.

Die IGA hat für die Stadt außerordentlich viele positive "Nebenwirkungen" gehabt. Von dem Zuschlag zu Olympia können wir uns mit Fug und Recht einen genauso großen Schub für die Entwicklung von Rostock versprechen.

Meine Damen und Herren,

wer seine Träume verwirklichen will, muß allerdings hellwach sein. Wir haben in Rostock mit dem Olympiabüro um Uwe Jahnke ein kompetentes und hochmotiviertes Team, das unsere Bewerbung jetzt in enger Abstimmung mit der "Leipzig 2012 GmbH" vorbereitet und koordiniert. Ich selbst bin in diesen Tagen mit allen Akteuren, die sich für die deutsche Bewerbung stark machen, in ständigem Kontakt. Am morgigen Donnerstag werde ich unter anderem mit dem Oberbürgermeister aus Leipzig, Wolfgang Tiefensee, sowie mit dem Präsidenten des Nationalen Olympischen Kommitees, Dr. Klaus Steinbach, und dem deutschen Vertreter des Internationalen Olympischen Kommitees, Dr. Thomas Bach, zusammen treffen, um die nächsten Schritte der Bewerbungsstrategie abzustimmen.

In seinem Kommentar vom gestrigen Dienstag in der OZ nannte Thoralf Cleven "das Tempo, in dem in Berlin Nägel mit Köpfen gemacht wird, für deutsche Verhältnisse geradezu atemberaubend". In der Tat nimmt man in Deutschland nicht nur das Herz, sondern auch Geld in die Hand, um die deutsche Bewerbung zu einem Erfolg zu machen. Durch tatkräftige und finanzstarke Unterstützung des Landes und vor allem des Bundes werden wir gemeinsam die Voraussetzungen schaffen, um zusammen mit Leipzig gegen die zugegebenermaßen starke Konkurrenz von Metropolen wie New York, Rio, oder Paris Olympische Spiele nach Deutschland zu holen. Spätestens jetzt ist klar, dass Rostock auch in einer internationalen Liga spielt. Es mag Menschen geben, die uns diese Größenordnung immer noch nicht ganz zutrauen. Ich bin sicher, wir werden sie eines Besseren belehren.

Wenn wir unser ehrgeiziges Ziel erreichen wollen, muss sich Rostock allerdings noch schöner und attraktiver präsentieren. 50 Millionen Euro werden im Rahmen der Olympiakonzeption investiert. Daneben werden wir aber noch einiges mehr tun. Die Rostocker Gesellschaft für Stadterneuerung, Stadtentwicklung und Wohnungsbau mbH hat den Auftrag, in diesem Zusammenhang Projekte - insbesondere für Warnemünde - aufzulisten, die wir mit Hochdruck angehen wollen, um den Segel- und Sportstandort optimal zu präsentieren. Dazu gehören z.B. das Passagierschiffterminal, die Entwicklung der Mittelmole, die Regelung der Parkplatzproblematik, die Entwicklung der schienengebundenen Infrastruktur und eine Lösung für die Hallensportstätten.

Meine Damen und Herren,

in diesen Tagen, in denen sich die Welt in Rostock trifft, versuchen wieder einmal rechtsextremistische Gruppen, durch Demonstrationen das weltoffene und tolerante Klima in unserer Stadt zu beschädigen und für ihr menschenverachtendes Gedankengut zu werben.

Ich sage hier Demonstrationen, weil die Demonstration der Rechtsextremisten vor nicht einmal zwei Wochen Ursache ist für eine Kette von m. E. schweren Prüfungen für diese Stadt ist. Wie Sie wissen, wurde diese Demonstration nur teilweise durchgeführt, weil junge Menschen die Straße blockiert haben. Die Polizei hat dabei vorsichtig und umsichtig, sicher auch im Zusammenhang mit der IGA, auf hoher Eingriffsschwelle die Auflösung der Demonstration in Kauf genommen. Dies wird uns und der Polizei noch erhebliche juristische Probleme bringen.

Was im Leben oft als Erfolg gewertet wird, kostet in der Regel viel. DerRechtsextremist Worch hat, wegen diesem Geschehensverlauf, ausdrücklich angekündigt, dass er in Rostock so viele Demonstrationen anmelden wird, bis er sein damaliges Ziel - durch die Innenstadt zu gehen - erreicht hat. Diese Frechheit ist nichts Besonderes, denn diese offensive Taktik hat er - mit Erfolg - in vielen Städten, insbesondere Hamburg und Leipzig, aber auch Berlin, Potsdam und anderen Städten angewandt. Dies haben wir im Übrigen auch allen Beteiligten im Vorfeld der Demonstration so mitgeteilt.

Alle die genannten Städte mussten die bittere Erfahrung machen, dass dem Geschehen weder rechtlich noch tatsächlich etwas entgegenzusetzen ist, letztlich gelangte seine Gruppe in einen Sternmarsch mit der NPD auch am Völkerschlachtsdenkmal (2700 Rechte) in Leipzig, die sensible Stätte dieser Stadt.

Meine Damen und Herren,

ob es uns gefällt oder nicht - das Bundesverfassungsgesetz vertritt konsequent den Gedanken der Gründungsväter des Grundgesetzes - wer friedlich in den Grenzen des Versammlungsgesetzes auf die Straße geht, hat, egal welcher Gesinnung er ist, das Recht dazu. Art. 8 GG ist ein Schutzrecht gegen den Staat. Und ich meine, unsere Demokratie hält das aus.

Die mehr als deutlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ergingen in den Jahren 2001 und 2002 in großer Zahl, so dass gegenwärtig kein Verwaltungsgericht oder Oberverwaltungsgericht in Deutschland dem Grund nach anders entscheidet. Das, meine Damen und Herren, ist die gegenwärtige Verfassungswirklichkeit, die jeder Deutsche, der sich der Verfassung verpflichtet fühlt - auch wenn es in diesem Fall innerlich nicht leicht fällt - akzeptieren muss.

Verbote bei diesem Hintergrund haben keinen Nutzen, vielmehr muss man ernsthaft befürchten, dass sie die Sicherheitslage destabilisieren. Die Eilverfahren bei Gericht spielen sich bis tief in die Nächte vor den ungewollten Aufmärschen ab und lassen der Polizei bis kurz vor Beginn wenig Möglichkeiten konkrete Sicherheitsplanungen vorzubereiten, denn die Polizei und wir als Stadt sind für den friedlichen und ungestörten Ablauf in vollem Maße verantwortlich, insbesondere, da in Mecklenburg- Vorpommern die Wahrnehmung des Versammlungsrechts, anders als in den meisten Ländern, nach unten auf Oberbürgermeister und Landräte delegiert wurde. Glücklich, meine Damen und Herren, bin ich darüber aus den verschiedensten Gründen nicht, aber es ist so.

Wie sollte man nun mit diesen Szenarien am kommenden Wochenende und vielleicht die nächsten Wochenenden umgehen?

Als Oberbürgermeister einer Stadt, die sich jetzt und in Zukunft hoffentlich noch weit mehr der ganzen Welt präsentiert, muss die Sicherheit und die Sicherheitslage an erster Stelle stehen. Wir können uns nicht leisten, durch zögerliches und rechtlich nicht einwandfreies Handeln als international und national inkompetent da zustehen.

Gerade weil wir international und national ein weltoffenes und tolerantes Rostock präsentieren können, heißt das nicht, das wir nichts tun können oder gar tun sollten. Setzen wir ein weithin sichtbares Zeichen und zeigen allen rechtsradikalen Gruppen und ihren selbsternannten Anführern, dass hier kein Platz für nationalsozialistisches Gedankengut ist, in welchem biederen und braven Gewand es auch immer daher kommen mag.

Ich fordere sie deshalb alle auf, am kommenden Wochenende zu der Veranstaltung von "Bunt statt Braun" zu kommen und deutlich zu machen, dass Rechtsextremisten in Rostock ihr Ziel, das weltoffene Klima unserer Stadt zu beschädigen und für ihre menschenverachtende Ideologie zu werben, nicht erreichen werden, egal, wie oft sie es auch versuchen mögen.

Ich danke hier den Initiatoren von "Bunt statt Braun", die auch in den vergangenen Jahren das Gebot der Friedfertigkeit gewahrt und durch geschickte Aktionen - Plakatierung der Stadt, Veranstaltungen mit Musik und Kultur - soviel Engagement demonstriert haben. Organisatoren und Mitwirkende von Gegenveranstaltungen aller Art sollten sich dem verpflichtet fühlen. Ich bitte Sie an dieser Stelle, "Bunt statt Braun" auch weiterhin tatkräftig mit Spenden und ihrem Engagement zu unterstützen.

Meine Damen und Herren,

wer meint, das Muster vom 26. April 2003 sei wiederholbar, der irrt. Zum einen ist die Polizei gezwungen, das Grundrecht durchzusetzen, zum anderen - und dies bedaure ich sehr - führen Sitzblockaden unserer jungen Menschen zu deren Kriminalisierung und nutzen - die Beispiele habe ich oben genannt - letztlich nicht.

Für das kommende Wochenende stehen wir wieder vor dieser Gesamtsituation und vielleicht nicht zum letzten Mal, sondern nochmal und nochmal. Die Stadt versucht, da die Polizei erhebliche Probleme nicht nur polizeitaktischer Art hat, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Gefahrenszenarien zu begegnen. Wir hoffen sehr, dass die Sicherheitsbedenken schließlich auch die Gerichte überzeugen.

Wie auch immer es kommt, ich hoffe, dass die Presse am kommenden Wochenende nichts berichtet, weil nichts Berichtenswertes geschieht. Dann hat der rechte Aufmarsch nicht stattgefunden, obwohl er stattgefunden hat.

Zum Schluß hoffe ich, dass wir alle durch friedliches Verhalten im Zusammenhang mit "Bunt statt Braun" zeigen, dass wir intellektuell und besonnen auch die Dinge bewältigen, die wir uns als letztes wünschen und deutlich zeigen, dass wir ein buntes, vielfältiges und international geprägtes Rostock wollen, das Einwohner und Gäste aus aller Welt herzlich willkommen heißt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!