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Rede von Sebastian Schröder, Senator für Finanzen, Verwaltung und Ordnung, zur Einbringung der Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes 2003 bis 2006

Pressemitteilung vom 03.04.2003

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

gestatten Sie mir, dass ich, obwohl wir uns bei der Haushaltssicherung in den finanziellen Niederungen der Kommunalpolitik bewegen, zu Beginn Voltaire zitiere. Er sagte:

"Wir sind verantwortlich für das, was wir tun, aber auch für das, was wir nicht tun." Meine Damen und Herren,

Sparen ist das Gebot der Stunde. Die Verwaltung muss Beschlüsse vorbereiten und ausführen, die Bürgerschaft muss Beschlüsse fassen, die den Haushalt konsolidieren. Das geht nicht ohne schmerzhafte Einschnitte.

Der Verwaltungshaushalt der Hansestadt Rostock weist für das Jahr 2003 ein Haushaltsdefizit von 56,6 Mio. Euroaus. Dieses Defizit wird bis zum Jahr 2006 auf voraussichtlich über 200 Mio. Euro anwachsen, wenn wir nicht gezielt gegensteuern.

Die Ursachen sind vielfältig, und ich möchte der Ursachenanalyse durch die Vertreter der Fraktionen nicht vorgreifen. Ich verweise nur auf die gesamte wirtschaftliche Lage in Deutschland. Sie spiegelt sich auch in der Einnahmesituation der Städte wider.

Drastische Einbrüche bei den Steuereinnahmen und explodierende Ausgaben, insbesondere im Sozialbereich, haben zur einer kommunalen Finanzkrise in Deutschland geführt. Dies hat verheerende Auswirkungen auf die lokalen Arbeitsmärkte, denn dringend benötigte Investitionen der Städte und Gemeinden bleiben aus. Mangelndes Wirtschaftswachstum lässt die Arbeitslosigkeit weiter steigen. Größere Soziallasten verschärfen die Haushaltslage weiter.

Immer neue Aufgaben, neue Kosten sowie eine Flut neuer Vorschriften reduzieren die Handlungsspielräume gegen Null. Der Bund und die Länder versprechen neue Wohltaten auf Kosten der Städte und Gemeinden. Damit verlieren die Kommunen zunehmend ihre Handlungsfähigkeit.

Ungeachtet der Erwartungen an eine Gemeindefinanzreform des Bundes und ein Finanzausgleichsgesetz des Landes, das Rostock endlich in die Lage versetzt, seine oberzentrale Funktion wahrzunehmen, müssen wir unsere Hausaufgaben erledigen. Es hat keinen Zweck, auf Hilfe von außen zu warten. Sie wird im Zweifel auf der Strecke bleiben. Wir müssen selbst unseren Haushalt konsolidieren, genau wie der Bund und das Land ihre Haushalte wieder ins Gleichgewicht bringen müssen.

Wir werden uns auf allen Ebenen des Staates in Zukunft nicht mehr alles leisten können. Die Reformdebatte des Bundeskanzlers hat deutlich gemacht, dass in allen Bereichen Veränderungen bevorstehen. Auch Standards, Einrichtungen und Dienstleistungen, die wir für gut und richtig halten, müssen grundsätzlich in Frage gestellt werden - so leid es einem in jedem Einzelfall tut.

Sparmaßnahmen können in der Bundes- und Landespolitik abstrakt formuliert werden. In den Städten und Gemeinden wird es sehr viel konkreter. Die Betroffenen sind hier zu Hause und formulieren ihren Widerspruch und ihre Erwartungen sehr direkt.

Ich selbst habe in den vergangenen Wochen dutzende Gespräche mit Rostockerinnen und Rostockern geführt, die sich vom Haushaltssicherungskonzept betroffen fühlen. Die Gesprächspartner reichten von Vertretern Rostocker Banken, die um ihr Ansehen fürchteten, weil die Stadt ihre Konten nicht mehr bei ihnen weiterführen möchte, bis hin zu den Elternvertretern des Konservatoriums und dem Vorstand des Fördervereins der Kunsthalle.

Einige Gespräche fielen mir leicht, andere waren weitaus schwieriger, weil Einsparungen immer auch Verzicht bedeutet. Ich hatte allerdings bei den meisten Gesprächen den Eindruck, dass die Einsparvorschläge und ihre Begründung zumindest nachvollzogen wurden. Es wurde weniger über das "Ob" einer Maßnahme, sondern mehr über das "Wie" der Umsetzung diskutiert.

Ich betone: Kein Sparvorschlag ist Kritik an der bisherigen Tätigkeit einer bestimmten Einrichtung. Es geht vielmehrdarum, Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger nach Möglichkeit aufrecht zu erhalten, mit Strukturen, die uns die Aufrechterhaltung der Leistungen dauerhaft ermöglichen.

Dabei ist zu beachten, dass die finanzielle Situation der Hansestadt Rostock sich in absehbarer Zeit nicht verbessern wird. Alle Ämter der Stadt werden auch in den nächsten Jahren mit Stellensperren, dem Verbot externer Besetzungen, Haushaltssperren und fehlenden Investitionsmitteln leben müssen. Das beeinträchtigt die Arbeit und die Möglichkeit der Gestaltung, insbesondere für kulturelle Einrichtungen.

Ich halte es nicht nur für sinnvoll, sondern sogar für geboten, in dieser Situation über Alternativen nachzudenken und private Rechtsformen anzubieten.

Meine Damen und Herren,

die Haushaltskonsolidierung ist auch ein schwieriges Thema in der politischen Auseinandersetzung. Die Versuchung, aus unpopulären Maßnahmen politisches Kapital zu schlagen, ist groß. Die wenigsten wirkungsvollen Sparmaßnahmen werden den Popularitätstest des OZ- Teds bestehen.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen Fraktionen für die ergebnisorientierten Diskussionen der vergangenen Wochen. Zahlreiche Änderungsanträge und die umfangreiche Diskussion zu zeitweise über 80 Entwürfen für Anträge an meinem Tisch dienten der Suche nach belastbaren Kompromissen. Besonders hervorheben möchte ich Änderungsanträge, die das vorliegende Konzept um weitere Sparvorschläge ergänzen.

Für mich steht fest: Wer in Rostock in Zukunft Politik gestalten will, braucht wieder finanzielle Handlungsspielräume. Das gilt für alle Parteien. Sie müssen deshalb ein starkes Interesse daran haben, dass der Haushalt weiter konsolidiert wird.

Meine Damen und Herren,

die Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem im vergangenen Juli verabschiedeten Beschluss und den Ihnen vorliegenden Zwischenberichten.

Sie zeigen den Stand der Abarbeitung. Für den Haushalt 2002 und 2003 konnten die vorgesehenen Maßnahmen zum ganz überwiegenden Teil realisiert werden. Allein für den Haushalt 2003 konnte das Defizit damit um über 8 Mio. Euro gesenkt werden. Das Ziel der Haushaltskonsolidierung ist laut Gesetz der Haushaltsausgleich. Auf dem Weg dahin haben wir uns mehrere Zwischenetappen gesetzt. Zunächst gilt es, das strukturelle Defizit einzufrieren.

Auf Seite 2 des Haushaltssicherungskonzeptes können Sie den permanenten Anstieg des strukturellen Defizits für die folgenden Jahre einer Tabelle entnehmen. Die gravierende Steigerung im Haushalt 2003 durch Sozial- und Jugendhilfe sowie die Tariferhöhung sind Ihnen bekannt.

Bei Umsetzung der Maßnahmen des bereits beschlossenen Haushaltssicherungskonzeptes und seiner Fortschreibung würde es uns gelingen, das Defizit zunächst bei etwa 30 Mio. Euro einzufrieren. Der nächste Schritt ist dann die Reduzierung des strukturellen Defizits auf Null. Und schließlich müssen wir Wege finden, das angestaute kumulierte Defizit der Vorjahre auszugleichen.

Inhaltlich ist es geboten, die Lasten der Einsparungen auf alle Bereiche des unmittelbaren und mittelbaren Verwaltungshandelns gerecht zu verteilen. Wir können keine Ausnahmen machen, und wir wollen auch keine Bevölkerungsgruppe über Gebühr zu den Sparmaßnahmen heranziehen.

Es gibt nicht den einen genialen Vorschlag, der uns in kürzester Zeit zweistellige Millionenbeträge einbringt und obendrein auf allgemeine Zustimmung stößt. Unsere einzige Möglichkeit besteht darin, mit einer Vielzahl von kleinen Maßnahmen Haushaltskonsolidierung zu betreiben. Dabei gebe ich gerne zu - die meisten Vorschläge des Fortschreibungspapiers sind nicht unbedingt eigener Text. Sie beruhen vielmehr auf Erfahrungen anderer Städte und orientieren sich an den entsprechenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen der KGSt und des Deutschen Städtetages, berücksichtigen jedoch die Rostocker Besonderheiten.

Die Bandbreite reicht von Einnahmeerhöhungen durch entsprechende Veränderungen von Gebührensatzungen, über die Zuwendungen und Zuschüsse und den Sachhaushalt, bis hin zu den Verwaltungsstrukturen und damit den Personalkosten. Dabei muss man die Möglichkeiten und Grenzen eines Haushaltssicherungskonzeptes beachten. Es geht um Richtungsentscheidungen, auf deren Grundlage die Verwaltung arbeiten kann.

Es werden detailreiche Beschlüsse der Bürgerschaft zu den einzelnen Punkten folgen. Ein Haushaltssicherungskonzept kann nicht alle denkbaren Fragestellungen aufgreifen und bereits lösen. Das Haushaltssicherungskonzept gibt den Startschuss, es ist nicht das Ziel.

Es gibt die Richtung vor durch klare finanzielle Einsparvorgaben. Allgemeine Aufforderungen, Konzepte oder Zielvereinbarungen vorzulegen, haben ohne finanziellen Rahmen keine haushaltskonsolidierende Wirkung. Die konzeptionelle Arbeit wäre außerdem vergebens. Man plant ja auch keinen Kalifornien-Urlaub, wenn die Reisekasse nur bis zum Mittelmeer reicht.

Meine Damen und Herren,

lassen Sie mich zu einzelnen Punkten der Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes einige Ausführungen machen: Verschiedene Förderrichtlinien der Stadt gehören auf den Prüfstand. Bereits mit dem Haushaltssicherungskonzept 2002 wurde dies für die Bereiche Kultur, Soziales und Jugend beschlossen.

Die Fortschreibung betrifft nun auch die Förderung des Sports. Dabei sollen Kriterien im Mittelpunkt stehen, die der gesamten Stadt nützen. Kriterium für die Förderung könnte u. a. die tatsächliche Bedürftigkeit des Vereins sein. Sie wäre aus meiner Sicht z. B. immer dann gegeben, wenn der Verein Zielgruppen erreicht, die sich ohne eine städtische Förderung das Sporttreiben nicht leisten können.

Die Reduzierung der Zuschüsse und die Erhöhung der Gewinnabführung bei den städtischen Beteiligungen war bereits Thema des Haushaltssicherungskonzeptes 2002. Auch diese Position wird hier fortgeschrieben und nunmehr auf die Gesellschaften RVV, den Zoo und den Verkehrsverbund Warnow sowie die Tourismuszentrale Rostock & Warnemünde erstreckt. Das kann auch bedeuten, dass Leistungen dieser Gesellschaften nicht im bisherigen Umfang aufrecht erhalten werden können.

Rechtzeitige finanzielle Vorgaben geben den Geschäftsführungen die Chance, ihr Unternehmen entsprechend auszurichten. Es ist nicht möglich, die städtischen Beteiligungen aus dem Konsolidierungsprozess herauszunehmen und damit den ohnehin schon extrem hohen Einspardruck der Kernverwaltung noch weiter zu steigern.

Bei den Einsparungen zum Sachhaushalt steht die Immobilienverwaltung im Mittelpunkt. Wir schlagen Ihnen den Grundsatz vor, möglichst alles zu verkaufen, was nicht unmittelbar den Zwecken der Verwaltung dient. Damit ersparen wir Verwaltungskosten und können durch den Verkaufserlös dem Vermögenshaushalt Geld zuführen, das dort dringend benötigt wird.

Die Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes untersetzt ferner das Vorhaben, bis zum Jahr 2010 700 Stellen zu streichen. Die Organisationsuntersuchungen laufen - zum Teil mit externem Sachverstand. Ergebnisse können Sie bereits dem Text des Haushaltssicherungskonzeptes entnehmen. Ziel ist es, für den Haushalt 2004 700 KW-Vermerke auszubringen. Dabei muss auch geprüft werden, in welchen bisherigen Verwaltungseinheiten durch private Unternehmen oder zumindest durch eine private Rechtsform Aufgaben wirtschaftlicher erledigt werden können. Die Auslagerung von Aufgaben kann kein Tabu sein, sie ist jedoch auch kein Selbstzweck.

Die Einsparung muss auf Dauer sichtbar werden. Ich schlage Ihnen hierfür eine Quote von 20 % gegenüber den bisherigen Verwaltungskosten oder andere vergleichbare Vorteile für die Stadt vor.

Ich bin davon überzeugt, dass Privatisierung auch die Chance bietet, unabhängig von bürokratischen Verwaltungszwängen zu wirtschaften, um damit mehr Effekte und Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zu erzielen.

Das gilt auch für Einrichtungen im Kulturbereich. Hier ist es das Ziel, Angebote aufrecht zu erhalten. Die vorgeschlagenen Privatisierungen werden jedoch nicht ohne Strukturentscheidungen möglich sein. Das bedeutet auch, dass man bisher wahrgenommene Aufgaben, Leistungen und Standards in diesen Bereichen nicht zu 100 % aufrecht erhalten kann. Im Gegenzug kann aber über Zielvereinbarungen auch Planungssicherheit gewährleistet werden. Der derzeitige Zustand, dass die Kultureinrichtungen an allen Haushaltseinschränkungen während des Haushaltsjahres beteiligt werden und bei der Aufstellung eines jeden Haushaltsplanes von neuem ihre Existenz rechtfertigen müssen, würde damit der Vergangenheit angehören. Dabei steigt die Verantwortung des Einrichtungsleiters und seines Teams erheblich. Es wird in privater Rechtsform schwerer sein, Probleme wegzudelegieren. Die Stadt will sich jedoch keinesfalls ihrer Verantwortung entziehen. Auch in privaten Rechtsformen soll der Einfluss und die Mitverantwortung der Stadt gewährleistet bleiben.

Dem vorliegenden Haushaltssicherungskonzept ist mitunter ein kultureller Kahlschlag unterstellt worden. Diesen Vorwurf weise ich in aller Form zurück. Ich halte es für sehr viel gefährlicher für die kulturellen Einrichtungen der Stadt, wenn wir die Augen vor der finanziellen Entwicklung verschließen und alles so weiterlaufen lassen.

Unsere finanziellen Möglichkeiten reichen jetzt schon kaum für den ordnungsgemäßen Betrieb aus. Der Sanierungsbedarf bei der Kunsthalle, der Wunsch nach einem Theaterneubau, die bescheidenen Ausstellungsetats der städtischen Museen, die dringende Forderung des Konservatoriums, freie Stellen von außen besetzen zu können, werden wir mit unserem Haushalt auf lange Sicht nicht entsprechen.

Auch deshalb ist es geboten, Strukturen zu reduzieren, damit man das, was man macht, richtig machen kann. Von dem Prozess der Haushaltskonsolidierung kann auch das Volkstheater nicht ausgenommen werden. Dort sind weit über 10 % der städtischen Mitarbeiter beschäftigt. Wer diesen Bereich nicht antasten will, der muss noch stärker in andere Ämter eingreifen. Eine Strukturreduzierung ist auch Voraussetzung für einen Theaterneubau. Das Innenministerium hat eindeutig auf diesen Zusammenhang hingewiesen.

Das Haushaltssicherungskonzept lässt den Theaterbeschluss der Bürgerschaft von Mai 2002 unberührt. Für 2003 und 2004 bleibt der Etat wie er ist. Ein Theaterbetrieb hat jedoch lange Vorlaufzeiten. Wer 2005 am Theater etwas ändern will, muss damit heute beginnen.

Meine Damen und Herren,

die Beschlussvorlage selbst enthält in Ziffer 4 die Streichung eines alten Bürgerschaftsbeschlusses. Danach waren Sportstätten zu ersetzen, die aus Stadtentwicklungsgründen an anderer Stelle abgerissen werden mussten. So sympathisch ich diesen Beschluss finde, er ist im Vermögenshaushalt der Hansestadt Rostock auf lange Sicht nicht darstellbar. Wir werden in den nächsten Jahren Sportstätten nur ein Einzelfällen bauen können - nach Abwägung aller anderen Prioritäten.

Wer an diesen und ähnlichen Beschlüssen festhält, sorgt bei den Bürgerinnen und Bürgern der Hansestadt Rostock für Illusionen, die er später bitter enttäuschen muss. Eine Rostocker Tageszeitung hatte wohl auch deshalb ihren Bericht über die Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes mit der Überschrift "Das Ende der Illusionen" versehen.

Meine Damen und Herren,

die Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes habe ich mit der Kommunalaufsicht ausführlich erörtert. Das Innenministerium sieht uns mitdiesem Papier auf dem richtigen Weg, auch wenn ein Haushaltsausgleich noch nicht darstellbar ist. Die Entscheidung liegt jetzt bei Ihnen.

Ich bitte um Zustimmung zur Beschlussvorlage und danke für Ihre Aufmerksamkeit.