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Na­vi­ga­ti­on

In­ter­view Tho­mas Bie­big, Ab­tei­lungs­lei­ter Stra­te­gi­sche Ent­wick­lung Ros­tock Port GmbH

Mel­dung vom 06.10.2022

1. Seit wann spielt der Ros­to­cker Ha­fen ei­ne Rol­le in Ih­rem Le­ben und was ist Ih­re äl­tes­te Er­in­ne­rung an den Ha­fen?

Ich bin in Ros­tock ge­bo­ren und auf­ge­wach­sen. Ab­ge­se­hen von ei­ner kur­zen be­ruf­li­chen Stipp­vi­si­te im Rhein-Main-Ge­biet, le­be ich al­so schon im­mer an der Ost­see­küs­te. Auch der Ros­to­cker Ha­fen selbst ist schon im­mer prä­sent in mei­nem Le­ben ge­we­sen. Mei­ne El­tern ar­bei­te­ten bei­de im Ha­fen: mein Va­ter in der Ver­wal­tung, mei­ne Mut­ter in der „Ha­fen-Apo­the­ke“. Au­ßer­dem ab­sol­vier­te mein Bru­der ei­ne Lehr­aus­bil­dung zum Tisch­ler im „VEB See­ha­fen Ros­tock“ und ar­bei­te­te hier. En­de der 1980er Jah­re star­te­te ich im Ha­fen eben­falls mit mei­ner be­ruf­li­chen Lauf­bahn mit ei­ner Aus­bil­dung als „Fach­ar­bei­ter für Um­schlag und La­ger­wirt­schaft“ mit Ab­itur.

Zum da­ma­li­gen Zeit­punkt -1989 als „Tor zur Welt" mit staat­lich ge­lenk­ten La­dungs­strö­men - war der Ha­fen noch voll von Leu­ten, die dort ar­bei­te­ten, nur kur­ze Zeit spä­ter war er hin­ge­gen fast be­schäf­ti­gungs­los. Der Um­bruch zur Wen­de mar­kier­te ei­nen ab­so­lu­ten Tief­punkt des Ha­fens, aber aus heu­ti­ger Sicht stell­te er auch den Start­punkt der Ent­wick­lung zum „Tor in den Ost­see­raum“ dar.

2. Wel­che Be­deu­tung hat der Ha­fen Ros­tock heu­te für Sie?

Der Ha­fen Ros­tock ist zum ei­nen seit vie­len Jah­ren mein Ar­beit­ge­ber. Zum an­de­ren hat der Ha­fen für mich und vor al­lem auch für Ros­tock seit Jahr­hun­der­ten ei­ne deut­lich grö­ße­re Be­deu­tung.

Die lan­ge Ge­schich­te des Ha­fens prägt seit dem Mit­tel­al­ter auch das Ros­to­cker Stadt­bild bis heu­te: die schö­nen han­sea­ti­schen Häu­ser, die ehe­ma­li­gen vier gro­ßen Pfarr­kir­chen, aber auch un­ser Fuß­ball­ver­ein Han­sa Ros­tock spie­gelt schon im Na­men die Jahr­hun­der­te al­te Tra­di­ti­on der Han­se in Ros­tock wi­der.

3. Sie er­wähn­ten be­reits die er­eig­nis­rei­che Ge­schich­te des Ha­fens. Wie hat sich denn das Ha­fen­bild in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten ganz kon­kret ver­än­dert?

Über vie­le Jahr­hun­der­te be­fand sich der Ha­fen der Han­se­stadt in un­mit­tel­ba­rer Nä­he zur In­nen­stadt („Stadt­ha­fen“). Erst in den 50er Jah­ren des letz­ten Jahr­hun­derts ent­schied die DDR die Er­rich­tung ei­nes neu­en Ha­fens auf „grü­ner Wie­se“: Der sog. „Über­see­ha­fen“ nahm 1960 sei­nen Be­trieb auf. Bis zur Jahr­tau­send­wen­de wur­de der Stadt­ha­fen wei­ter­be­trie­ben, des­sen Ak­ti­vi­tä­ten aber mehr und mehr in den Über­see­ha­fen ver­legt. Da­mit hat die Ros­to­cker Ha­fen­wirt­schaft die­sen städ­te­bau­lich sen­si­blen und wich­ti­gen Be­reich „frei­ge­zo­gen“ und der Han­se­stadt gro­ße städ­te­bau­li­che Spiel­räu­me er­öff­net. Da­mit war in der Ha­fen­wirt­schaft auch die Er­war­tung ver­bun­den, sich im Über­see­ha­fen bei Be­darf ent­spre­chend ent­wi­ckeln zu kön­nen.

Ne­ben die­ser Ver­la­ge­rung gab es auch struk­tu­rel­le Ver­än­de­run­gen. Der Ha­fen ope­rier­te einst über­wie­gend als Gü­ter­schleu­se („Um­schlag­funk­ti­on“). Durch die Über­nah­me wei­te­rer Funk­tio­nen der „In­dus­trie“ und „Lo­gis­tik“, hat er sich zum grö­ß­ten Uni­ver­sal­ha­fen an der deut­schen Ost­see­küs­te ent­wi­ckelt, wenn auch die er­gän­zen­den Funk­tio­nen kaum die men­gen-mä­ßi­gen Ef­fek­te in der Um­schlag­sta­tis­tik aus­ma­chen. Im Ha­fen wird au­ßer­dem die En­er­gie­wen­de ak­tiv vor­an­ge­trie­ben. Wäh­rend frü­her fos­si­le Gü­ter um­ge­schla­gen wur­den (und auch noch wer­den), be­rei­ten wir heu­te den Um­schlag er­neu­er­ba­ren En­er­gie­trä­ger vor. Dies kann man auch dar­an se­hen, dass sich zwei gro­ße Un­ter­neh­men der En­er­gie­wen­de wie EEW und Lieb­herr 2 im Ha­fen an­ge­sie­delt ha­ben.

4. Wie ha­ben sich die Be­tä­ti­gungs­fel­der im Ha­fen ge­än­dert?

Ins­be­son­de­re durch den stär­ke­ren Fo­kus auf die En­er­gie­wen­de im Ha­fen gibt es hier na­tür­lich neue Be­tä­ti­gungs­fel­der. Un­se­re Part­ner und wir wol­len zum Bei­spiel mit­tel­fris­tig das Koh­le­kraft­werk im Ha­fen zu ei­nem Elek­tro­ly­seur um­bau­en, da­mit wir grü­nen Was­ser­stoff pro­du­zie­ren kön­nen. Hier brau­chen wir na­tür­lich an­de­re Fach­kräf­te, Er­fah­run­gen und Kennt­nis­se als frü­her.

Ich er­in­ne­re mich au­ßer­dem, dass wir frü­her vie­le Be­schäf­tig­te beim Be- und Ent­la­den der Wag­gons und Stück­gut­schif­fe hat­ten. Die­se gibt es so heu­te nicht mehr, statt­des­sen ha­ben wir ei­ne gro­ße Do­mi­nanz an Jobs aus der vor­ge­nann­ten In­dus­trie- und Lo­gis­tik­funk­tio­nen kom­mend.

6. Was kommt Ih­nen als Ers­tes in den Sinn, wenn Sie an die Ha­fen­er­wei­te­rung den­ken?

Ich muss vor al­lem an Chan­cen und Wan­del den­ken. Au­ßer­dem den­ke ich, dass wir die „sau­be­ren“ Be­tä­ti­gungs­fel­der in der En­er­gie­wirt­schaft mit der Ha­fen­er­wei­te­rung noch wei­ter aus­bau­en könn­ten. Wenn ich an die Ha­fen­er­wei­te­rung den­ke, dann den­ke ich aber auch dar­an, dass die Flä­chen da­für be­reit­ge­stellt wer­den müs­sen.

7. Was wür­den Sie sich für den Ros­to­cker Ha­fen und Ros­tock wün­schen?

Ich wün­sche mir, dass noch mehr Men­schen die Chan­cen der ma­ri­ti­men Ha­fen­wirt­schaft er­ken­nen und die­se Chan­cen in­fol­ge­des­sen auch ver­stärkt rea­li­siert wer­den. Es gibt nicht vie­le Ha­fen­stand­or­te mit der­ar­ti­gen Po­ten­tia­len. Wir müs­sen die­se nun aber auch aus­schöp­fen (dür­fen). Die Ha­fen­ent­wick­lung -insb. auch in den letz­ten 32 Jah­ren- war kein Selbst­läu­fer. Sie war am En­de nur mög­lich, weil wir die Flä­chen zur Ver­fü­gung hat­ten, um zu wach­sen.