Tripper und Co. - Die Zahlen steigen wieder
Pressemitteilung vom
Spätestens am Welt AIDS-Tag am 1. Dezember rücken alljährlich die neuen Zahlen der HIV-(Neu-)Infektionen ins Zentrum des Interesses. Im bundesdeutschen Maßstab sind sie in den letzten Jahren nur wenig angestiegen und bewegen sich zwischen 3.000 und 3.400, Tendenz nur langsam steigend. Gemäß aktuellen Schätzungen wissen rund 15.000 Personen nichts von ihrer HIV-Infektion. Wenig hingegen hört man von den anderen sexuell übertragbaren Infektionen wie Syphilis, Tripper, Chlamydien-Infektionen oder Genitalwarzen. Auch diese Geschlechtskrankheiten zeigen ein Anwachsen der Infektionszahlen. So berichtet das Robert-Koch-Institut in Berlin, dass seit der nicht namentlichen Meldung einer Syphilis-Infektion im Jahre 2001 die Zahlen kontinuierlich steigen, von einer großen Dunkelziffer müsse ausgegangen werden. Nicht nur homosexueller Kontakt kann hierfür verantwortlich sein, gerade in einigen mittelgroßen deutschen Städten gibt es immer wieder lokale Ausbrüche mit heterosexuellem Infektionsmuster.
Eine ähnliche Zunahme der Infektionszahlen kann bei den Tripper-Infektionen angenommen werden. Nur im Freistaat Sachsen gibt es eine anonymisierte Labormeldepflicht für Gonokokken-Infektionen (Tripper). Hier zeigt sich ein deutlicher Anstieg von 6,8 (im Jahre 2003) auf 13,7 (im Jahre 2011) pro 100.000 Einwohner. Dabei handelt es sich allerdings nur um bekannt gewordene und dem Arzt vorgestellte und untersuchte Infektionen. Der Anteil der nicht gemeldeten oder nicht diagnostizierten Gonokokken-Infektionen wird als erheblich eingeschätzt. Zudem zeigen sich weltweit in der Therapie der Tripper-Infektionen deutliche Resistenzen gegenüber den gängigen Antibiotika, das heißt, die herkömmliche Therapie greift immer weniger. Gerade die nicht erkannte Tripper-Infektion kann, ähnlich wie die häufigere, ebenso durch Geschlechtsverkehr übertragbare Chlamydien-Infektion, eine Unfruchtbarkeit verantworten.
Was ist Ursache der zunehmenden Zahl von (nicht erkannten?) Geschlechtskrankheiten? Haben die bisherigen Präventionsbotschaften versagt? Ja und Nein! In den vergangenen 20 bis 30 Jahren galt es, einfache Botschaften zu vermitteln, um die bislang nicht therapierbare HIV-Infektion einzudämmen. Hier ist der Kondomgebrauch bei Geschlechtsverkehr ein effizientes Mittel, um die Infektionsweitergabe zu vermeiden. Bei der Syphilis, dem Tripper, der Chlamydien-Infektion oder der Herpes Ansteckung genügt das Kondom nicht, um eine Infektion zu verhindern. Jene Geschlechtskrankheiten können bereits durch den „einfachen“ Schleimhautkontakt übertragen werden. Nun ist es wenig sinnvoll, Angst zu schüren, um bestimmte Präventionsbotschaften möglichst effektiv zu begründen. Es scheint, dass Präventionsbotschaften, gerade in der jüngeren, sexuell aktiven Generation gegenwärtig deutlich weniger ernst genommen und umgesetzt werden als im Vergleich noch vor 20 Jahren. Letztlich geht es darum, sich zu informieren und entsprechend zu handeln. Gerade die Verwendung von Kondomen sollte in einer „frischen Partnerschaft“ selbstverständlich sein. Bevor auf Kondome verzichtet werden kann, ist es ratsam, sich auf sexuell übertragbare Infektionen testen zu lassen.
Wie sieht es nun in Mecklenburg/Vorpommern aus? Geschätzt werden nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI), dass in Mecklenburg-Vorpommern Ende 2012 ca. 570 Bürgerinnen und Bürger mit einer HIV-Infektion leben, ca. 200 Personen wissen nichts von ihrer Infektion, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen. Im vergangenen Jahr wurden dem RKI in Berlin anonymisiert ca. 60 HIV-Neuinfektionen in Mecklenburg-Vorpommern bekannt, deutlich mehr als in den Jahren zuvor. Die Zahl der Syphilis-Infektionen wird für Mecklenburg-Vorpommern im selben Zeitraum mit ca. 50 Infektionen benannt, auch hier wird eine Zunahme der Infektionszahlen konstatiert.
Trotz der heute bestehenden Möglichkeit einer lebenslangen, therapeutischen Einstellung gegen eine HIV-Infektion ist AIDS immer noch eine bedrohliche Krankheit. Es besteht kein Grund, in der Verwendung von Kondomen nachlässiger zu werden. Insofern lässt die Tendenz, dass in den Bordellen und Modelwohnungen im Nordosten der Republik häufiger als im übrigen Land „Sex ohne“ gefordert und gewährt wird, aufhorchen. Sexarbeiter/-innen und Freier setzen sich offenbar zunehmend einer unkalkulierbaren Gefahr aus. Ein unverständlicher Umstand, da ca. 50 Prozent der Freier in festen Partnerschaften leben. Hier gilt es offenkundig, intensive Beratung anzubieten.
Beratung, Diagnostik und Tests zu den sexuell übertragbaren Krankheiten bietet in der Hansestadt Rostock das Gesundheitsamt durch die Beratungsstelle für sexuell übertragbare Krankheiten und AIDS anonym und kostenlos an. Die Beratungsstelle ist unter Tel. 0381 381-5313 zu erreichen. Dort können Ratsuchende Termine vereinbaren oder sich zu sexuell übertragbaren Infektionen informieren lassen.
Dr. Markus Schwarz
Amtsarzt und Leiter des Gesundheitsamtes der Hansestadt Rostock