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Na­vi­ga­ti­on

Ver­lei­hung des Eh­ren­bür­ger­rechts an Diet­lind Glüer

Pres­se­mit­tei­lung vom 14.12.2018 - Rat­haus

Der Ros­to­cke­rin Diet­lind Glüer wur­de heu­te im Fest­saal des Rat­hau­ses vor et­wa 150 Gäs­ten der Eh­ren­bür­ger­brief fei­er­lich über­reicht. In sei­ner Be­grü­ßung er­in­ner­te Ober­bür­ger­meis­ter Ro­land Me­th­ling dar­an, dass sich in der lan­gen Rei­he von Eh­ren­bür­gern seit der Ver­lei­hung am 18. Au­gust 1816 an Geb­hard Le­be­recht Fürst Blü­cher von Wahl­statt bis zum heu­ti­gen Ta­ge kei­ne ein­zi­ge Frau fin­det. „Seit der fried­li­chen Re­vo­lu­ti­on des Herbs­tes 1989 ha­ben wir in Ros­tock vier­mal das Eh­ren­bür­ger­recht ver­lie­hen und auch dar­un­ter gab es bis heu­te kei­ne Frau. Im 100. Jahr des Wahl­rechts für Frau­en ist es nun so­weit, end­lich wird ei­ne Frau Eh­ren­bür­ge­rin Ros­tocks. Es freut mich au­ßer­or­dent­lich, dass wir heu­te die Eh­ren­bür­ger­wür­de an Frau Diet­lind Glüer als be­son­de­re Wert­schät­zung für ihr au­ßer­ge­wöhn­li­ches und blei­ben­des Wir­ken für ei­ne de­mo­kra­ti­sche Ge­sell­schaft in der Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt Ros­tock ver­lei­hen. Die Ver­diens­te von Frau Glüer er­fül­len in je­der Hin­sicht die in un­se­rer Sat­zung fest­ge­schrie­be­nen Kri­te­ri­en für die Ver­lei­hung des Eh­ren­bür­ger­rechts."

Ros­tocks Bür­ger­schafts­prä­si­dent Dr. Wolf­gang Nitz­sche hob in sei­nem Gruß­wort her­vor: „Und so eh­ren wir heu­te ei­ne Frau, die weiß, dass De­mo­kra­tie und Kul­tur kei­ne ab­ge­schlos­se­nen Ein­hei­ten oh­ne Fens­ter nach au­ßen sind, son­dern im­mer schon von Aus­tausch, vom of­fe­nen Wort, von To­le­ranz und Ak­zep­tanz ge­lebt ha­ben."

Die Lau­da­tio auf Diet­lind Glüer hielt Dr. Ha­rald Ter­pe, Weg­ge­fähr­te wäh­rend der fried­li­chen Re­vo­lu­ti­on des Herbs­tes 1989 und spä­ter lang­jäh­ri­ges Mit­glied des Deut­schen Bun­des­ta­ges und der Ros­to­cker Bür­ger­schaft. Dar­in zeich­ne­te er schlag­licht­ar­tig Sta­tio­nen im Le­ben von Diet­lind Glüer nach. „Es schwingt Tat­kraft und ge­er­de­te Le­bens­freu­de mit." Grö­ß­ter Schwer­punkt der Lau­da­tio war die fried­li­che Re­vo­lu­ti­on. Dr. Ha­rald Ter­pe un­ter­strich: „Ih­re Wahr­haf­tig­keit und Au­to­ri­tät er­mög­lich­ten ihr, ent­schei­dend zur Ge­walt­frei­heit bei­zu­tra­gen. An die­sem Glück hat Diet­lind be­harr­lich mit­ge­schmie­det." Im Na­men vie­ler Gäs­te un­ter­strich der Lau­da­tor: „Vie­len Dank, dass wir Dei­ne Weg­ge­fähr­ten sein dür­fen!"

In ih­ren Dan­kes­wor­ten hob Diet­lind Glüer her­vor: „Ich ha­be die Eh­ren­bür­ger­schaft in Stell­ver­tre­tung für Vie­le an­ge­nom­men, die da­mals mit­ge­wirkt ha­ben." Sie er­in­ner­te an Re­pres­sio­nen wäh­rend ih­rer Schul­zeit und an den Auf­bau der Süd­stadt­ge­mein­de, aber auch an Chris­toph Klee­mann und Irm­gard Ro­ther als Mit­strei­ter wäh­rend der fried­li­chen Re­vo­lu­ti­on. Zu­gleich un­ter­strich Diet­lind Glüer: „Zu­ver­sicht­lich macht mich, wenn ich die vie­len jun­gen Ge­sich­ter se­he, die für ein of­fe­nes und to­le­ran­tes Ros­tock de­mons­trie­ren." Zu­gleich er­mu­tig­te sie jun­ge Men­schen, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, wenn sie ge­braucht wer­den.

Bun­des­prä­si­dent a.D. und Ros­to­cker Eh­ren­bür­ger Joa­chim Gauck ge­hör­te zu den ers­ten Gra­tu­lan­ten. „Ich bin heu­te be­son­ders stolz, ein Ros­to­cker zu sein!" Er dank­te Diet­lind Glüer mit den Wor­ten: „Ich ge­hö­re zu de­nen, die Du er­mu­tigt hast." Zu­gleich er­in­ner­te Joa­chim Gauck un­ter Be­zug auf die fried­li­che Re­vo­lu­ti­on: „Es war ei­ne Frau aus der Mit­te des Vol­kes!"

Die Ver­lei­hung der Eh­ren­bür­ger­wür­de an Diet­lind Glüer geht auf ei­nen Be­schluss der Bür­ger­schaft vom 5. Sep­tem­ber 2018 zu­rück. Dar­in hei­ßt es: „Diet­lind Glüer ge­hör­te zu den ma­ß­geb­li­chen Per­sön­lich­kei­ten der fried­li­chen Re­vo­lu­ti­on von 1989/ 1990. Selbst­los und mu­tig setz­te sie sich für die de­mo­kra­ti­sche Um­ge­stal­tung Ros­tocks ein. Ins­be­son­de­re durch ih­re mensch­li­che In­te­gri­tät und ih­re Fä­hig­keit, Men­schen per­sön­lich an­zu­spre­chen, präg­te sie die Um­ge­stal­tung Ros­tocks mit. Als An­sprech­part­ne­rin und mo­ti­vie­ren­de Kraft, die vie­le Ängst­li­che zur Mit­glied­schaft in ei­ner or­ga­ni­sier­ten Grup­pe der bür­ger­schaft­li­chen Pro­test­be­we­gung an­reg­te, als Ide­en­ge­be­rin wie als Netz­wer­ke­rin hat sie sich blei­ben­de Ver­diens­te für den fried­li­chen Um­bruch in Ros­tock er­wor­ben. Mit ih­rer be­zie­hungs­ori­en­tier­ten Her­an­ge­hens­wei­se gab sie den Er­eig­nis­sen von 1989/ 1990 ein weib­li­ches Ge­sicht. Zu Recht wird sie von vie­len als „Mut­ter der fried­li­chen Re­vo­lu­ti­on" be­zeich­net."

Diet­lind Glüer wur­de 1937 in Os­tero­de/ Ost­preu­ßen ge­bo­ren. Nach dem Krieg flüch­te­te die Fa­mi­lie nach Meck­len­burg. Diet­lind Glüer be­such­te die Schu­le in Bützow, spä­ter die Gro­ße Stadt­schu­le in Ros­tock, wo sie 1956 ihr Ab­itur ab­leg­te. An­schlie­ßend ab­sol­vier­te sie ei­ne Aus­bil­dung zur Ge­mein­de­päd­ago­gin bei der Evan­ge­li­schen Kir­che und war in der Kin­der­und Ju­gend­ar­beit in Güs­trow, Ros­tock und Schwe­rin tä­tig. Als Ge­mein­de­hel­fe­rin bau­te sie die Evan­ge­lisch-Lu­the­ri­sche Ge­mein­de in der neu ent­stan­de­nen Ros­to­cker Süd­stadt mit auf.

Diet­lind Glüer, die in ei­nem christ­li­chen El­tern­haus auf­wuchs, er­leb­te be­reits als Ju­gend­li­che, wie Chris­ten, ins­be­son­de­re die Jun­gen Ge­mein­den, von staat­li­cher Sei­te be­drängt wur­den. Ganz be­wusst wähl­te sie ei­nen Be­ruf im Um­feld der Kir­che, um sich dem Ein­fluss des athe­is­ti­schen Staa­tes zu ent­zie­hen.

Als „fol­ge­rich­tig" be­zeich­ne­te Diet­lind Glüer da­her auch ihr En­ga­ge­ment beim Ros­to­cker Neu­en Fo­rum, das sie 1989 mit­be­grün­det hat. Zu der von ihr mo­de­rier­ten Grün­dungs­ver­an­stal­tung in der Mi­chae­lis­kir­che er­schei­nen un­er­war­tet vie­le Teil­neh­men­de, die über Al­ter­na­ti­ven zum be­stehen­den po­li­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Sys­tem dis­ku­tie­ren. Diet­lind Glüer en­ga­gier­te sich, um den de­mo­kra­ti­schen Mei­nungs­bil­dungs­pro­zess zu un­ter­stüt­zen. Sie be­tei­lig­te sich auch an der Be­set­zung der Sta­si-Zen­tra­le in Ros­tock. Die schrift­li­chen Zeug­nis­se der un­ter­ge­gan­ge­nen Dik­ta­tur soll­ten kei­nes­falls der Ver­nich­tung durch die Tä­ter über­las­sen wer­den.

Ab 1990 setz­te sich Diet­lind Glüer vier Jah­re in der Ros­to­cker Bür­ger­schaft im Bünd­nis 90 für die Be­lan­ge der Stadt ein. Heu­te trifft man Diet­lind Glüer oft in dem von ihr mit­auf­ge­bau­ten Ca­fé „Ma­ri­en­treff" des Ver­eins Dreh­schei­be e.V. , wo sie bis heu­te wei­ter Men­schen in ih­rem po­li­ti­schen En­ga­ge­ment be­glei­tet und be­stärkt.

Für ihr En­ga­ge­ment er­hält Diet­lind Glüer 1995 das Bun­des­ver­dienst­kreuz. Ihr Wir­ken für De­mo­kra­tie, ihr Ein­satz für Mit­be­stim­mungs­mög­lich­kei­ten und für das Ge­mein­wohl wur­de in der Aus­stel­lung „Frau­en, die Meck­len­burg-Vor­pom­mern be­we­gen" der Hein­rich-Böll-Stif­tung M-V ge­wür­digt. In ih­rem Por­trait ließ sie sich mit fol­gen­dem Satz zi­tie­ren: „Ein­sam bist du klein, aber ge­mein­sam kön­nen wir An­walt der Le­ben­di­gen sein." Au­ßer­dem ge­hör­te Diet­lind Glüer 1990 zu den Kul­tur­preis­trä­gern der Han­se­stadt Ros­tock und er­hielt 2013 die Bu­gen­ha­gen-Me­dail­le der Evan­ge­lisch-Lu­the­ri­schen Kir­che in Nord­deutsch­land.

Das Eh­ren­bür­ger­recht ist die höchs­te Aus­zeich­nung, die die Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt Ros­tock ver­gibt. Mit dem Eh­ren­bür­ger­recht wer­den Per­sön­lich­kei­ten ge­wür­digt, die au­ßer­ge­wöhn­li­che und blei­ben­de Ver­diens­te um die Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt Ros­tock er­wor­ben ha­ben. Seit 1816 wur­de das Eh­ren­bür­ger­recht in Ros­tock ins­ge­samt 28-mal ver­lie­hen. Fünf die­ser Eh­run­gen wur­den zwi­schen­zeit­lich durch Ab­erken­nun­gen kor­ri­giert.

Text des Eh­ren­bür­ger­brie­fes:

„Die Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt Ros­tock ver­leiht

Frau Diet­lind Glüer

das

EH­REN­BÜR­GER­RECHT

in Wür­di­gung ih­rer au­ßer­ge­wöhn­li­chen und blei­ben­den Ver­diens­te für die de­mo­kra­ti­sche Ent­wick­lung Ros­tocks, die evan­ge­lisch-lu­the­ri­sche Ge­mein­de der Stadt so­wie das Ge­mein­wohl der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger der Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt Ros­tock.

gez. Ro­land Me­th­ling, Ober­bür­ger­meis­ter

gez. Dr. Wolf­gang Nitz­sche, Prä­si­dent der Bür­ger­schaft

Ros­tock, am 14. De­zem­ber 2018"

Text der Ein­tra­gung in das Eh­ren­buch der Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt Ros­tock:

„Die Han­se- und Uni­ver­si­täts­stadt Ros­tock wür­digt die Ver­diens­te von

Frau Diet­lind Glüer

mit der Ver­lei­hung des Eh­ren­bür­ger­rechts.

Frau Diet­lind Glüer präg­te ma­ß­geb­lich mit ho­hem per­sön­li­chem Ein­satz und mit un­er­schüt­ter­li­chem Mut die de­mo­kra­ti­sche Um­ge­stal­tung Ros­tocks. Als Ide­en­ge­be­rin und Netz­wer­ke­rin hat sie sich blei­ben­de Ver­diens­te für den fried­li­chen Um­bruch in un­se­rer Stadt er­wor­ben. Zu Recht ist sie für vie­le Ros­to­cke­rin­nen und Ros­to­cker die „Mut­ter der fried­li­chen Re­vo­lu­ti­on".

Diet­lind Glüer ging in Ros­tock zur Schu­le und ab­sol­vier­te ih­re Aus­bil­dung hier. Als Ge­mein­de­hel­fe­rin bau­te sie die Evan­ge­lisch-Lu­the­ri­sche Ge­mein­de in der neu ent­stan­de­nen Süd­stadt mit auf. Stets lag ihr die Ar­beit mit Kin­dern und Ju­gend­li­chen be­son­ders am Her­zen.

1989 war Frau Diet­lind Glüer Mit­be­grün­de­rin der Bür­ger­be­we­gung „Neu­es Fo­rum" in Ros­tock. In die­sen un­ru­hi­gen Zei­ten der fried­li­chen Re­vo­lu­ti­on hat sie sich mu­tig und mit gro­ßem En­ga­ge­ment für die Frei­heit und De­mo­kra­tie ein­ge­setzt. Sie war Mit­in­itia­to­rin des kirch­li­chen und öf­fent­li­chen Wi­der­stan­des ge­gen die SED-Dik­ta­tur. In zahl­rei­chen Ge­sprä­chen mo­ti­vier­te sie vie­le noch un­ent­schlos­se­ne Men­schen, sich in die bür­ger­li­che Pro­test­be­we­gung ein­zu­brin­gen und Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men. Frau Glüer be­tei­lig­te sich auch an der ge­walt­frei­en Be­set­zung der Sta­si-Zen­tra­le, um die schrift­li­chen Zeug­nis­se der un­ter­ge­hen­den Dik­ta­tur der Ver­nich­tung durch die Tä­ter zu ent­zie­hen.

Ab 1990 wid­me­te Frau Glüer ih­re Kraft und ih­re Ar­beit als Mit­glied der Ros­to­cker Bür­ger­schaft in der Frak­ti­on Bünd­nis 90 der Ent­wick­lung de­mo­kra­ti­scher Struk­tu­ren und dem Woh­le der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger un­se­rer Stadt. Auch heu­te noch setzt sie sich für ein ge­mein­schaft­li­ches Mit­ein­an­der ein und be­rät Gäs­te in re­li­giö­sen und so­zia­len Fra­gen in der von ihr mit­ge­schaf­fe­nen Be­geg­nungs­stät­te „Ca­fé Ma­ri­en­treff" des Ver­eins Dreh­schei­be e.V.

In all den Jah­ren ih­res Schaf­fens hat Frau Glüer stets ih­re Lie­be zu Ros­tock be­kun­det und sich in be­son­de­rer Wei­se um das Ge­mein­wohl ver­dient ge­macht. Ihr Stre­ben nach Frei­heit und ihr ver­söhn­li­ches Wir­ken für die Deut­sche Ein­heit tru­gen da­zu bei, dass die Fried­li­che Re­vo­lu­ti­on ge­lin­gen konn­te. So­mit ist der Na­me Diet­lind Glüer mit der jün­ge­ren Ge­schich­te Ros­tocks auf im­mer eng ver­knüpft.

Ros­tock, am 14. De­zem­ber 2018"