Walter Kempowski oder eine Kindheit in Rostock
Pressemitteilung vom
18. Mai 2000
Walter Kempowski oder eine Kindheit in Rostock
"Ein geräumiger Balkon mit Glasdach und Mauervorsprüngen zum Aufstellen von Judenbart und Schlangenkaktus. Noch waren die Bäume unbelaubt, aber es würde ein schöner Blick sein, über die blühenden Gärten hin zum grünen Turm von St. Jakobi. "Kinder wie isses schön", sagte meine Mutter, "nein wie isses schön", und drückte die Geranien fest."
Diese Freude über den schönen Ausblick aus Kempowskis neuem Heim kennen sicher viele begeisterte Leser von Walter Kempowskis Roman "Tadellöser & Wolff", in dem der gebürtige Rostocker seine Kindheit und Jugend in der alten Hansestadt so liebevoll erzählt und karikiert.
Dieses Zitat soll neben weiteren Romansequenzen Kindheit und Jugend eines bekannten Rostocker Romanhelden und Schriftstellers nacherlebbar machen. "Der Schüler Walter Kempowski. Eine Rostocker Jugend im III. Reich." ist das Motto einer kleinen Ausstellung im Rostocker Kröpeliner Tor, die vom 27. Mai bis 1. Oktober zu sehen ist. Kleine Lesetexte werden hier wirkungsvoll verknüpft mit Dokumenten, Fotos, Filmausschnitten und Ausstellungsgegenständen. So wird die Schelllackplatte eines Rostocker Musikhauses an eine alte Rauferei erinnern, bei der ein Rostocker Swing-Anhänger seine schönen langen Haare einbüßte. Zu dem authentischen Vorfall gibt es ein ebenso echtes Entschuldigungsschreiben, das die Besucher in der Ausstellung finden. Einem der Raufbolde hatte später das Gewissen geschlagen, so dass er sich in einem Brief an Kempowski für den tätlichen Übergriff entschuldigt. Bausteine, Lineolsoldaten und Granatsplitter werden das Spielzeug der 30-er Jahre veranschaulichen. Die Packung Ersatzkaffee und das echte Meißner Kaffeegeschirr stehen für die harmonischen Kaffeerunden einer Rostocker Reedersfamilie in schlechten Zeiten.
Die Ausstellung wird Szenen aus bürgerlichem Elternhaus, Freundeskreis, Schule und Hitlerjugend in Erinnerung rufen, die auch Kempowskis Altersgenossen so oder ähnlich erlebt haben können. "Wir wollen nicht Romane erzählen, sondern zeigen, wie Kinder vor fünfzig Jahren in Rostock aufwuchsen. Eine Ausstellung, die nicht vorrangig Schriftsteller und Werk würdigt, sondern am ausgewählten Beispiel Zeitgeschichte erzählt", erläutert der Vorsitzende Sebastian Schröder das Projekt des Fördervereins "Kempowski-Archiv Rostock. Ein bürgerliches Haus". "So ist Rostock hier ein Beispiel für viele andere Städte, Kempowski ein Beispiel für viele andere Rostocker aus bürgerlichem Elternhaus", so Schröder.
Walter Kempowski war im April vor 71 Jahren in Rostock als Sohn eines Reeders und Schiffsmaklers geboren worden und hatte sich als Schriftsteller mit seiner "deutschen Chronik" einen Namen gemacht. Die Romanreihe erzählt das Leben einer bürgerlichen Familie zu Zeiten von Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Nachkriegszeit und erreichte als Fernsehfilm von Eberhard Fechner Millionen Zuschauer.
Die Tourismuszentrale Rostock & Warnemünde empfiehlt den Besuch dieser und weiterer interessanter Ausstellungen der Städtischen Museen mit den günstigen Konditionen der RostockCard. Das Rostocker Kultur-, Erlebnis- und Nahverkehrsticket für Touristen und Besucher kostet 15 Mark und ermöglicht die Nutzung zahlreicher Kulturangebote und Freizeitmöglichkeiten unentgeltlich oder zu ermäßigten Preisen. RostockCard-Inhaber fahren damit außerdem 48 Stunden kostenlos in allen öffentlichen Verkehrsmitteln und können eine Wochenendpauschale von Hotels und Pensionen in vier unterschiedlichen Preiskategorien in Anspruch nehmen. Zwei Übernachtungen mit Frühstück im Doppelzimmer sind ab 120 Mark pro Person zu haben. Die RostockCard gibt es bei der Tourist-Information am Neuen Markt und in Warnemünde, im Theater sowie in Hotels, Museen und den Verkaufsstellen des öffentlichen Nahverkehrs