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Na­vi­ga­ti­on

Wenn ei­ne Sturm­flut die Ros­to­cker Küs­te er­reicht

Pres­se­mit­tei­lung vom 25.10.1999


Groß an­ge­leg­te Übung prob­te den Ernst­fall / Das Zu­sam­men­spiel klapp­te

Es ist Sonn­abend im Ok­to­ber. An die­sem Mor­gen pünkt­lich um 8 Uhr ist der Stab im Brand­schutz- und Ret­tungs­amt bis auf den letz­ten Platz be­setzt. Der Amts- und heu­te auch Stabs­lei­ter Wil­fried Behn­cke hat sei­nen Platz ein­ge­nom­men. Für wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen sitzt die Ka­ta­stro­phen­ab­wehr­lei­te­rin Ka­ri­na Jens an sei­ner Sei­te. Um ihn her­um zahl­rei­che Feu­er­wehr­leu­te, die sich um Ein­satz­be­feh­le und die rich­ti­gen Per­so­nal­stär­ken küm­mern, Tech­nik be­reit­stel­len.

Am Pult ne­ben­an klin­gelt das Te­le­fon heiß, kom­men ak­tu­el­le Nach­rich­ten per Funk und Fax, wer­den Be­feh­le an die zu­stän­di­ge Frau oder den Mann ge­bracht. Mit im Bun­de in die­sen frü­hen Mor­gen­stun­den Ver­tre­ter von STAUN, Tech­ni­schem Hilfs­werk und DRK, von Stadt­amt, un­te­rer Was­ser­be­hör­de und Pres­se­amt.

Kein Tag wie je­der an­de­re, kein Ein­satz wie je­der an­de­re in der Ein­satz­leit­stel­le Erich-Schle­sin­ger-Stra­ße. An die­sem Tag wis­sen al­le Be­tei­lig­ten be­reits, was sie er­war­tet. Ei­ne Sturm­flut er­reicht in den frü­hen Mor­gen­stun­den die Ros­to­cker Küs­te. Be­reits um 6 Uhr hat das STAUN die Hoch­was­ser­stu­fe 1 aus­ge­ru­fen. Zu die­sem Zeit­punkt steht die Ost­see be­reits ei­nen Me­ter über dem nor­mal fünf Me­ter ho­hen Was­ser­stand. Der Pe­gel steigt stark und schnell und er­reicht ge­gen 7.30 Uhr 6,25 Me­ter.

Nach der Ein­wei­sung durch den so­ge­nann­ten A-Dienst des Brand­schutz- und Ret­tungs­am­tes über­nimmt der Stab so­fort die Lei­tung der Ak­ti­on, ruft die Alarm­stu­fe 2 aus und alar­miert al­le, die in sol­chen Fäl­len aus­rü­cken müs­sen. So rückt die Frei­wil­li­ge Feu­er­wehr Groß Klein aus, um im gleich­na­mi­gen Dorf Sand­sä­cke zu fül­len. Zug­trupp und Ber­gungs­trupp des Tech­ni­schen Hilfs­werks über­neh­men die­se Auf­ga­be kur­ze Zeit spä­ter auch im See­ha­fen. Ein Hub­schrau­ber der Po­li­zei trans­por­tiert die fer­ti­gen Ex­em­pla­re so­fort dort­hin, wo Wäl­le vor dem Was­ser schüt­zen müs­sen: an die Süd­spit­ze des Al­ten Stroms, in den Stadt­ha­fen, zur Stub­ben­wie­se in Mark­gra­fen­hei­de und in den Groß Klei­ner Laak­ka­nal. Ge­gen 9 Uhr sind al­le Ein­satz­kräf­te der Be­rufs- und der Frei­wil­li­gen Feu­er­weh­ren vor Ort. In Ak­ti­on auch Was­ser­weh­ren, Po­li­zei und das DRK. Pan­nen sind al­ler­dings nicht ganz aus­ge­schlos­sen. Die Was­ser­wehr der In­nen­stadt war­tet auf ih­ren Ein­satz - und wird viel zu spät ge­ru­fen.

Wer, wann, wo und mit wel­cher Tech­nik und Per­so­nen­stär­ke vor Ort ist, do­ku­men­tiert der Lei­ter des La­ge­diens­tes Jörg Born­höft in der Ein­satz­leit­stel­le stän­dig an ei­ner gro­ßen Schau­wand. Mit ro­ten Pfei­len mar­kiert sind die Ein­satz­or­te, no­tiert Pe­gel­stand und Alarm­stu­fe, ist die Über­sicht von Ein­satz­kräf­ten und Tech­nik stän­dig auf dem ak­tu­el­len Stand.

Un­zäh­li­ge ro­te, blaue und gel­be Zet­tel ma­chen die Run­de. Kurz no­tiert sind hier in Stich­punk­ten neu­es­te In­for­ma­tio­nen, die den Stab per Te­le­fon oder Funk er­rei­chen. Sie wer­den an die zu­stän­di­ge Per­son wei­ter­ge­reicht, die dann Ent­schei­dun­gen trifft bzw. vor­be­rei­tet. Je­des De­tail ist schrift­lich fest­ge­hal­ten. Wel­che Leu­te wo im Ein­satz sind zum Bei­spiel, daß ei­ne leb­lo­se Per­son Hil­fe braucht, ein Tra­fo­häus­chen brennt, der Sa­ni­täts­zug des DRK die ers­ten Op­fer in Not­quar­tie­ren un­ter­ge­bracht hat. So wird sich die Ver­kehrs­be­hör­de des über­schwemm­ten­Park­plat­zes am Stadt­ha­fen an­neh­men, das Um­welt­amt als Un­te­re Was­ser­be­hör­de um die Trink­was­ser­ver­sor­gung küm­mern und und und. Die Auf­zäh­lung lie­ße sich fort­set­zen. Für den Stab und al­le Be­tei­lig­ten vor Ort ist so man­che zu­sätz­li­che Hür­de ein­ge­baut. Und so löst der „rich­ti­ge“ Ba­ra­cken­brand in Mark­gra­fen­hei­de kei­ne Hek­tik aus. So­fort wird um­dis­po­niert, rü­cken Ein­satz­kräf­te von der Übung zum Ernst­fall aus. Über­ra­schen­de Wen­dun­gen sind für die Ros­to­cker Be­rufs­feu­er­wehr kei­ne Sel­ten­heit.

Al­so doch ein Tag wie je­der an­de­re? „Ja und nein“, ant­wor­tet Se­na­to­rin Jens sa­lo­mo­nisch. „Brand­be­kämp­fung und Ret­tung­sein-ät­ze ge­hö­ren zum All­tags­ge­schäft und müs­sen klap­pen.“ Und doch war die Sturm­flut ‘99 die ers­te Ka­ta­stro­phen­übung mit ei­ner so ho­hen An­zahl von Kräf­ten und Mit­teln. Nicht der Ein­satz an sich, son­dern das Zu­sam­men­spiel al­ler Part­ner soll­te er­probt wer­den. Schlie­ß­lich sind Auf­ga­ben, Pflich­ten und Maß­nah­men für Hoch­was­ser­fäl­le schwarz auf weiß in ei­nem di­cken Plan zu­sam­men­ge­faßt, doch in der Pra­xis ge­tes­tet wur­den sie an die­sem Sonn­abend zum ers­ten Mal. Nicht al­les läuft wie am Schnür­chen, ge­steht Ka­ri­na Jens ein, die al­len Be­tei­lig­ten an die­ser Stel­le noch ein­mal für die­sen Ein­satz au­ßer der Rei­he dankt. Im gro­ßen und gan­zen je­doch min­dert das nicht den Er­folg der groß an­ge­leg­ten Hoch­was­ser­übung. sw