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Na­vi­ga­ti­on

Wor­te des Ge­den­kens von Ka­ri­na Jens, Prä­si­den­tin der Bür­ger­schaft der Han­se­stadt Ros­tock, an­läss­lich des In­ter­na­tio­na­len Ho­lo­caust­ge­denk­tag - dem Tag des Ge­den­kens an die Op­fer des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus in der Sit­zung der Bür­ger­schaft am 27. Ja­nu­ar 2010

Pres­se­mit­tei­lung vom 27.01.2010

- Es gilt das ge­spro­che­ne Wort! -

Sehr ge­ehr­ter Herr Ober­bür­ger­meis­ter, Sehr ge­ehr­te Frau Se­na­to­rin und Her­ren Se­na­to­ren, Sehr ge­ehr­te Mit­glie­der der Bür­ger­schaft, sehr ge­ehr­te Da­men und Her­ren,

vor Er­öff­nung der heu­ti­gen Bür­ger­schafts­sit­zung möch­te ich an das Ge­den­ken für die Op­fer des Na­tio­na­lis­mus er­in­nern.

Heu­te, am 27. Ja­nu­ar 2010, jährt sich der Tag der Be­frei­ung des Kon­zen­tra­ti­ons- und Ver­nich­tungs­la­gers Ausch­witz-Bir­ken­au zum 65. Mal. An die­sem Tag ha­ben die Sol­da­ten der Ro­ten Ar­mee die Über­le­ben­den des Ver­nich­tungs­la­gers Ausch­witz be­freit.

Mei­ne Da­men und Her­ren,

die­ses Da­tum ist dem Ein­ge­den­ken an die Op­fer des eu­ro­päi­schen Ge­no­zids ge­wid­met so­wie Mah­nung zu ei­nem mensch­li­chen Zu­sam­men­le­ben und ei­ner wehr­haf­ten de­mo­kra­ti­schen Kul­tur.

Un­ser Ge­den­ken gilt all den­je­ni­gen, de­nen un­er­mess­li­ches Leid wi­der­fah­ren ist, de­nen die Wür­de ge­nom­men wur­de und die ihr Le­ben ver­lo­ren ha­ben. Wir ge­den­ken der Ju­den, Chris­ten, Sin­ti und Ro­ma, der Men­schen mit Be­hin­de­rung, Ho­mo­se­xu­el­len, po­li­tisch An­ders­den­ken­den, so­wie Män­nern und Frau­en des Wi­der­stan­des, Zwangs­ar­bei­te­rin­nen und Zwangs­ar­bei­ter und der Kin­der - sehr vie­ler Kin­der, vor de­nen der in­dus­tri­ell or­ga­ni­sier­te Mas­sen­mord nicht halt mach­te.

Seit dem Jahr 1996 ist der 27. Ja­nu­ar ein na­tio­na­ler Ge­denk­tag in Deutsch­land für die Op­fer des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus.

Ro­man Her­zog sag­te in sei­ner Pro­kla­ma­ti­on an­läss­lich der Fest­le­gung die­ses Ta­ges im Deut­schen Bun­des­tag am 3. Ja­nu­ar 1996:

"Die Er­in­ne­rung darf nicht en­den; sie muss auch künf­ti­ge Ge­ne­ra­tio­nen zur Wach­sam­keit mah­nen. Es ist des­halb wich­tig, nun ei­ne Form des Er­in­nerns zu fin­den, die in die Zu­kunft wirkt. Sie soll Trau­er über Leid und Ver­lust aus­drü­cken, dem Ge­den­ken der Op­fer ge­wid­met sein und je­der Ge­fahr der Wie­der­ho­lung ent­ge­gen­wir­ken."

Am 1. No­vem­ber 2005 er­klär­te die Ge­ne­ral­ver­samm­lung der Ver­ein­ten Na­tio­nen den 27. Ja­nu­ar zum In­ter­na­tio­na­len Ho­lo­caust­ge­denk­tag.

Die­se Ver­bre­chen an der Mensch­lich­keit be­gan­nen nicht erst mit Ausch­witz und en­de­ten auch nicht mit Ausch­witz. Ausch­witz, das grö­ß­te deut­sche Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger, ist aber das Sym­bol für sys­te­ma­ti­schen Mord, ins­be­son­de­re an den Ju­den Eu­ro­pas. Es ist Sinn­bild für das Leid, das Men­schen an­de­ren Men­schen zu­fü­gen kön­nen, und es steht mit­hin für den Zi­vi­li­sa­ti­ons­bruch, des­sen Mög­lich­keit auch je­de mo­der­ne Ge­sell­schaft in sich trägt.

Pri­mo Le­vi, ita­lie­ni­scher Schrift­stel­ler und ei­ner der Über­le­ben­den des Ho­lo­caust, bi­lan­zier­te sei­ne qual­vol­le Auf­ar­bei­tung mit dem Er­le­ben in Ausch­witz und Bir­ken­au mit der bit­te­ren Mah­nung:

"Es ist ge­sche­hen, und folg­lich kann es wie­der ge­sche­hen."

Es ist eben der Mensch selbst, der Hu­ma­ni­tät, Recht und Men­schen­wür­de im­mer wie­der ge­fähr­den kann.

Dar­um dür­fen wir nie ver­drän­gen, nie mü­de wer­den zu be­to­nen, dass Frei­heit und De­mo­kra­tie, To­le­ranz und Hu­ma­ni­tät nicht Selbst­ver­ständ­li­ches sind, son­dern fort­dau­ern­des En­ga­ge­ment von je­dem Ein­zel­nen er­for­dern.

Wir dür­fen in un­se­ren Be­mü­hun­gen nicht nach­las­sen, ge­gen An­ti­se­mi­tis­mus, Frem­den­feind­lich­keit, Ras­sis­mus und ge­gen al­le For­men des Ex­tre­mis­mus vor­zu­ge­hen.

Ge­schich­te ver­geht nicht, sie kann nur durch Ver­än­de­rung oder Ver­söh­nung über­wun­den wer­den. Sie ist na­tio­na­les Ge­dächt­nis der Ge­sell­schaft und prägt ih­re Zu­kunft. Die Be­wah­rung der Er­in­ne­rung, ist ei­ne po­li­ti­sche Auf­ga­be und ge­sell­schaft­li­che, die ge­mein­sam durch al­le de­mo­kra­ti­schen Kräf­te be­wäl­tigt wer­den muss. Dar­an las­sen Sie uns auch wei­ter­hin ge­mein­sam ar­bei­ten.

Ich bit­te Sie nun sich von ih­ren Plät­zen zu ei­nem stil­len Ge­den­ken für die Op­fer von Ge­walt, Dik­ta­tur und Ter­ror zu er­he­ben.

Ich dan­ke Ih­nen.