Tatorte der Vergangenheit
Pressemitteilung vom
Stadtarchiv arbeitet 15.000 historische Gerichtsakten auf
Der Hang zur Zicke gilt selten als Erfolgsrezept, im Stadtarchiv hingegen ist er erste Wahl. Denn nichts reinigt historische Akten sanfter von Schmutz und Staub als eine Ziegenhaarbürste. „Sie ist besonders weich und schont die wertvollen Dokumente“, erzählt Sebastian Eichler. Der 31-jährige Historiker erweckt gemeinsam mit Stadtarchivarin Antje Diebermann historische Rostocker Gerichtsakten wieder zum Leben. Gereinigt, geordnet und nach Jahreszahlen sortiert sollen die „Tatorte der Vergangenheit“ einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Mord und Totschlag kommen dabei eher selten zu Tage. Zumeist gab es Streitereien um laut grunzende Schweine des Nachbarn, Erbschaftsgerangel oder Schulden. Dabei beschimpfte man seinen Kontrahenten gern abgrundtief verachtend als „Schelm“. Wer Böses dabei denkt, liegt richtig, denn die inzwischen harmlose Wendung war damals an Heftigkeit kaum zu überbieten. „Die alten Unterlagen bergen viel Lesespaß, zumal viele Aussagen im Original zitiert werden“, schmunzelt Sebastian Eichler. Dabei muss er sich professionell durch in Deutsch, Latein und Platt formulierte Aktenberge lesen.
Insgesamt umfasst das keineswegs angestaubte Projekt über 15.000 Fälle, die bis in das Jahr 1570 zurückdatiert werden können. „Die komplette Durchsicht der historischen Papiere wird wohl noch sieben Rostocker Jahre dauern“, freut sich Sebastian Eichler, der dem Aktenschimmel einfallsreich mit Rußfresserschwamm zu Leibe rückt. Besondere Entdeckerfreude kommt bei ihm auf, wenn historische Handzeichnungen beispielsweise von Rostocker Hinterhöfen oder Stammbaum-Abbildungen zu Tage treten. Dann kann er sich schon mal mit der Zickenbürste in Rostocks spannender Vergangenheit festlesen.
Kerstin Kanaa