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Na­vi­ga­ti­on

10. Stadt­wei­tes Fach­tref­fen der Frü­hen Hil­fen - „Re­si­li­enz und Kri­se – Auf­tan­ken mit und für Fa­mi­li­en“

Weit mehr als 100 An­mel­dun­gen wa­ren zum jähr­li­chen Fach­tag im Fest­saal des Ros­to­cker Rat­hau­ses ein­ge­gan­gen. Die Fach­kräf­te aus zahl­rei­chen ver­schie­de­nen Be­ru­fen woll­ten sich zum The­ma Re­si­li­enz in­for­mie­ren – zum ei­nen, wie sie selbst bes­ser mit Kri­sen um­ge­hen kön­nen; zum an­de­ren, wie sie Fa­mi­li­en da­zu ver­hel­fen kön­nen.
Mo­de­riert wur­de der Fach­tag von Kat­rin Ol­dörp, seit acht Jah­ren Netz­werk­ko­or­di­na­to­rin Frü­he Hil­fen, und Ja­net Berg vom Kreis­ver­band Ros­tock des Kin­der­schutz­bun­des.

Vor dem Hin­ter­grund ge­häuft auf­tre­ten­der ge­sell­schaft­li­cher Kri­sen sei Re­si­li­enz be­son­ders wich­tig, sag­te Stef­fen Bock­hahn, Se­na­tor für Ju­gend, So­zia­les, Ge­sund­heit und Schu­le, in sei­nem Gruß­wort. Ge­ra­de in Fa­mi­li­en kä­men Her­aus­for­de­run­gen oft in un­ge­wohn­ter und un­ge­ahn­ter Form vor. „Da ist es gut zu ver­ste­hen, dass die Fa­mi­lie auch Res­sour­ce statt nur Be­las­tung sein kann. Und wie man mit Kri­sen um­geht, oh­ne dar­an zu zer­bre­chen, son­dern ge­stärkt dar­aus her­vor­geht.“ Da­für sei zum Bei­spiel in man­chen Ki­tas mehr be­darfs­ge­rech­te Be­ra­tungs­leis­tung nö­tig. Die­se ab­zu­si­chern, sei ei­nes sei­ner Zie­le.

Fran­zis­ka Bert­hold nahm in ih­rem Re­fe­rat die An­we­sen­den auf ei­ne Rei­se in vier Etap­pen mit: von Be­griff­lich­kei­ten über For­schung und Zu­gän­ge bis hin zu Schutz­fak­to­ren. Das gro­ße Ziel: Re­si­li­enz.
Zu­nächst er­klärt die So­zi­al­päd­ago­gin von der Ge­sell­schaft für Ge­sund­heit und Päd­ago­gik mbH in Ros­tock den Be­griff. Er stammt aus der Werk­stoff­kun­de und be­zeich­net die Fä­hig­keit ei­nes Ma­te­ri­als, nach Ein­wir­kung von Kräf­ten wie­der in sei­nen Aus­gangs­zu­stand zu­rück­zu­keh­ren. Seit den 1970er Jah­ren wird das Wort auch in der Psy­cho­lo­gie ver­wen­det. Hier be­nennt es die Fä­hig­keit von Men­schen, in Kri­sen­si­tua­tio­nen aus sich selbst her­aus Kräf­te zu ent­wi­ckeln, die Be­wäl­ti­gung und so­gar Wei­ter­ent­wick­lung er­mög­li­chen.

In Kri­sen gibt es im­mer wie­der Men­schen, die ge­sund und ge­stärkt dar­aus her­vor­ge­hen, wäh­rend für an­de­re aus der­sel­ben Si­tua­ti­on ei­ne Be­las­tung ent­steht. Auch schon Kin­der zei­gen ver­schie­de­ne For­men der Be­wäl­ti­gungs­kom­pe­tenz: Ei­ni­ge, die in Fa­mi­li­en mit ho­her Kri­sen­an­fäl­lig­keit le­ben, schaf­fen es den­noch, sich gut zu ent­wi­ckeln. An­de­re be­stehen auch un­ter stän­di­gem Stress, et­wa Tren­nung der El­tern. Und so­gar man­che Kin­der, die Krieg, Ge­walt und Tod er­fah­ren ha­ben, kön­nen sich da­von gut er­ho­len. Sie funk­tio­nie­ren so­zu­sa­gen nach dem Steh­auf­männ­chen-Prin­zip. Da­bei sei­en Schwan­ger­schaft und frü­hes­te Kind­heit die vul­ne­ra­bels­te Pha­se, so die Re­fe­ren­tin.

Re­si­li­en­z­for­schung ist ein in­ter­dis­zi­pli­nä­res wis­sen­schaft­li­ches The­ma, wird un­ter an­de­rem in der Psy­cho­lo­gie und Päd­ago­gik eben­so be­han­delt wie in der Me­di­zin oder So­zio­lo­gie.

Im­mer mehr Fa­mi­li­en sind von Kri­sen be­trof­fen. Dar­un­ter fal­len un­ter an­de­rem Ar­mut und Um­welt­ver­än­de­run­gen, Krie­ge und Mi­gra­ti­on. Um mit den Men­schen dar­über spre­chen zu kön­nen, bie­ten sich für die Fach­kräf­te ver­schie­de­ne Zu­gän­ge an. Bert­hold nann­te Mär­chen und Ge­schich­ten ge­nau­so wie kon­kre­te Er­eig­nis­se in Fa­mi­lie und Freun­des­kreis, aber auch Ar­beit oder So­zia­les.

Um im kon­kre­ten Fall Schutz­fak­to­ren aus­ma­chen zu kön­nen, müs­sen zu­nächst die Ri­si­ken er­kannt wer­den. Da­nach ste­hen die in­di­vi­du­el­len und so­zia­len Kom­pe­ten­zen im Fo­kus. Da­bei müs­sen Emo­tio­nen zu­ge­las­sen, Op­ti­mis­mus er­kannt wer­den.
Nicht zu­letzt sei es wich­tig, auch die Fach­kräf­te-Teams re­si­li­ent zu ma­chen. „Denn sie brau­chen dar­in ei­nen Vor­sprung, um gut be­glei­ten zu kön­nen“, rät die Ex­per­tin. Da­für könn­ten Wer­te wie Zu­sam­men­halt, Si­cher­heit oder Ver­trau­en ei­ne Rol­le spie­len.

Zwei we­sent­li­che Säu­len für Re­si­li­enz nennt Chris­ti­an Fritz: Selbst­ein­schät­zung und Selbst­wirk­sam­keit. „Frü­her schrieb man dies nur ei­ner Grup­pe zu“, er­läu­tert der Sucht- und So­zio­the­ra­peut vom Be­ra­tungs- und The­ra­pie­zen­trum der Volks­so­li­da­ri­tät in An­klam. Die Idee, dass es Re­si­li­enz auch im ein­zel­nen Men­schen gibt, kam erst spä­ter auf – in Ab­hän­gig­keit da­von, wie wi­der­spruchs­frei und im Ein­klang mit sei­nem Le­ben sich je­mand fühlt. Es kommt dar­auf an, wie fä­hig sich je­mand fühlt, mit Her­aus­for­de­run­gen um­zu­ge­hen, aber auch dar­auf, ob er von Men­schen um­ge­ben ist, die ihn ge­ge­be­nen­falls un­ter­stüt­zen kön­nen. Und nicht zu­letzt spielt die Be­deut­sam­keit des ei­ge­nen Le­bens ei­ne Rol­le.
Um die­se Fä­hig­keit zu er­klä­ren, ver­gleicht er ei­ne Fens­ter­schei­be mit ei­nem Schaum­gum­mi­ball: „Wenn auf bei­de Ma­te­ria­li­en die glei­che Kraft ein­wirkt, zer­springt das ei­ne so­fort, wäh­rend das an­de­re heil bleibt und schnell wie­der in sei­ne Aus­gangs­form zu­rück­kehrt.“ Be­son­ders wich­tig: Re­si­li­enz ist trai­nier­bar. „Das darf nur nicht ver­ges­sen wer­den“, so der Re­fe­rent. „Sonst ver­küm­mert sie.“

Fritz be­schreibt aus sei­ner Ar­beits­er­fah­rung, dass we­nig re­si­li­en­te Men­schen sich oft auf­fäl­lig oder ab­wei­chend ver­hal­ten, ein ge­stör­tes Selbst­bild und ei­ne ge­rin­ge Frus­tra­ti­ons­to­le­ranz ha­ben. Häu­fig sind sie von Ar­mut be­droht und wer­den über­durch­schnitt­lich oft straf­fäl­lig.
Er zählt zehn Mög­lich­kei­ten auf, um die ei­ge­ne Re­si­li­enz zu stär­ken. Da­zu ge­hört zu al­ler­erst, sich selbst zu mö­gen. Wich­tig ist auch, rea­lis­tisch zu den­ken, Ver­än­de­run­gen zu ak­zep­tie­ren. „Kri­sen ha­ben im­mer ei­nen An­fang und auch im­mer ein En­de, sie sind al­so vor­über­ge­hen­de Zu­stän­de. Wenn ich mir das klar­ma­che, blei­be ich hand­lungs­fä­hig, statt zum Op­fer mei­nes Schick­sals zu wer­den.“

Ge­wohn­hei­ten ma­chen das Le­ben flüs­sig, aber ei­ne Grund­fle­xi­bi­li­tät muss er­hal­ten blei­ben. Eben­so wich­tig ist, ei­ge­ne Zie­le zu ver­fol­gen und Mög­lich­kei­ten zu ent­de­cken, hoff­nungs­voll und ent­schei­dungs­freu­dig zu sein.
Wich­tig ist auch ein Netz­werk von Men­schen, die gut für den Ein­zel­nen sind. „Aber der, der gut für ei­nen ist, muss nicht zwangs­läu­fig auch der sein, den man gut lei­den kann“, sagt Fritz. Da­bei gibt es ei­ner­seits die­je­ni­gen, die zur ei­ge­nen Fa­mi­lie ge­hö­ren, an­de­rer­seits Men­schen, die Ein­fluss auf das Ver­hal­ten des Ein­zel­nen aus­üben.
Nicht zu­letzt soll­te je­der gut für sich selbst sor­gen. Das übe man am bes­ten in kri­sen­frei­en Zei­ten, meint er. „Denn du bist der ein­zi­ge Mensch, der dich de­fi­ni­tiv dein gan­zes Le­ben lang be­glei­tet und dem du nicht weg­lau­fen kannst.“

„Blick auf Re­si­li­enz in Fa­mi­li­en mit psy­chi­schen und/oder Sucht­be­las­tun­gen“

Bei So­zi­al­päd­ago­gin Fran­zis­ka Bert­hold wur­de über ei­ne vul­ne­r­a­ble Ziel­grup­pe ge­spro­chen: Kin­der, die in ei­nem Um­feld mit ernst­haf­ten, be­las­ten­den Er­kran­kun­gen auf­wach­sen und so in Ge­fahr ge­ra­ten, eben­falls be­trof­fen zu wer­den. Die Teil­neh­me­rin­nen aus ganz un­ter­schied­li­chen Ar­beits­fel­dern be­rich­te­ten von ih­ren Er­fah­run­gen über hilf­rei­ches Ein­grei­fen, auch au­ßer­halb von Spra­che. Ei­ne wich­ti­ge Er­kennt­nis war, dass Kin­der und Ju­gend­li­che ein Recht dar­auf ha­ben zu er­fah­ren, was mit Mut­ter oder Va­ter los ist, dass sie kei­ne Schuld dar­an tra­gen und auch nicht zwangs­läu­fig selbst er­kran­ken müs­sen.

„Das Fa­mi­li­enz-Kon­zept“

Paar- und Fa­mi­li­en­the­ra­peu­tin Ro­my Win­ter stell­te die­ses Kon­zept vor, das spe­zi­ell für Fa­mi­li­en ent­wi­ckelt wur­de. Es be­steht aus sie­ben Fak­to­ren: Bin­dung&Be­zie­hung, Hal­tung&Wer­tung, Be­dürf­nis­ori­en­tie­rung, el­ter­li­che Füh­rung, Kom­mu­ni­ka­ti­on, Res­sour­cen&Ri­tua­le, Kri­sen- und Kon­flikt­ma­nage­ment.

„Res­sour­cen Ak­ti­vie­rung für und mit Fa­mi­li­en“ Res­sour­cen & Ri­tua­le als Fa­mi­li­enz® Fak­tor

  • Ein­füh­rung in Fa­mi­li­enz® Fak­tor „Res­sour­cen“
  • Be­deu­tung von Ri­tua­len für Fa­mi­li­en
  • Me­tho­den-Kof­fer (Bei­spie­le):
  • Bin­dungs­spie­le
  • Das Res­sour­cen­brett
  • Em­bo­di­ment
  • Ziel­for­mu­lie­rung mit dem Tschak­ka Al­pa­ka

Grup­pen­ar­beit
Q & A
In­halt­li­cher Schwer­punkt: Klein­kind­al­ter bzw. Fa­mi­li­en mit bis zu 3jäh­ri­gen Kin­dern
Hier fin­den Sie wei­ter­füh­ren­de In­for­ma­tio­nen zum Kon­zept.

„Re­si­li­enz – Re­zept für ein glück­li­ches Le­ben!?“

Sucht- und So­zio­the­ra­peut Chris­ti­an Fritz ließ sei­ne Teil­neh­mer un­ter an­de­rem selbst ei­nen Re­si­li­en­z­test ma­chen. Er ver­wies auf sei­ne Web­site, auf der die­ser Test frei zur Ver­fü­gung steht (Pass­wort: rs4u).
Au­ßer­dem wur­de über so­zia­le Net­ze, den „hei­ßen Stuhl“ und die Lie­be zu sich selbst ge­spro­chen.

„Tipps für Fa­mi­li­en“

Hier wur­de er­klärt, was in Kri­sen auf kör­per­li­cher Ebe­ne pas­siert. Dar­aus kann ab­ge­lei­tet wer­den, wie die Fach­kräf­te sich selbst und auch ih­re Kli­en­ten be­ru­hi­gen kön­nen. Für Mo­de­ra­to­rin Ka­ren Bal­trusch, Psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­tin von der Ta­ges­kli­nik der GGP, lag der Fo­kus da­bei auf dem vor­sprach­li­chen Be­reich, al­so bei Ba­bys und Klein­kin­dern: Be­we­gung und Ge­schich­ten, Tan­zen und Schau­keln kön­nen hel­fen.

„So … oder an­ders – Ein Re­si­li­enz-Crash­kurs“

Un­ter­neh­me­rin und Ver­ein­bar­keits­ex­per­tin Ja­na Stel­zig be­sprach noch­mals die sie­ben Säu­len der Re­si­li­enz so­wie die Werk­zeu­ge, um „das Im­mun­sys­tem der Psy­che zu stär­ken“. Au­ßer­dem ging es um Res­sour­cen im All­ge­mei­nen. Sie selbst nahm zahl­rei­che Ein­drü­cke aus der of­fe­nen Run­de mit.
Hier kön­nen Sie die Vor­trags­un­ter­la­gen her­un­ter­la­den.3.5 MB

„Das Hirn­kas­tel-Set – Ei­ne Me­tho­de für El­tern, Kin­der und Fach­kräf­te zum The­ma Stress“

Mo­de­riert von Ja­net Berg (Kin­der­schutz­bund) und Ja­na Cla­sen (Dia­ko­nie Ros­to­cker Stadt­mis­si­on) wur­de ei­ne Me­tho­de vor­ge­stellt zu vi­sua­li­sie­ren, was ge­nau bei Stress pas­siert, wel­che Mög­lich­kei­ten in sol­chen Si­tua­tio­nen blei­ben und wo Gren­zen sind. Die­se Mög­lich­keit eig­net sich vor al­lem für Grup­pen, aber auch für Kin­der, die ver­ste­hen sol­len, was mit ih­nen pas­siert, wenn sie au­ßer sich oder in­ner­lich er­starrt sind. Hier fin­den Sie ein Er­klär­vi­deo zum The­ma.

Im Foy­er des Rat­hau­ses hat­ten die vier Stadt­be­rei­che des Netz­werks Frü­he Hil­fen In­fo-Ta­feln auf­ge­stellt, um ih­re Ak­ti­vi­tä­ten vor­zu­stel­len. In den Pau­sen nut­zen die An­we­sen­den die Ge­le­gen­heit, sich dar­über zu in­for­mie­ren und aus­zu­tau­schen.
Ta­ges­mo­de­ra­to­rin Kat­rin Ol­dörp stell­te am En­de des Ta­ges fest, dass auch die­ses Fach­tref­fen wie­der da­zu ge­eig­net war, Neu­es zu ler­nen, Kon­tak­te zu knüp­fen oder auf­zu­fri­schen.

Ver­an­stal­tungs­pro­gramm

Hier fin­den Sie das Pro­gramm zur Ver­an­stal­tung 1.4 MB„Re­si­li­enz und Kri­se – Auf­tan­ken mit und für Fa­mi­li­en“