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Na­vi­ga­ti­on

Re­de von Se­na­tor für Fi­nan­zen, Di­gi­ta­li­sie­rung und Ord­nung Dr. Chris Mül­ler-von Wry­cz Re­kow­ski zur Ein­brin­gung des Haus­halts­plan­ent­wur­fes 2020/2021 wäh­rend der Sit­zung der Bür­ger­schaft

Pres­se­mit­tei­lung vom 29.04.2020 - Rat­haus / Aus­schüs­se und Orts­bei­rä­te / Bür­ger­schaft

Sehr ge­ehr­te Frau Prä­si­den­tin,
sehr ge­ehr­te Mit­glie­der der Bür­ger­schaft,
mei­ne Da­men und Her­ren,

es ist jetzt ziem­lich ge­nau zwei Jah­re her, als ich das letz­te Mal zu Ih­nen sprach, um Ih­nen ei­nen neu­en Haus­halts­plan­ent­wurf zur Be­ra­tung und Ent­schei­dung vor­zu­le­gen. Da­bei ha­be ich von ei­nem bei­na­he his­to­ri­schen Tag ge­spro­chen – weil wir Ih­nen da­mals ei­ne Fi­nanz­pla­nung vor­le­gen konn­ten, die den voll­stän­di­gen Haus­halts­aus­gleich und da­mit die Rück­füh­rung sämt­li­cher kon­sum­ti­ver Schul­den vor­sah.

Auch für den heu­ti­gen Tag müs­sen wir wohl ei­nen Su­per­la­tiv be­mü­hen, al­ler­dings ei­nen ne­ga­ti­ven: wohl noch nie in der jün­ge­ren Ge­schich­te un­se­rer Stadt gab es ei­ne Bür­ger­schafts­sit­zung, die auf­grund der äu­ße­ren Um­stän­de ei­nen der­art be­klem­men­den Cha­rak­ter hat­te wie un­ser Zu­sam­men­tref­fen heu­te.

Ich weiß nicht, wie es Ih­nen geht - aber ich je­den­falls ha­be mich wäh­rend mei­ner Tä­tig­keit für un­se­re Stadt noch nie so sehr nach un­se­rem al­ten Bür­ger­schafts­saal im Ros­to­cker Rat­haus ge­sehnt, trotz sei­ner be­kann­ten Un­zu­läng­lich­kei­ten. Hof­fent­lich ge­lingt es uns tat­säch­lich, uns al­len ge­mein­sam, da­für zu sor­gen, dass der heu­ti­ge Rah­men ei­ne ein­zig­ar­ti­ge Aus­nah­me in der His­to­rie un­se­rer Han­se­stadt bleibt.

Mei­ne Da­men und Her­ren,

zum The­ma: Wo ste­hen wir, wenn man die lan­gen Li­ni­en der Be­wirt­schaf­tung un­se­res Kern­haus­hal­tes be­trach­tet?

Mit der voll­stän­di­gen Ent­schul­dung un­se­rer Stadt im letz­ten Jahr ging ei­ne lan­ge Ära der Spar­po­li­tik zu En­de. Sie hat­te das Ziel, den Vor­ga­ben der Kom­mu­nal­auf­sicht zu ent­flie­hen und end­lich wie­der Hand­lungs­spiel­räu­me für ei­ge­ne Zu­kunfts­ent­schei­dun­gen zu ge­win­nen.

18 Jah­re lang ha­ben Stadt­po­li­tik und Ver­wal­tung dar­an ge­ar­bei­tet: Zu­nächst 7 Jah­re, um un­se­re Aus­ga­ben und Ein­nah­men ins Gleich­ge­wicht zu brin­gen. Und dann wei­te­re 11 Jah­re mit Haus­halts­über­schüs­sen, mit de­nen die auf­ge­lau­fe­nen Schul­den von über 200 Mil­lio­nen Eu­ro ge­tilgt wer­den konn­ten.

Dass wir das Ziel der Ent­schul­dung nach die­sen lan­gen Jah­ren letzt­lich er­rei­chen konn­ten, dar­auf dür­fen wir ge­mein­sam stolz sein. Al­len, die da­bei mit­ge­hol­fen ha­ben, auch hier noch­mal mei­nen herz­li­chen Dank.

Mei­ne Da­men und Her­ren,

bei al­ler Zu­frie­den­heit kann und will ich uns aber auch nicht den fol­gen­den Ge­dan­ken er­spa­ren: Der Haus­halt der Han­se­stadt Ros­tock hat in den ver­gan­ge­nen Jah­ren teils ho­he Über­schüs­se ver­zeich­net. Rech­net man die Son­der­ef­fek­te, z.B. bei den Spit­zen der Ge­wer­be­steu­er, her­aus, wird ein struk­tu­rel­ler Über­schuss er­kenn­bar. Die­ser lässt sich für die bei­den ver­gan­ge­nen Jah­re auf ca. 10 bis 15 Mio. Eu­ro be­zif­fern.

Wahr ist aber auch: Von die­sem struk­tu­rel­len Über­schuss ist im vor­lie­gen­den Ent­wurf für den Dop­pel­haus­halt nichts mehr üb­rig. Maß­nah­men wie das kos­ten­lo­se Schü­ler­ti­cket, der ge­stie­ge­ne Zu­schuss zum Volks­thea­ter, Ta­rif­an­pas­sun­gen bei So­zia­len Trä­gern oder auch der Per­so­nal­auf­wuchs in der Ver­wal­tung ha­ben die­ses Plus auf­ge­zehrt. Im Er­geb­nis ist es uns nur müh­sam ge­lun­gen, Ih­nen für 2020/21 ei­nen in der Pla­nung aus­ge­gli­che­nen Haus­halt vor­zu­le­gen. Die­ser be­wegt sich al­ler­dings ins­ge­samt auf ei­nem deut­lich er­höh­ten Ni­veau.

Ein­nah­me­sei­tig hilft uns hier vor al­lem die No­vel­lie­rung des Fi­nanz­aus­gleichs­ge­set­zes. Auf der Aus­ga­be­sei­te hin­ge­gen schla­gen lei­der z.B. hö­he­re Auf­wen­dun­gen im Rah­men des Bun­des­teil­ha­be­ge­set­zes und im Be­reich Ki­ta zu Bu­che.

Zu­sam­men­ge­fasst ist der Plan­ent­wurf in der vor­ge­leg­ten Form da­mit ein Be­leg un­se­rer ge­wach­se­nen fi­nan­zi­el­len Sta­bi­li­tät. Er do­ku­men­tiert aber auch den ver­ständ­li­chen Drang von Tei­len der Stadt­po­li­tik und Ver­wal­tung, die lang­jäh­ri­ge Spar­sam­keit end­lich hin­ter sich zu las­sen, um Nach­hol­be­dar­fe zu be­frie­di­gen und po­li­ti­sche Wunsch­vor­stel­lun­gen um­zu­set­zen.

Mei­ne Da­men und Her­ren,

uns al­len ge­mein­sam macht nun lei­der die Co­ro­na-Pan­de­mie ei­nen Strich durch die Rech­nung.

Die Wirt­schafts­tä­tig­keit in un­se­rem Land wur­de deut­lich re­du­ziert. Über­all fal­len Ein­kom­men weg, sin­ken die Um­sät­ze, ste­hen bis­lang flo­rie­ren­de Un­ter­neh­men vor der Zah­lungs­un­fä­hig­keit. Wie lan­ge das noch an­dau­ert, oder wie die staat­li­chen Un­ter­stüt­zungs­pa­ke­te wir­ken, wir wis­sen es nicht. Glei­ches gilt für die Fra­ge, ob und wie schnell sich für uns wich­ti­ge Bran­chen wie die Kreuz­fahrt oder die Ho­tel­le­rie von der Kri­se er­ho­len. Das al­les macht es ex­trem schwer, die Hö­he der Ein­nah­me­aus­fäl­le und der zu­sätz­li­chen Kos­ten zum jet­zi­gen Zeit­punkt vor­her­zu­sa­gen. Wir wis­sen le­dig­lich, dass im wei­te­ren Jah­res­ver­lauf er­heb­li­che Kor­rek­tu­ren an der Pla­nung not­wen­dig wer­den.

Die ers­te Mög­lich­keit, da­mit um­zu­ge­hen, wä­re, so­fort die Not­brem­se zu zie­hen, den al­ten Haus­halts­plan bei­sei­te zu le­gen und sich neu an die Ar­beit zu ma­chen. Grund­la­ge da­für müss­te dann die Steu­er­schät­zung im Mai sein, die ver­mut­lich ver­hee­rend aus­fal­len wird. Wir als Ver­wal­tung wä­ren dann recht­lich ge­zwun­gen, ei­nen „Haus­halt des Grau­ens" auf­zu­stel­len. Dar­in wür­den wir durch ra­di­ka­le Kür­zun­gen - na­tür­lich vor al­lem im frei­wil­li­gen Be­reich – ver­su­chen, zu­min­dest in die Nä­he ei­nes aus­ge­gli­che­nen Haus­hal­tes zu kom­men. Die­ser Plan wür­de uns zwangs­läu­fig wei­ter in die Kri­se spa­ren. Er müss­te wahr­schein­lich im Jah­res­ver­lauf noch mehr­fach an­ge­passt wer­den. Und das al­les, wäh­rend wir par­al­lel im Zu­ge der vor­läu­fi­gen Haus­halts­füh­rung re­du­zier­te Aus­zah­lun­gen tä­ti­gen, die Fak­ten schaf­fen und Ver­ei­ne und Ver­bän­de wei­ter in die En­ge trei­ben.

Mei­ne Da­men und Her­ren,

wir sind uns hof­fent­lich ei­nig: Die­ser Weg kann nicht die Lö­sung sein!

Das sieht man auch auf Ebe­ne des Lan­des so. Des­halb emp­fiehlt die Rechts­auf­sichts­be­hör­de al­len be­tref­fen­den Kom­mu­nen, erst ein­mal schnellst­mög­lich den vor­han­de­nen Haus­halts­plan­ent­wurf in Kraft zu set­zen. So wie er auf Grund­la­ge des Ori­en­tie­rungs­er­las­ses des In­nen­mi­nis­te­ri­ums aus­ge­ar­bei­tet wur­de.

Das hat den gro­ßen Vor­teil, zu­nächst mit der Fle­xi­bi­li­tät des of­fe­nen Haus­hal­tes agie­ren zu kön­nen. Der sieht ja für die Ver­ei­ne, für die so­zia­len Trä­ger und für uns als Ver­wal­tung in­tern ei­ne im We­sent­li­chen aus­kömm­li­che Fi­nan­zie­rung vor. Wir kön­nen dann die Ent­wick­lung der nächs­ten Mo­na­te be­ob­ach­ten und be­darfs­an­ge­pass­te Ver­än­de­run­gen vor­be­rei­ten.

Die­se wer­den wir vor­ab im en­gen Aus­tausch mit Ih­nen dis­ku­tie­ren und dann im Rah­men ei­nes Nach­trags­haus­hal­tes zur Be­schluss­fas­sung vor­le­gen. So wie das heu­te in Ih­rem ge­mein­sa­men Än­de­rungs­an­trag be­schrie­ben ist. Da­mit er­hal­ten auch Sie zu ei­nem bes­se­ren Zeit­punkt im Jahr noch ein­mal die Ge­le­gen­heit, zwi­schen­zeit­lich ent­stan­de­ne Be­dar­fe in den Haus­halt ein­zu­brin­gen.

Wir als Ver­wal­tung hal­ten dies ge­gen­über der ers­ten Va­ri­an­te für den deut­lich bes­se­ren Weg, und wir bit­ten Sie hier­für heu­te um Ih­re Zu­stim­mung.